Google Cloud hat ein Such-Tool namens Retail Search veröffentlicht. Es richtet sich an Einzelhändler, die eine bessere Produktsuche in ihre digitalen Plattformen integrieren wollen. Der vollständig von Google verwaltete Service soll vor allem ein Problem lösen, das den meisten Online-Händler auf den Nägeln brennt: Kunden wandern ab, wenn sie das gewünschte Produkt auf einer E-Commerce-Plattform nicht sofort finden.
Google nennt das Phänomen "Suchabbruch". Es soll allein den US-Einzelhandel jedes Jahr rund 300 Milliarden Dollar kosten, so eine gemeinsam von Google und The Harris Poll initiierte Umfrage. Die Untersuchung ergab auch, dass 94 Prozent der US-Verbraucher Einkäufe aussetzen, sobald sie irrelevante Suchergebnisse angezeigt bekommen.
Full-Stack-Service für Online-Händler
Der neue Dienst, der bereits im vergangenen Jahr angekündigt wurde, ist jetzt in der Google Cloud verfügbar. Er soll Googles Know-how in den Bereichen Suchindexierung, Retrieval und Ranking auf die individuellen Produktkataloge und Nutzerdaten der Einzelhändler übertragen. "Es handelt sich um einen Full-Stack-Service, der alle Funktionen einer Suchmaschine beinhaltet und sich nicht mit einzelnen Komponenten wie Ranking, Indexierung oder Scoring begnügt", beschreibt Srikanth Belwadi, Group Product Manager bei Google Cloud, den Dienst.
Online-Händler müssten keine Daten vorverarbeiten, keine Machine-Learning-Modelle trainieren und auch kein Load-Balancing vornehmen oder Infrastruktur manuell bereitstellen, um unvorhergesehene Traffic-Lastspitzen zu bewältigen, sagt Belwadi. All diese Services übernehme Google Retail Search.
Zu den Funktionen gehört auch eine semantische Suche, um Produktattribute mit Website-Inhalten abzugleichen und so eine schnellere und genauere Produkterkennung zu ermöglichen. Google bietet außerdem eine Optimierung der angezeigten Produkte auf der Grundlage von Nutzerinteraktionen und Ranking-Modellen.
Personalisierte Produktempfehlungen bereit stellen
Retail Search baut auf den bereits angebotenen Retail-Lösungen von Google Cloud auf, darunter insbesondere Recommendations AI und die Vision API Produktsuche. Recommendations AI war im Juli 2020 eingeführt worden. Es handelt sich um einen Machine-Learning-(ML-)Service, der darauf abzielt, Kunden personalisierte Produktempfehlungen bereitzustellen. Das Produkt Vision API wurde 2019 auf den Markt gebracht. Es handelt sich ebenfalls um einen ML-Service, der Einzelhändlern die Möglichkeit gibt, ihre Kunden mithilfe eines Bildes nach einem Produkt suchen zu lassen.
Analysten sind sich uneinig in der Frage, ob Google hier lediglich einen weiteren branchenspezifischen Cloud-Dienst anbieten möchte oder doch eher anstrebt, im großen Stil Daten zu sammeln. Tracy Woo, Senior-Analystin bei Forrester, vermutet, dass Google mehr Marktanteile im Handel gewinnen will und sich tatsächlich einen besseren Zugang zu Einzelhandelsdaten verschaffen will. Das sei ein gutes Geschäft für beide Seiten: "Die Einzelhändler profitieren von den überlegenen Suchfunktionen, und Google erhält alle Daten, die aus diesen Suchergebnissen gewonnen werden."
Genau das ist allerdings die Lesart, die Google nicht verbreitet sehen möchte. Das Unternehmen stellte klar, dass seine Retail-Search-Modelle kundenspezifisch und stark von anderen Google-Daten isoliert seien. Sie würden nicht zur Optimierung der Google-Suchdienste herangezogen.
Google hilft Händlern im Wettbewerb mit Amazon
Ray Wang, leitender Analyst bei Constellation Research, glaubt Google. "Google Cloud gibt seinen Kunden Werkzeuge an die Hand, mit denen sie effektiv mit Amazon konkurrieren können." Hier gebe es eine große Marktlücke, da die meisten Einzelhändler es ablehnten, die Cloud-Angebote ihres Erzrivalen Amazon Web Services (AWS) zu nutzen. "Die Kunden erhalten Funktionen auf Amazon-Niveau, ohne zu AWS wechseln zu müssen", sagt Wang.