Im August 2023 präsentierte ein Team bestehend aus leitenden Entwicklungs- und UX-Experten von Google mit "Project IDX" eine mögliche Lösung für ein Problem, das Dev-Abteilungen schon seit den frühen 1980ern begleitet: Einen Technologie-Stack für die Softwareentwicklung aufzusetzen.

Bei Project IDX handelt es sich um eine Browser-basierte Entwicklungsumgebung, die auf Basis von Code OSS (die Open-Source-Version von Microsofts Visual Studio Code) aufgebaut ist und der das GenAI-Foundation-Modell Codey zugrundeliegt (das wiederum auf PaLM 2 basiert). Project IDX wurde entwickelt, um es - mit gängigen Frameworks und Programmiersprachen - zu erleichtern, vollständige Web- und Multiplattform-Applikationen

• zu entwickeln,

• zu managen sowie

• bereitzustellen.

Es gibt bereits diverse andere Tools und Produkte, die Überschneidungen mit Project IDX aufweisen und daher zum (künftigen) Konkurrenzumfeld gehören. Zum Beispiel:

• AWS Cloud9,

• GitHub Codespaces,

• Gitpod,

• Replit,

• Eclipse Che,

• Codeanywhere und

• StackBlitz.

Google Project IDX - VS Code lässt grüßen

Zugänglich ist Project IDX bislang nur über die Anmeldung auf einer Warteliste. Trotzdem das Ganze zum Zeitpunkt der Artikelerstellung auch noch eine sehr grobe Preview darstellt, weist dieses Google-Projekt interessante Designansätze und Potenziale auf. Es ist allerdings noch nicht ausgereift genug, um in Produktionsumgebungen eingesetzt zu werden.

Zunächst einmal dürfte sich jeder Nutzer von Visual Studio Code schnell in einer vertrauten Umgebung wiederfinden. Die IDX-KI (angetrieben vom Codey-LLM) liefert während der Eingabe Code-Vorschläge und bietet zudem auch eine KI-gestützte Chat-Funktion, über die Sie

• Code erklären lassen,

• neuen Code generieren sowie

• Unit-Tests schreiben können.

Angeblich soll die IDX AI auch mögliche Lizenzanforderungen auf der Grundlage von KI-generiertem Code anzeigen - in unserem kleinen Vorabtest war davon noch nichts zu sehen. Der IDX Code OSS-Editor wird in einer sogenannten Cloud Workstation von Google (Cloud VM) ausgeführt. Das wird - normalerweise - pro Stunde abgerechnet. Project IDX ist derzeit jedoch kostenlos.

Für gewöhnlich unterstützen die Cloud Workstations eine Vielzahl gängiger IDEs und Duet AI. Im Fall von Project IDX gibt es nur Support für Code OSS und Codey. Zudem können Cloud Workstations normalerweise auch innerhalb eines privaten Netzwerks und in Staging-Umgebungen ausgeführt werden. Project IDX bleibt (derzeit) auf seine eigene Umgebung beschränkt.

Projekte lassen sich in Project IDX mit integrierten Templates und GitHub-Importen aufsetzen. Die Vorlagen unterstützen die Programmiersprachen:

• JavaScript,

• TypeScript und

• Dart.

Außerdem gibt es Support für folgende Frameworks:

• Angular,

• React,

• NextJS,

• Vue,

• Svelte und

• Flutter.

In Zukunft soll Project IDX auch Python und Go unterstützen. Um Ihren Arbeitsbereich zu individualisieren, können Sie optional Nix verwenden.

Google-Cloud-IDE integriert mit Git und GitHub

Wenn Ihr GitHub-Projekt JavaScript-Abhängigkeiten aufweist, können Sie nach Abschluss des Imports den Befehl npm install in Ihrem IDX-Terminalfenster ausführen. Sie können Ihr Projekt auch von IDX aus in ein Git-Repository umwandeln und dieses mit GitHub synchronisieren.

Neben einer Webvorschau zeigt Project IDX auch Previews in Android-Emulatoren und iOS-Simulatoren an - sofern das vom zugrundeliegenden Template unterstützt wird.

Running an iOS Simulator in the browser? "Why not", said the Project IDX team. So now you can run your iOS apps in the browser during development.https://t.co/UDN546NPPl

— Peter Friese (@peterfriese) January 30, 2024

Das Deployment läuft direkt über Ihren Workspace - über Firebase-Hosting. Auf experimenteller Basis können Sie Ihren Arbeitsbereich auch vollständig freigeben. Project IDX hat zudem vorinstallierte Erweiterungen für die unterstützten Sprachen und Frameworks an Bord. Zusätzlich soll das Google-Projekt auch die Extensions unterstützen, die über OpenVSX zur Verfügung stehen. Das konnten wir aufgrund der schieren Zahl der dort verfügbaren Erweiterungen (mehr als 3.000) im Test nicht überprüfen.

Eine wesentliche Einschränkung von Project IDX: Es sind nur zwei Projekte parallel möglich. Diese Limitation können Sie allerdings umgehen, indem Sie Projekte auf GitHub "zwischenspeichern".

Project IDX - Testfazit

Project IDX hat viel Potenzial. Optisch ähnelt es Visual Studio Code for the Web (das leider ein Terminal und einen Debugger vermissen lässt) - funktional zeigen sich Parallelen zu GitHub Codespaces, Gitpod und Eclipse Che. Der Grund, warum Sie mit Project IDX möglicherweise besser fahren als mit einem der eben genannten Tools liegt im Hosting auf einem Google Cloud Workspace. Das stellt einen enormen Vorteil dar, wenn Sie eine Integration mit Google-Cloud-Diensten oder mit anderen Programmen, die in der Google Cloud laufen, anstreben. Wenn Ihr bestehender Code hingegen auf Amazon Web Services läuft, empfiehlt sich eher ein Blick auf AWS Cloud9.

Die wohl größte Sorge bei Project IDX manifestiert sich beim Blick auf die Geschichte vieler Google-Projekte und -Dienste: Kennen Sie noch Freebase, Google+, Polymer oder die Google Search Appliance? Eben. Das ändert allerdings nichts an den Vorzügen von Project IDX. Solange Sie ein GitHub-Repository von Ihrem Workspace aus erstellen und es auf dem aktuellen Stand halten, lohnt es sich, zumindest damit zu experimentieren. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.