Geht es um die Attraktivität von Arbeitgebern aus Sicht von Informatikstudenten, die kurz vor dem Abschluss stehen, liegen die Konzerne von Weltruf klar vorne. Für den deutschen Mittelstand ist das keine gute Nachricht, auch haben generell Anwenderunternehmen einen schlechteren Stand als IT-Hersteller. Eine Ausnahme stellen die großen Automobilhersteller dar, wie das neueste Ranking der IT-Wunscharbeitgeber des Berliner Trendence-Instituts zeigt.
Die Branche der Automobilhersteller als Ganzes verliert überraschenderweise in diesem Jahr in der Gunst der Studenten: "Dass die Informatiker sich klar zu den Automobilherstellern als Wunschbranche für den ersten Job aussprechen, nimmt ab", kommentiert Trendence-Geschäftsführer Holger Koch das Ergebnis.
Aber die einzelnen Arbeitgeber sind nach wie vor sehr beliebt und gewinnen zum großen Teil neue Bewerber hinzu. BMW zum Beispiel erobert den zweiten Platz im Ranking zurück vor Microsoft, nachdem es im vergangenen Jahr den dritten Platz belegte. Auch Audi legt in der Gunst der Absolventen zu und belegt Platz sieben, auch wenn sich das nicht in einem besseren Rang ausdrückt, weil Amazon einfach noch stärker wächst. "Diese beiden Konzerne haben sich in den vergangenen zwei Jahren stark auf das Thema Digitalisierung konzentriert", beobachtet Koch. Das zeigt jetzt auch Wirkung bei der Arbeitgeberattraktivität.
"Der Gewinner des Jahres ist Amazon", ist Kochs klares Urteil. Der amerikanische Internet-Konzern hat sich von Jahr zu Jahr kontinuierlich verbessert und jetzt mit Rang sechs seine bisher beste Position eingefahren. Trotz der anhaltenden Kritik von Gewerkschaftsseite biete das Unternehmen mit neuen Produkten wie Amazon Echo und neuen Logistiklösungen ein attraktives Arbeitsumfeld für Absolventen. Diese schätzten vor allem den Unternehmenserfolg, das internationale Umfeld, die Innovationskraft und die attraktiven Dienstleistungen von Amazon. "Diesen Aufwärtstrend der Bezos-Firma beobachten wir nicht nur unter Informatikern, sondern auch bei den Wirtschaftswissenschaftlern", so Koch.
Die Top 50 der Wunscharbeitgeber im IT-Bereich
1 | |
2 | BMW Group |
3 | MICROSOFT |
4 | Apple |
5 | SAP |
6 | Amazon |
7 | AUDI AG |
8 | Blizzard Entertainment |
9 | Daimler/Mercedes-Benz |
10 | Bosch Gruppe |
11 | Siemens |
12 | IBM |
13 | Porsche AG |
14 | BSI |
15 | Fraunhofer-Gesellschaft |
16 | BND |
17 | NVIDIA |
18 | Airbus |
18 | Volkswagen AG |
20 | DLR |
20 | Electronic Arts |
22 | Accenture |
23 | Intel |
24 | adidas |
25 | Crytek |
25 | Deutsche Bahn |
25 | Deutsche Telekom |
25 | Samsung |
29 | Adobe |
30 | Bundeswehr |
31 | Adesso |
32 | Lufthansa Systems |
32 | Oracle |
34 | Max-Planck-Gesellschaft |
34 | McKinsey |
34 | PwC |
37 | Capgemini |
37 | Continental |
37 | ESA |
37 | Sony |
41 | Bayer |
42 | Deloitte |
43 | BASF IT |
43 | BCG |
45 | KUKA |
45 | Software AG |
45 | Suse Linux |
48 | Deutsche Bank |
48 | IKEA IT |
50 | AVM |
50 | Fraport |
In den Top Ten ist aber auch sonst einiges in Bewegung geraten - abseits von BMW, Microsoft und Amazon. Der frühere Star unter den IT-Absolventen, Apple, belegt Platz vier und überholt damit SAP, nachdem SAP im Vorjahr einen Platz vor der Mac-Firma rangierte. Insgesamt, so Kochs Beobachtung, steigt SAP in der Gunst des Informatiknachwuchses wie das bei vielen Unternehmen der Top Ten der Fall ist. "Dadurch ist der Wettbewerb im Spitzenfeld besonders hart und auch ein Zugewinn an Stimmen kann bedeuten, dass ein Unternehmen im Ranking fällt", gibt der Trendence-Chef zu bedenken. So ergehe es Daimler und Blizzard. Beide sind im Ranking leicht gefallen, Daimler um einen Platz von acht auf Platz neun und Blizzard von Platz sechs auf acht, obwohl sich prozentuell mehr Junginformatiker als im Vorjahr für diese Arbeitgeber interessierten.
Bosch schafft den Sprung in die Top Ten
Die einzigen zwei Unternehmen, die in den Top Ten Bewerber verlieren, sind Spitzenreiter Google und Microsoft. Nichtsdestotrotz ist es für Microsoft eines der besten Ergebnisse. "Dass mehr als zehn Prozent der Informatiker zu Microsoft wollen, ist bislang nur zweimal vorgekommen seit 2000", weiß Analyst Koch.
