IG Metall und Verdi

Gewerkschaften gewinnen SAP-Betriebsratswahl

07.04.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Gewerkschaftsvertreter haben im künftigen SAP-Betriebsrat mehr zu sagen. Auf den Vorstand kommen ungemütliche Zeiten zu, auch weil der Unmut wegen geringer Gehaltszuwächse zunimmt.
Die IG Metall wird stärkste Kraft im neuen SAP-Betriebsrat.
Die IG Metall wird stärkste Kraft im neuen SAP-Betriebsrat.
Foto: penofoto - shutterstock.com

Überraschend hat die IG Metall die Betriebsratswahlen bei SAP gewonnen. Die Liste "Pro Mitbestimmung" schickt neun Vertreter in den nächsten 45-köpfigen Betriebsrat des deutschen Softwarekonzerns. Damit hat erstmals eine Gewerkschaftsliste die meisten Stimmen erhalten. Gemeinsam mit der Verdi-Liste "Upgrade", die die Zahl ihrer Sitze von vier auf sechs erhöhen konnte, stellen die beiden DGB-Gewerkschaften mit zusammen 15 Sitzen ein Drittel des künftigen SAP-Betriebsrats. Insgesamt waren etwa 22.000 Beschäftigte zur Betriebswahl aufgerufen. Beteiligt haben sich etwa 43 Prozent.

Bei SAP hatte sich erst 2006 ein Betriebsrat etablieren können - als letztes börsennotiertes Großunternehmen in Deutschland. Zuvor hatten der Vorstand, aber auch die Beschäftigten eine Arbeitnehmervertretung immer wieder abgelehnt. Die Arbeit des Betriebsrats war in den vergangenen Jahren von Streit und Grabenkämpfen geprägt - zwischen gewerkschaftsnahen Vertretern und Beschäftigten, die eine Arbeitnehmervertretung immer für unnötig hielten.

Hoffnung auf eine Ende der Streitereien

Der derzeitige Betriebsratsvorsitzende Klaus Merx, der nach 16 Jahren Betriebsratszugehörigkeit nicht mehr kandidierte, hofft nun auf ein Ende der Streitereien, berichtete die "Rhein-Neckar-Zeitung". "Hoffentlich gelingt es dem neuen Betriebsrat, nicht erneut in eine unbrauchbare Aufteilung zwischen 'Regierung' und 'Opposition' zu verfallen", erklärte Merx. "Dieses Konzept aus der großen Politik hat nämlich bisher immer zu großen Reibungsverlusten geführt und sollte endlich überwunden werden."

50 Jahre SAP

Eberhard Schick, Listenführer der IG-Metall-Fraktion Pro Mitbestimmung, hatte bereits im Vorfeld der Wahl erklärt, dass die stärkste Liste den Vorsitzenden stellen sollte, berichtet die Zeitung. Dafür würden in den kommenden Wochen mit allen anderen Listen Gespräche geführt. Die Wahl des oder der neuen Vorsitzenden ist für Anfang Mai geplant.

Mageres Gehaltsplus - es gärt in der SAP-Belegschaft

Der Aufwind für die Gewerkschaften liegt auch daran, dass vielerorts Unzufriedenheit innerhalb der SAP-Belegschaft herrscht. Die Ursache: Es gärt wegen der Gehälter. Für das laufende Jahr gibt es 2,7 Prozent mehr Geld. Wie hoch das Plus ausfällt, bestimmt bei SAP einseitig der Vorstand. Dazu kommt nach Angaben der IG Metall, dass das Gehaltsbudget ungleichmäßig über die Beschäftigten hinweg verteilt werde. Schick bezeichnete die 2,7 Prozent als sehr ernüchternd. Das Management bleibe damit weit hinter den Erwartungen der Belegschaft zurück. Schon das magere Plus von 1,2 Prozent im Vorjahr habe für Unmut gesorgt.

Auch etliche Skandale rund um den alten SAP-Betriebsrat im vergangenen Jahr dürften dazu geführt haben, dass sich die Machtverhältnisse in der Arbeitnehmervertretung massiv verschieben. Es ging um angeblich gekaufte Stimmen für ein Mandat im Betriebsrat, manipulierte E-Mails und hunderte von Tagen erschlichenen Urlaubs. Zwei hochrangigen Mitgliedern des Betriebsrats wurde von Seiten SAPs gekündigt. Während sich die Walldorfer mit dem einen offenbar friedlich einigen konnten, zog der andere vor Gericht. Seine Klage scheiterte im Dezember vor dem Arbeitsgericht Mannheim.

Nicht unbedingt die besten Freunde - SAP Gründer Hasso Plattner und die Gewerkschaften.
Nicht unbedingt die besten Freunde - SAP Gründer Hasso Plattner und die Gewerkschaften.

Schon die Gründung des Betriebsrats 2006 hatte im SAP-Vorstand Unmut ausgelöst. Laut einem Bericht des "Spiegel" schrieb Firmengründer Hasso Plattner damals in einer E-Mail an die Beschäftigten, er könne "die Motivation der Gewerkschaften nicht richtig nachvollziehen". Tragende Säulen des Unternehmens seien "Gerechtigkeit, Offenheit und gesunder Menschenverstand" nicht das Betriebsverfassungsgesetz. "Bei allem Respekt vor dem Schutz der Minderheiten" verstehe er den "Gesetzgeber nicht, wenn eine Minderheit den anderen die Bedingungen diktieren kann".