Viele Deutsche träumen vom Ruhestand. Andere dagegen haben bereits früh den Entschluss gefasst, auch über das Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten. "Eine weise Entscheidung", meint die Münchner Diplompsychologin Madeleine Leitner, "denn neben finanziellen Aspekten sind viele Menschen heute mit 60 plus noch viel zu fit für das Nichtstun. Aus psychologischer Sicht drohen im Gegensatz zu dem verbreiteten Klischee vom süßen Nichtstun sogar Leere und Depressionen."
In letzter Zeit stellt die Psychologin, die seit über 20 Jahren Menschen in beruflichen Umbruchsituationen berät, einen neuen Trend fest. "Ich habe verstärkt Anfragen von erfolgreichen Menschen jenseits der 50 oder sogar 60, die sich noch einmal bewusst mit ihren beruflichen Zukunftsplänen beschäftigen möchten." Sie träumen nicht vom Ruhestand oder von Ehrenämtern, sondern von einer Arbeit mit Sinn.
Arbeit sei für sie keine Last, sondern im Gegenteil ein wertvoller und sinnstiftender Teil ihres Daseins, den sie auch noch langfristig ausüben möchten. Auch in den Medien häufen sich Berichte über beruflich erfolgreiche "Senioren", die nach ihrem Selbstverständnis - wie zum Beispiel der 78-jährige Unternehmer Harald Scheer - mit steigendem Alter das Thema Ruhestand immer weiter hinter sich lassen.
Ein erfülltes Leben und mehr Geld
Die meisten Ratsuchenden bei Leitner sind in der Altersgruppe 50 plus und möchten ihre bisherige Tätigkeit vor allem noch einmal grundlegend auf den Prüfstand stellen. Manche beschäftigen sich bewusst mit ihren Lebensträumen: so eröffnete ein Beamter nach seiner Pensionierung beispielsweise endlich eine Galerie. Oder Angestellte überlegen, ob sie sich doch besser selbständig machen können, um als Unternehmer endlich nach ihren eigenen Vorstellungen zu arbeiten.
"Manche erfolgreichen Unternehmer oder Selbständige - zum Beispiel Anwälte, Unternehmensberater, Ärzte und Steuerberater - erwogen ernsthaft, beruflich ganz aufzuhören. Bei genauer Analyse stellten sich ihre Probleme wie zum Beispiel zu viel Routine oder bestimmte Widrigkeiten ihres Jobs aber als lösbar heraus", so Leitner. Als Resultat der Zusammenarbeit trennte sich ein unglücklicher Steuerberater in den 60ern bewusst von seinen unzuverlässigen und daher besonders aufwendigen Mandanten.
Eine frustrierte Anwältin, Mittfünfzigerin, fokussiert sich jetzt auf Erstgespräche mit den Mandanten und die Entwicklung einer Strategie für das Verfahren; den ungeliebten "Kleinkram" delegiert sie nun konsequent an ihre Kollegen. Indem diese Klienten ihre Tätigkeit noch einmal besser auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden, macht sie ihnen plötzlich wieder Freude, so dass sie bewusst noch einmal durchstarten können. "Und zwar mit Open End über das klassische Rentenalter hinaus."
Der Ruhestand als psychologisches Risiko
Angestellte nehmen aufgrund des fixen Renteneintrittsalters zu einem bestimmten Zeitpunkt Abschied vom Arbeitsleben, nicht immer freiwillig. Viele fallen anschließend in ein tiefes Loch. Zwar können Familie, Freunde und Hobbys helfen, den neuen Lebensabschnitt zu genießen, doch gibt es dabei aus psychologischer Sicht wesentliche Veränderungen, die für die Entstehung von Depressionen prädestiniert sind.
Das Arbeitsleben bietet eine natürliche Strukturierung des Alltags und ist ein automatischer Beziehungsgenerator. Entfällt beides, und gibt es zudem auch finanzielle Einschränkungen, drohen Depressionen. In keiner Bevölkerungsgruppe sind diese so verbreitet wie unter Rentnern. Zudem haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Berufstätige schneller altern und früher sterben, je eher sie in den Ruhestand gehen.