Bei so vielen Gewinnern muss es auch solche geben, die sich weniger über das aktuelle Ergebnis freuen dürften. Aus den Top Ten heraus fällt Porsche. Der Automobilbauer aus Zuffenhausen gehört "zu den größten Verlierern in diesem Jahr", bilanziert Trendence. Dafür schafft die Bosch-Gruppe den Sprung in die Top Ten. "Die Bosch Gruppe hat noch nie so viele Informatiker von sich überzeugen können wie in diesem Jahr", sagen die Trendence-Analysten. 7,1 Prozent wollen zum Automobilzulieferer. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die Schwaben seit geraumer Zeit sehr offensiv nach außen erzählen, dass sie sich als Softwarefirma verstehen und bezüglich neuer Themen wie etwa IoT vorneweg marschieren.
Jeder zehnte Informatiker will im öffentlichen Sektor arbeiten
Weitere Beobachtung der Berliner Marktanalysten: Der öffentliche Sektor wird für Informatiker immer interessanter. 10,6 Prozent der ITler finden die Branche attraktiv und wollen unbedingt im Öffentlichen Sektor arbeiten. Neuer beliebtester Arbeitgeber der Branche ist das BSI, gefolgt von der Fraunhofer-Gesellschaft und vom Bundesnachrichtendienst (BND). Beim letzteren dürften sich dessen intensiven Marketing-Aktivitäten wie die Teilnahme an zahlreichen Karrieremessen bemerkbar gemacht haben. Die einzigen Arbeitgeber, die im Öffentlichen Sektor in der Gunst der Informatiker verlieren, sind die ARD und die ESA.
"Deutlich hinzu gewinnt auch die Beratungsbranche", analysiert Trendence. Im vergangenen Jahr wollten noch 5,7 Prozent der Informatiker im Consulting arbeiten, in diesem Jahr sind es bereits 6,9 Prozent. "Das ist eine Steigerung um 21 Prozent", errechneten die Berliner. IBM, Accenture und McKinsey führen das Branchenranking an. Die größten Gewinne verzeichnen PwC (von Rang 49 auf 34) und Deloitte (von Rang 57 auf 42). KPMG hingegen verliert sehr deutlich in der Gunst der Studenten. So kommt es zu einer Umwälzung unter den Big Four. War im vergangenen Jahr die Reihenfolge noch KPMG vor PwC vor Deloitte vor EY, lautet sie jetzt: PwC vor Deloitte vor EY gleichauf mit KPMG. Deloitte war bis 2016 noch auf den letzten Platz unter den Big Four abonniert. Im vergangenen Jahr haben sie es bereits auf Platz drei geschafft, in diesem Jahr auf Platz zwei. PwC verzeichnet ebenfalls das zweite Jahr in Folge einen enormen Anstieg in den Bewerberzahlen.
Spielefirmen und Medienhäuser verlieren an Attraktivität
Es gibt aber auch ein paar Negativentwicklungen: Es befindet sich kein Medienunternehmen mehr unter den Top 50 der beliebtesten Arbeitgeber der Informatiker. Das verheißt nichts Gutes für den digitalen Wandel der Medien. "Die schlechten Arbeitsbedingungen und ständigen Umstrukturierungen der vergangenen Jahre zeigen hier ihre Wirkung", gibt Koch zu bedenken. Etwas angekratzt scheint auch das Image der Spielefirmen. Beispielhaft dafür steht Crytec: Das Frankfurter Spielehersteller verliert das vierte Jahr in Folge Bewerber. Für das Unternehmen bedeutet das in diesem Jahr die schlechteste Platzierung jemals mit Rang 29.
Neben dem Wunsch, in welchem Unternehmen die IT-Studenten arbeiten möchten, fragen die Trendence-Analysten auch weitere Themen ab, die den IT-Nachwuchs interessiert. Eines der Schwerpunktthemen in diesem Jahr ist das Thema Führung. Für im Schnitt 93 Prozent der Informatiker ist ein guter Führungsstil wichtig oder sehr wichtig bei der Wahl ihres Arbeitgebers - Tendenz steigend. Darüber hinaus wollte Trendence wissen, was einen guten Chef ausmacht. ITler wollen Chefs, die organisieren und motivieren. Sie müssen aber auch kritikfähig sein und Konflikte managen können. Innovationsfähigkeit und Toleranz hingegen spielen kaum eine Rolle.
Wunschgehalt bei 47.900 Euro
Ein weiteres Thema, das Trendence in diesem Jahr im Fragebogen abhandelt, ist das Thema Arbeitswelt: Wie muss sie gestaltet sein, damit sich Berufseinsteiger wohl fühlen? Informatiker wünschen sich vor allem flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungsangebote, Überstundenausgleich und Homeoffice. Kaum eine Rolle spielen dagegen Freizeitangebote der Arbeitgeber.
Eindeutig sind auch die Präferenzen, wenn es um die Frage geht, nach welchen Kriterien der IT-Nachwuchs seinen künftigen Arbeitgeber aussucht, was ihm besonders wichtig ist und worauf er in erster Linie achtet. Mit 97 Prozent der Nennungen steht an erster Stelle der Wunsch nach attraktiven Arbeitsaufgaben, es folgen "persönliche Entwicklung", dann Wertschätzung und guter Führungsstil - alles Kriterien, die auch sonst Mitarbeiter nennen und die zum Beispiel Firmen auszeichnen, die beim Wettbewerb Great Place to Work teilnehmen. Erst an zwölfter Stelle steht der Wunsch einem hohen Gehalt.
Die Leistungsbereitschaft der Informatiker steigt im Vergleich zum Vorjahr leicht an. Sie sind bereit 41,2 Stunden pro Woche zu arbeiten, 0,4 Stunden mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig steigt ihr Wunschgehalt weiter an und liegt jetzt bei 47.900 Euro. Das sind 900 Euro mehr als noch 2017. In der Summe steigt der erwartete Stundenlohn.
Absolventenbarometer 2018
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