Smart Insurance Initiative

Generali Vitality: Durch Anreize zum gläsernen Versicherten?

27.06.2016
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Im Rahmen einer Smart-Insurance-Initiative will Generali Deutschland ab Juli Versicherte mit Rabatten zu einem gesundheitsbewussten Leben erziehen. Eine Entwicklung, die wegen der klaren Vorteile in der Branche schnell Schule machen könnte, aber nicht unproblematisch ist.
Giovanni Liverani, CEO Generali Deutschland, setzt bei Vitality auf einen frühen Start.
Giovanni Liverani, CEO Generali Deutschland, setzt bei Vitality auf einen frühen Start.
Foto: Generali

Giovanni Liverani, CEO von Generali Deutschland, sieht im demnächst startenden Vitality-Programm nicht weniger als das Ziel, die Versicherung neu zu erfinden. Bisher sei es die Aufgabe von Generali gewesen, im Schadensfall da zu sein, erklärte er. Durch Big Data & Analytics sei man nun in der Situation, schon vorher Versicherte zu unterstützen. Indem man Empfehlungen für ein besseres Leben gebet und damit späteren Schaden vermeide.

Das am 1. Juli 2016 startende Programm Generali Vitality soll Kunden mit Informationen zu einem gesundheitsbewussten Leben motivieren und ihre Fortschritte dabei zu belohnen. Dafür haben die Italiener in Europa eine exklusive Kooperation mit dem südafrikanischen Vitality-Entwickler Discovery abgeschlossen. Dieser hat das Programm in 20 Jahren mit 3,5 Millionen Nutzern getestet und vermarktet es weltweit.

Wer mit dem Rauchen aufhört, Sport treibt und gesund ernährt, wird mit dem Vitality-Programm gleich doppelt belohnt.
Wer mit dem Rauchen aufhört, Sport treibt und gesund ernährt, wird mit dem Vitality-Programm gleich doppelt belohnt.
Foto: Generali

Auf den dabei gewonnenen Erkenntnissen basiert auch die Rechnung, die Generali den Kunden aufmacht: Wer mit dem Rauchen aufhört, Sport treibt und sich gesund ernährt, lebt nicht nur länger und besser, er wird auch für seine Fortschritte und seinen Ausdauer belohnt. Der in Deutschland zweitgrößte Versicherer (hinter der Allianz) kooperiert dazu auf dem deutschen Markt mit so namhaften Partnern wie Adidas, Expedia, Fitness First, Galeria Kaufhof, Garmin, Polar und Weight Watchers. Diese gewähren auf ausgewählte Produkte und Services je nach Fitness-Stufe (Bronze, Silber, Gold und Platin) bis zu 40 Prozent Rabatt. In der nächsten Ausbaustufe soll auch eine Lebensmittelkette dazu kommen, die Rabatt auf spezielle "gesunde" Nahrungsmittel gibt. Geplant ist, dass deren Kauf gleich in die Punkterechnung miteinfließt.

Bis zu 16 Prozent Prämiennachlass

Garmin und Polar geben Teilnehmern des Vitality-Programms saftigen Rabatt auf Fitness-Tracker.
Garmin und Polar geben Teilnehmern des Vitality-Programms saftigen Rabatt auf Fitness-Tracker.
Foto: Garmin

Generali selbst bietet Versicherten die Möglichkeit, die Prämien für ihre Berufsunfähigkeits-Versicherung im Rahmen des Vitality-Programms um bis zu 16 Prozent reduzieren. Bis zu elf Prozent sind es noch im Bereich Risikoleben, vorausgesetzt, man hat den höchsten der vier Level erreicht (Platin).

Während die Teilnahme an dem Programm freiwillig ist, muss man zunächst einen Gesundheitscheck machen, bei dem auch nach Gewicht (BMI), Blutzucker oder Cholesterinspiegel gefragt wird. Außerdem müssen Fitness-Aktivitäten natürlich zB. via Fitness-Tracker dokumentiert werden, um in die Punktezählung miteinzufließen. Nachteile für den Kunden bringe das Programm nicht, beteuert Generali: Selbst wenn ein Generali-Vitality-Teilnehmer keine Aktivität innerhalb des Programms ausüben würde, zahle er über die Gesamtlaufzeit der Versicherung hinweg nie mehr als ein Kunde, der nicht am Vitality-Programm teilnimmt.

