GraphCast

Google-KI löst den Wetterfrosch ab

16.11.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit GraphCast hat Google ein KI-Modell entwickelt, dass das Wetter genauer und schneller voraussagen kann, als alle bisherigen Simulationen der Meteorologen.
Die KI macht den Wetterfrosch arbeitslos.
Die KI macht den Wetterfrosch arbeitslos.
Foto: Holger Kirk - shutterstock.com

Google hat ein KI-Modell vorgestellt, das weltweit das Wetter mit einer bis dato nicht erreichten Genauigkeit vorhersagen können soll. GraphCast liefere innerhalb einer Minute Prognosen für zehn Tage im Voraus, hieß es in einem Blog-Beitrag von Remi Lam, Wissenschaftler aus dem DeepMind-Team bei Google. "In einer Welt mit immer extremeren Wetterbedingungen waren schnelle und genaue Vorhersagen noch nie so wichtig wie heute," begründet der Suchmaschinenspezialist seine Forschungen auf diesem Gebiet.

GraphCast könne Wetterbedingungen Google zufolge genauer und schneller prognostizieren als das branchenweit führende Wettersimulationssystem High Resolution Forecast (HRES), das vom European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) erstellt wird. Damit sei die Wetter-KI auch in der Lage, Menschen früher vor extremen Wetterbedingungen zu warnen. Beispielsweise ließen sich Zugbahnen von Wirbelstürmen exakter berechnen, oder bestimmte atmosphärische Luftströmungen, die eventuell Hochwasserkatastrophen beziehungsweise extrem hohe Temperaturen verursachen könnten.

GraphCast von Google soll extreme Wetterphänomene schneller und genauer vorhersagen können.
GraphCast von Google soll extreme Wetterphänomene schneller und genauer vorhersagen können.
Foto: Google

Google geht mit GraphCast einen anderen Weg als die klassische Wettervorhersage. Bis dato beruhten die Prognosen auf der Numerical-Weather-Prediction- (NWP-)Methode. Dazu gehören sorgfältig kalkulierte physikalische Gleichungen, die dann in Computeralgorithmen übersetzt und in aller Regel auf Supercomputern ausgeführt werden. Google zufolge sei allerdings das Entwerfen der Gleichungen und Algorithmen zeitaufwändig und erfordere kostspielige Rechenressourcen.

Deep Learning und GNNs statt Supercomputer

Mit Deep Learning und sogenannten Graph Neural Networks (GNNs) wählt Google einen anderen Ansatz. Statt auf physikalische Gleichungen setzt GraphCast auf Daten, um ein Wettervorhersagesystem zu erstellen. Das dahinter liegende KI-Modell wurde mit historischen Wetterdaten der vergangenen 40 Jahre aus dem ERA5-Datensatz des ECMWF trainiert. Dazu kamen Satellitenaufnahmen sowie Daten aus Radar- und Wetterstationen.

Das GraphCast-Modell löst die Erdoberfläche in mehr als eine Million Gitterpunkte auf. Das entspricht auf Äquatorhöhe einem Rasterquadrat mit einer Seitenlänge von 28 Kilometern. An jedem Gitterpunkt prognostiziert das Modell fünf Variable für die Erdoberfläche - darunter Temperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung sowie den Luftdruck - sowie sechs atmosphärische Variable für jede der 37 Höhenstufen, einschließlich spezifischer Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und -richtung sowie Temperatur.

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Google zufolge sei das Training von GraphCast rechenintensiv gewesen. Wie intensiv, verrät Lam in seinem Blog-Beitrag nicht. Allerdings funktioniere das Prognosemodell im laufenden Betrieb sehr effizient, hieß es. Eine Zehn-Tage-Prognose lasse sich in weniger als einer Minute mit Hilfe eines Google TPU v4-Rechners erstellen. Auf herkömmlichen Wege würde eine solche Vorhersage stundenlange Berechnungen auf einem Supercomputer erfordern, so die Google-Forscher.

Schnellere Warnungen vor Unwetterkatastrophen

In ersten Tests habe GraphCast unter anderem die Bewegung von Wirbelstürmen genauer vorhersagen können, als herkömmliche Modelle, berichtet Lam. Im September 2023 habe eine Live-Version des GraphCast-Modells, das auf der ECMWF-Website bereitgestellt wurde, etwa neun Tage im Voraus genau vorausgesagt, dass Hurrikan Lee in Nova Scotia auf Land treffen würde. Im Gegensatz dazu wiesen traditionelle Vorhersagen eine größere Variabilität auf, wo und wann der Sturm auf Land treffen würde, und legten sich auf Nova Scotia nur etwa sechs Tage im Voraus fest.

Google stellt GraphCast Open Source über GitHub zur Verfügung. Auch das ECMWF experimentiert bereits mit dem Google-Modell. Der Anbieter rechnet damit, dass sich die Prognosen in Zukunft weiter verfeinern ließen, beispielsweise hinsichtlich bestimmter Wetterphänomene oder auf bestimmte Regionen hin. Google zufolge geht es bei GraphCast neben Wettervorhersagen auch darum, Klimamuster und -mechanismen besser zu verstehen.