- Top 10 Faktoren der Jobmotivation
Die Studie der ManpowerGroup hat die zehn wichtigsten Faktoren der Motivation im Arbeitsalltag identifiziert. - 1. Gutes Arbeitsverhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten
Der menschliche Faktor zählt: 65 Prozent der Befragten sind motivierter im Job, wenn sie mit Kollegen und Chefs gut auskommen. 2014 waren es noch 77 Prozent. - 2. Flexible Arbeitszeiten
Gleitzeit oder ein Arbeitszeitkonto bleiben wichtige Motivatoren, sind allerdings auf dem Rückzug. Nur jeden zweiten Arbeitnehmer (50 Prozent) spornt flexibles Kommen und Gehen an. Im Vorjahr war dies noch bei 67 Prozent der Fall. - 3. Freundschaftliches Verhältnis zu Kollegen
Für 42 Prozent der Deutschen ist es wichtig, auch nach Feierabend den Kontakt zu anderen Kollegen zu pflegen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Letztes Jahr war es 45 Prozent. - 4. Kostenlose Getränke vom Arbeitgeber
Geringer Aufwand, große Wirkung: Für 33 Prozent Arbeitnehmer sind kostenlose Getränke am Arbeitsplatz motivierend für den Job – ein Prozent mehr als bei der Vorjahresbefragung. - 5. Teamarbeit
33 Prozent der Arbeitnehmer haben mehr Spaß im Job, wenn sie häufig in Gruppen arbeiten. „Die Arbeitnehmer schätzen zwar den Kontakt zu ihren Kollegen – doch ständige Meetings und Arbeitsgruppen empfinden zwei Drittel eher lästig als motivierend“, sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland. - 6. Ansprechende Raumgestaltung
Die Büroatmosphäre hat auf ebenso wenig Befragte eine motivierende Wirkung. 32 Prozent arbeiten aus eigener Sicht produktiver, wenn die Optik im Büro stimmt. Das bedeutet drei Prozentpunkte Einbuße im Vergleich zum Vorjahr. - 7. Betriebliche Gesundheitsförderung
Beratung durch den Betriebsarzt und vom Arbeitgeber bezahlte Präventionskurse sind gut für die Motivation. 31 Prozent der Mitarbeiter arbeiten befreiter, wenn sie wissen, dass ihr Unternehmen die Gesundheit der Angestellten fördert. 2014 waren es 38 Prozent. - 8. Guter Kaffee
Augen auf beim Kaffeekauf: Für 28 Prozent der Mitarbeiter fördert die Qualität des Koffeingetränks die Motivation am Arbeitsplatz. Guter Kaffee rutscht damit in die Top 10 der Arbeitsmotivatoren und holt im Vergleich zu 2014 fünf Prozentpunkte auf. - 9. Pflanzen im Büro
Grünpflanzen heben die Stimmung und sorgen für ein besseres Raumklima. Ein Prozent mehr als letztes Jahr, nämlich 27 Prozent der Befragten, können besser arbeiten, wenn Zimmerpflanzen im Büro stehen. - 10. Motivation durch Büromöbel
Mit Investitionen in moderne Bürowelten können Arbeitgeber punkten: 25 Prozent der Arbeitnehmer lassen sich durch zeitgemäßes, ergonomisches Design motivieren – vier Prozent mehr als 2014.
Fünf Tipps für die Entscheidung: Ruhestand oder nicht?
Es ist für jeden ratsam, sich aktiv mit der Frage zu beschäftigen, ob das klassische Modell des Ruhestands für ihn geeignet ist. Dazu hat Leitner fünf Tipps als kleinen Anti-Ruhestands-Ratgeber zusammengestellt:
1. Vergessen Sie das Klischee vom schicksalhaften Zwangsruhestand. Zwar gibt es aus Sicht der Rentenkasse eine "magische Altersgrenze", doch im Grunde genommen ist diese eine reine Formalie, die historisch entstanden ist. Objektiv hindert Sie nichts daran, weiterzuarbeiten.
2. Wenn Sie bisher angestellt waren, stellen Sie sich die Frage: Könnte Ihre Firma weiter Interesse an Ihrer Expertise haben? Mit der Flexi-Rente kann das Renteneintrittsalter inzwischen freiwillig nach hinten verlagert und können Rentenansprüche sogar noch einmal erhöht werden. Scheuen Sie sich nicht, Ihren Arbeitgeber zu fragen, ob Sie als freier Mitarbeiter oder mit einem Beratervertrag weiter tätig sein können.
3. Unterziehen Sie Ihre bisherige Tätigkeit einer Bestandsaufnahme. Was gefällt Ihnen? Was möchten Sie aufgeben? Wie wäre der Job so zu modifizieren, dass er auch über das Rentenalter hinaus weiter oder wieder mehr Freude macht?
4. Haben Sie besondere Interessen? Dann können Sie diese vielleicht in einer Selbstständigkeit verwirklichen. Ihre monatliche Rente ist ein gutes Polster und hilft Ihnen gegen die Existenzängste, die viele von der Selbständigkeit abhält.
5. Und vor allem: Lassen Sie sich nicht aufgrund Ihres Lebensalters abstempeln. Statt sich "alt" zu fühlen, sollten Sie Begriffe wie "Seniorität" und "Lebenserfahrung" verwenden. Die sogenannten "Senioren" als Generation stehen auch für klassische Tugenden, die einst den Standort Deutschland ausgezeichnet haben und heute nicht mehr selbstverständlich sind.