Schwindel über Ortungsdaten

Google muss Millionenstrafe zahlen

15.11.2022
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Weil Google seinen Usern vorgegaukelt hat, ihre Standortdaten würden nicht weitergegeben – was offenbar nicht stimmte –, muss der Konzern in den USA fast 400 Millionen Dollar Strafe zahlen.
Google muss künftig besser aufpassen, wie User-Daten gesammelt und ausgewertet werden.
Google muss künftig besser aufpassen, wie User-Daten gesammelt und ausgewertet werden.
Foto: Sergei Elagin - shutterstock.com

Google hat seine Nutzer über die Verwendung von Standortdaten getäuscht und muss deshalb in den USA eine Strafe von 391,5 Millionen Dollar zahlen. Außerdem muss der Online-Riese künftig tiefere Einblicke gewähren, welche Daten er sammelt und wie diese genutzt werden. Geklagt hatte eine Koalition von Generalstaatsanwälten aus 40 US-Bundesstaaten. Sie warfen Google vor, über Google Maps Informationen über die Standorte von Nutzern zu sammeln, auch wenn die User die entsprechende Funktion dafür ausgeschaltet hatten. Erstmals waren diese Praktiken im Jahr 2017 bekannt geworden. Das Verfahren selbst lief seit 2018.

"Digitale Plattformen wie Google können nicht behaupten, den Nutzern Datenschutz zu bieten, und diesen dann missachten, indem sie gegen den ausdrücklichen Wunsch der Nutzer - und mit großem Gewinn - Daten sammeln und an Werbetreibende verkaufen", sagte der Generalstaatsanwalt von New Jersey, Matthew Platkin, in einer Erklärung. Die Anwälte sprachen von einem historischen Sieg für den Schutz der Verbraucherrechte. Google habe seinen Profit über die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer gestellt, hieß es. Sie bezeichneten dieses Verhalten offen als betrügerisch.

Google zufolge beziehen sich die Vorwürfe auf Praktiken, die bereits vor langer Zeit abgeschafft worden seien. "Sie basierten auf veralteten Produktrichtlinien, die wir bereits geändert haben", zitierte das Wall Street Journal den Google-Sprecher José Castañeda.

Verbraucherschützer fordern härtere Strafen

Vertretern von Verbraucherschutzorganisationen geht die Strafe noch nicht weit genug. Sie verweisen auf einen Quartalsumsatz der Google-Mutter Alphabet von über 69 Milliarden Dollar. Das Bußgeld sei nicht annähernd so hoch wie erhofft, wenn man an die Millionen von betroffenen Verbrauchern denke, sagte dem WSJ-Bericht zufolge John Davisson, Senior Counsel beim Electronic Privacy Information Center. Die Datenschützer forderten die politischen Entscheidungsträger auf, dem Umgang mit sensiblen Nutzerdaten wie zum Beispiel Standortinformationen strenge Grenzen zu setzen.

Auch wer die Standortnachverfolgung in Google Maps deaktiviert hatte, wurde offenbar von Google weiter lokalisiert.
Auch wer die Standortnachverfolgung in Google Maps deaktiviert hatte, wurde offenbar von Google weiter lokalisiert.
Foto: moxumbic - shutterstock.com

Tatsächlich stehen die Online-Konzerne und ihre Praktiken mit Nutzerdaten umzugehen derzeit unter verschärfter Beobachtung. Die Federal Trade Commission (FTC) prüft aktuell, wie sich der Schutz der Privatsphäre im Internet ausbauen lässt, und nimmt die teilweise laxen Datenschutzregeln der Online-Konzerne ins Visier. Auch im Kongress wird aktuell darüber debattiert, wie die Verbraucher mehr Kontrolle über ihre Daten und deren Verwendung durch Dritte bekommen können.

DSGVO und DMA setzen in Europa klare Regeln

In Europa ist man dieser Stelle weiter. Die seit Jahren geltende EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) gibt klare Regeln vor, wie die Konzerne mit persönlichen Daten ihrer User umzugehen haben. Am 1. November dieses Jahres ist mit dem Digital Markets Act (DMA) darüber hinaus eine Verordnung der EU in Kraft getreten, die mehr digitalen Wettbewerb garantieren soll. Für sogenannte Gatekeeper wie Google oder Apple mit dem AppStore wird der Gegenwind schärfer.

EU stellt strengere Regeln für Internet-Konzerne auf

Für die Internet-Giganten steht viel auf dem Spiel. Mit dem Werbegeschäft steht und fällt ihr Geschäftserfolg. Je mehr die Konzerne über ihre User wissen, desto besser können sie personalisierte Werbung platzieren, die im Endeffekt mehr Wirkung zeigt und den Online-Plattformen Geld in die Kassen spült. Marktbeobachtern zufolge ist es ein ständiger Balanceakt zwischen dem Einhalten der Datenschutzregeln und dem Tracking von Nutzerdaten.

Inkognito-Modus - droht Google die nächste Milliarden-Strafe?

Dabei tickt bereits die nächste Bombe für Google. Verbraucherschützer werfen dem Unternehmen vor, Anwendern des Chrome-Browsers vorzugaukeln, mit dem Inkognito-Modus sei ihre Privatsphäre geschützt. Tatsächlich sammele Google trotz des Schutzmechanismus für mehr Privatsphäre jede Menge Daten über das Surfverhalten der User. Der Inkognito-Modus sei ein einziger Fake. In Kürze soll eine Richterin in Kalifornien darüber entscheiden, ob die Klage angenommen wird. Ist das der Fall, drohen weitere Strafen, möglicherweise in Milliardenhöhe.

Bei Google scheinen die Nerven angesichts der nicht enden wollenden Vorwürfe zunehmend blank zu liegen. Gegenüber der Washington Post äußerte sich Sprecher Castañeda per E-Mail zu dem neuen Fall: "Wir haben die Nutzer offen darüber informiert, was der Inkognito-Modus im Hinblick auf den Datenschutz bietet. In diesem Fall werden unsere Aussagen von den Klägern absichtlich falsch dargestellt."