Interview mit Andjelina Gudelj
Eigentlich müssten Arbeitende in der IT-Branche glücklich und zufrieden sein. Es gibt keine gefährlichen Chemikalien, mit denen sie in Berührung kommen könnten, und keine schweren Lasten zu heben…
Andjelina Gudelj: Ja, das stimmt. Die Arbeitsbedingungen im IT-Dienstleistungs- und Beratungsbereich sind im Vergleich zu vielen anderen sehr gut. Es gibt ein hohes Maß an Handlungs- und Entscheidungsfreiräumen. Doch auch hier kommt es zu Belastungen, die auf Anhieb oft nicht erkannt werden. Zu einem der Risikofaktoren zählt die Bildschirmarbeit. Langes Sitzen und konzentriertes Sehen beanspruchen den Körper, die Augen und natürlich auch die Psyche.
Was beansprucht die Psyche?
Andjelina Gudelj: In der IT-Branche ist es die Arbeitsform an sich, die belasten kann. Viele unserer Mitarbeiter - gerade die Projektleiter, Berater und Entwickler - arbeiten in Projekten, zum Teil auch in mehreren gleichzeitig. An der Tagesordnung sind neue und komplexe Aufgaben, Belastungsspitzen und wechselnde Projektteams. Das ist oft weit weg vom klassischen "9-to-5-Job" und gibt viel Freiheit, erfordert aber auch Flexibilität, Einsatz und Selbstorganisation. Darüber hinaus gilt es, Kunden zu besuchen und dort Projekte zu betreuen. Das bringt oft lange Arbeitszeiten mit sich.
Welche typischen Krankheiten registrieren Sie?
Andjelina Gudelj: Wie in anderen Büroumgebungen, wo viele Menschen zusammenarbeiten, sind grippale Infekte natürlich häufig. Richtig typisch für Büroarbeit sind Beeinträchtigungen des Muskel- und Skelettsystems, die durch den Bewegungsmangel und die einseitige Haltung entstehen. Die Folgen sind beispielsweise Rückenschmerzen oder Probleme an den Bandscheiben.
- Immer mehr Stress
Die Arbeitswelt wandelt sich: Immer mehr wird von einem erwartet, die Aufgaben werden immer komplexer. Vielen Menschen wird der Stress zu viel. Das ist gefährlich, denn ... - Keine Zeit für nichts
... Burnout und Depressionen drohen. Doch mit kleinen Tricks und Übungen von der Gesundheitsexpertin Dr. Claudia Croos-Müller kann man Körper und Geist fit machen gegen Stress und Überlastung. - Es muss nicht immer Sport sein
Und keine Sorge: Ein ausuferndes Fitnessprogramm kommt nicht auf Sie zu. Obwohl mehr Sport im Alltag eine gute Idee ist, um Stress abzubauen. - Mehr Bewegung
"Jede Form der halbwegs lustvollen Bewegung sorgt dafür, dass antidepressive Hormone ausgeschüttet werden", erklärt Croos-Müller. Bewegung macht also tatsächlich glücklich. - Kleine Schritte
Es muss aber nicht gleich joggen sein. Es reicht schon, zum Beispiel häufiger aufzustehen, Meetings im Stehen abzuhalten oder ein paar Hundert Meter Spazieren zu gehen. - Entspannung für den Kopf
Wer sich bewegt, dessen Gehirn schaltet um. So rät Croos-Müller dazu, ein wenig auf der Stelle zu joggen, zum Beispiel wenn ... - Wut im Kopf
... Sie sich gerade über etwas ärgern. Ein bisschen Bewegung lässt den Ärger verfliegen - und das Stresslevel sinkt. - Kopfsache
Bei Bewegung werden im Gehirn Hormone mit antidepressiver Wirkung ausgeschüttet und solche, die Morphium ähneln. - Nicht immer so negativ
Mindestens so wichtig wie Bewegung: Aktivieren Sie die mentalen Ressourcen, trainieren Sie sich darauf, Angelegenheiten positiv zu sehen. Das ist leichter gesagt als getan. Doch schon kleine Schritte helfen. Zum Beispiel: - Freude empfinden
Seien Sie netter zu sich selbst, verzeihen Sie sich Fehler. Wer häufiger Freude, Liebe oder Stolz empfindet, dessen Stresslevel sinkt. So ist man resistenter gegen ... - Nicht unterkriegen lassen
... fiese Chefs und Kollegen. Auch das könne man trainieren, meint Croos-Müller. Wer übt, zuversichtlich zu sein, dessen Gehirn passt sich an. - Bitte lächeln
Probieren Sie auch einmal aus, mehr zu lächeln - vielleicht sogar sich selbst morgens im Spiegel. "Wer viel lacht, der ist gesünder", erklärt Croos-Müller. - Gut fürs Herz
Croos-Müller rät zudem dazu, sich kleine Morgenrituale zuzulegen. In unter drei Minuten den Kreislauf mit Dehnen und Stampfen in Schwung bringen, sich selbst im Spiegel anlächeln und tief atmen. - Entspannt im Büro
Wer nur ein paar dieser Übungen beherzt, der geht entspannter durch den Büroalltag - und durchs Leben.
Notebook und Smartphone begleiten heute fast jeden. Ist die Entgrenzung der Arbeitszeit ebenfalls ein Problem?
Andjelina Gudelj: Mit mobilen und flexiblen Arbeitsmodellen bieten wir den BTC-Mitarbeitern viele Möglichkeiten, ihre Arbeit auch mit dem Notebook und Smartphone dann zu erledigen, wann es gut in ihren Tag passt - das kann dann auch mal erst abends um 20 Uhr sein, wenn die Kinder schon schlafen. Aber nicht alle Mitarbeiter wollen ihre Arbeit auch mit nach Hause nehmen. Hier ist eine hohe Eigenverantwortung des Einzelnen und auch Achtsamkeit des Unternehmens gefragt. Denn regelmäßige Ruhephasen sind wichtig, damit der Stress nicht zur Dauerbelastung führt.
Was tun Sie dafür, dass der Einzelne sich nicht selbst ausbeutet, sondern eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatem findet?
Andjelina Gudelj: Schon unsere Führungskräfte werden dafür sensibilisiert, auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu achten - und natürlich auch auf ihre eigene. In einem Training mit einer Psychologin und einem Mediziner reflektieren sie beispielsweise die Erfolgsfaktoren gesunder Führung und lernen, erste Anzeichen von Stress und Burnout zu erkennen. Aber auch unseren Mitarbeitern bieten wir ein entsprechendes Angebot mit dem Titel "Gesund denken und handeln". Fragen wie "Was verursacht Stress bei mir?", und "Wie gehe ich anders damit um?" stehen hier im Vordergrund. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen auf diese Angebote. (pg)