Um den Verdacht zu entkräften, dass Generali so einen tieferen Einblick in den Lebenswandel der Kunden nehmen kann, hat der Versicherer mit Generali Vitality GmbH eine rechtlich und organisatorisch eigenständige Organisation ins Leben gerufen. Diese verarbeitet die vom Kunden zur Verfügung gestellten Daten aus dem Vitality-Programm. Das Versicherungsunternehmen selbst erhält lediglich eine Information zum Status des Generali-Vitality-Vertrags sowie zum Generali-Vitality-Status des Kunden, der sich aus den gesammelten Punkten errechnet (Bronze, Silber, Gold oder Platin).

Zudem könne der Kunde selbst entscheiden, welche Daten er bereitstellt, betont Astrid Koida, Leiterin von Vitality Germany. Dabei sei etwa selbst zur Erreichung des Platin-Status kein Fitness-Tracker erforderlich. Was die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten angeht, sollen diese den Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechen. Zudem würden die Daten auf Servern gespeichert, die hohen Sicherheitsstandards entsprechen.

Ausweitung auf andere Versicherungen geplant

Generali wird Vitality (zunächst) in Verbindung mit neu abgeschlossenen Berufsunfähigkeits- (Generali) und Risikolebensversicherungen (Dialog) anbieten. Ein Angebot für andere Versicherungen und bestehende Verträge ist laut Deutschland-Chef Liverani angedacht. Ziel sei es jedoch gewesen, hierzulande als Erster eine solche smarte Versicherung auf den Markt zu kommen, weil später alle anderen nachziehen werden, so seine Erklärung. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass Generali bereits in Österreich die Einführung des Vitality-Programms für die Krankenversicherung untersagt wurde, weil es nicht erlaubt sei, individuelle Prämien zu verlangen.

Tatsächlich geht die Kritik an dem bereits im Vorjahr vorgestellten Programm in zwei Richtungen: Wegen des Vorwurfs, Kunden erhielten von Generali einen Preisnachlass dafür, sich überwachen zu lassen, hat der Versicherer bereits den Big Brother Award 2016 im Bereich Verbraucherschutz verliehen bekommen.

Schwerwiegender ist die Anschuldigung, das Programm verletze das Solidaritätsprinzip der Versicherungen, indem Ältere und Kranke benachteiligt werden. Denn zu einem solchen Programm meldeten sich primär Menschen an, die ohnehin fit sind und gesund leben und angesichts der niedrigen Zinsen im Markt die Rabatte gerne mitnähmen. Dadurch erhalte Generali tendenziell junge und gesunde Klienten mit einer guten Risikobewertung.

Letzten Punkt streitet Generali nicht generell ab, betont jedoch, dass Generali Vitality nicht nur Vorteile für den einzelnen Kunden, sondern für das ganze Kollektiv biete: Dank niedrigerer Gesundheitskosten werde die gesamte Versichertengemeinschaft davon profitieren. "Durch effektive Anreize zu gesundheitsbewusstem und damit risikovermeidendem Verhalten verstärken und erweitern wir das Solidaritätsprinzip der Versicherung", betont Generali-Deutschland-Chef Liverani.

Teil einer größeren Smart Insurance Offensive

Big Brother fährt mit: Über die Generali Mobility-App werden mittels GPS die Fahrdaten gemessen und darauf basierend ein Scorewert ermittelt. Nach diesem orientiert sich die vierteljährliche Versicherungsprämie.
Big Brother fährt mit: Über die Generali Mobility-App werden mittels GPS die Fahrdaten gemessen und darauf basierend ein Scorewert ermittelt. Nach diesem orientiert sich die vierteljährliche Versicherungsprämie.
Foto: Generali

Die Einführung von Generali Vitality ist ein weiterer Bestandteil in der Smart-Insurance-Offensive der Generali Deutschland. So können Kunden bereits mithilfe des nicht minder umstrittenen Telematik-Programms Generali Mobility KFZ-Versicherungsprämien sparen, wenn sie sicherer fahren und mit Generali Domocity ihr Heim besser schützen. "Wir schützen unsere Kunden auch präventiv und werden damit vom Versicherer im Schadenfall zum aktiven Begleiter, um Risiken zu senken", erläutert Liverani.