Generative künstliche Intelligenz (GenAI) forciert zahlreiche kritische Entscheidungen in Unternehmen. So gut wie jede Organisation steht derzeit vor der Frage, ob sie lieber selbst eine maßgeschneiderte GenAI-Plattform entwickeln oder eine fertige Lösung von einem KI-Anbieter einkaufen soll (die im Regelfall als Cloud Service bereitgestellt wird). Die Tendenz geht dabei ganz allgemein eher in Richtung Do-It-Yourself. Die Gründe dafür überraschen Sie eventuell - und führen unter Umständen sogar dazu, dass Sie Ihre GenAI-Strategie noch einmal überdenken.
GenAI - Buy vs. Build
Eine generative KI-Plattform von Grund auf neu zu entwickeln, gibt dem Anwenderunternehmen die vollständige Kontrolle über die Funktionen und Ausgestaltung. Das ermöglicht, die Technologie zielgenau auf die Anforderungen des Unternehmens anzupassen und so Workflows zu erhalten und eine maßgeschneiderte User Experience zu realisieren. Allerdings ist ein Expertenteam mit Spezial-Knowhow erforderlich, um so ein GenAI-Entwicklungsprojekt umsetzen zu können. Je nach Unternehmen kann es äußerst schwierig sein, die richtigen Personen dafür im vorhandenen Talent-Pool aufzutun. Das sind in erster Linie Data Scientists, KI-Entwickler, Plattform-Ingenieure und Cloud-Experten.
Die Talentnot ist dabei stellenweise groß. Ein befreundeter CIO schickt inzwischen Mitarbeiter zu den Abschlussfeiern guter technischer Unis, um mögliche Kandidaten direkt auf dem Schulparkplatz anzusprechen. Ein etwas beunruhigender aber auch innovativer Ansatz - der deutlich macht, dass die meisten Firmen wohl kreativ werden müssen, um die nötigen Fachkräfte für den Build-Ansatz zusammen zu bekommen. Der Wert einer selbstentwickelten GenAI-Lösung hängt im Wesentlichen davon ab, ob Sie wirklich eine maßgeschneiderte Lösung benötigen. Falls ja, setzen Sie darauf, dass die zusätzlichen Kosten sich am Ende auszahlen - auch wegen der umfassenden Kontrollmöglichkeiten.
Ein generatives KI-System einzukaufen, bietet in erster Linie den Vorteil, dass es direkt implementiert werden kann und bereits einige Funktionen liefert. Noch wichtiger: Wenn Sie einen GenAI-Service bei einem Anbieter buchen, sind dabei auch laufender Support, Aktualisierungen und Optimierungen inbegriffen. Das ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem Build-Ansatz: Wenn Sie ein System selbst bauen, sind sie in Sachen Support ebenfalls auf sich selbst gestellt. Ein weiterer Vorteil ist die Komplexitätsreduzierung.
Beim Buy-Ansatz gilt es jedoch zu bedenken, dass GenAI-Systeme sich unter Umständen schnell zu einer Kernkomponente des Unternehmens entwickeln können. Falls Sie in diesem Fall keine Kontrolle über Merkmale und Funktionen haben, riskieren Sie, Mehrwert zu verschenken. Ganz zu schweigen von den Problemen, die drohen, wenn Ihr Anbieter pleite geht.
Alle KI-Faktoren abwägen
Generative KI strategisch richtig einzusetzen, wird in den kommenden Jahren über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmens entscheiden - es steht viel auf dem Spiel. Deshalb sollten Sie bei der Entscheidung zwischen Buy- und Build-Ansatz im Zusammenhang mit GenAI alle Vor- und Nachteile gründlich abwägen. (fm)
- Michael Burkhardt, Omdena
"Bei Innovationsprojekten ist es wichtig, ein diverses Team zu haben, um mögliche Bias schon im Vorfeld zu eliminieren. Neben den Fachexperten sollten idealerweise auch Linguisten, Social Scientists und andere Disziplinen mit an Bord sein. <br /><br /> Während wir in Deutschland in ein paar Pilotprojekten unterwegs sind, haben wir in den USA über 80. Dort herrscht viel mehr der Ansatz, erstmal mit einem Projekt zu beginnen, Erfahrungen aufzubauen und auch aus Misserfolgen zu lernen. Dieses Wissen hilft uns auch dabei, das deutsche Ökosystem besser zu verstehen." - Jens Duhme, ATOS
"KI ist vieles, aber nicht intelligent. Das gilt es zu kommunizieren und immer wieder auf die Grenzen hinzuweisen. Nur so können wir ein gesundes Verständnis der Technologie in den Köpfen verankern. <br /><br /> Gefahren gibt es genug, aber dass die Maschinen uns irgendwann unterjochen, gehört nicht dazu. Es dauert auch in anderen Bereichen Jahre, bis vernünftige Use Cases entstehen. So ähnlich wird das auch bei künstlicher Intelligenz ablaufen. <br /><br /> In der Cloud liegt die Verantwortung zum Beispiel primär beim Anbieter, den ich im Zweifelsfall haftbar machen kann. Das ist für Unternehmen ein großer Vorteil. Wenn so ein rechtlicher Rahmen auch bei der KI gelingt, dann senkt das viele Hürden für Anwender und schafft die Basis für mehr Ethik und Verantwortung auf Herstellerseite." - Andreas Gödde, SAS
"Nach ChatGPT hat sich die Diskussion definitiv verändert. Unternehmen diskutieren jetzt auch intern intensiver, nach dem Motto “wir müssen jetzt was machen”. Bei unseren Kunden nehmen wir eine deutlich erhöhte Kreativität zu möglichen Einsatzszenarien wahr. <br /><br /> Klar gibt es Risiken, aber die Chancen überwiegen aus meiner Sicht. Wir haben jetzt als Gesellschaft die Aufgabe, bereits im Bildungssystem die richtigen Weichen zu stellen, um die Chancen der Digitalisierung, die sich in wichtigen Bereichen des öffentlichen Lebens und in den Unternehmen bieten, auch tatsächlich auf die Straße zu bringen. <br /><br /> In Kombination mit dem Menschen sehen wir jetzt schon sinnvolle Anwendungsbereiche in den Unternehmen. Wir bezeichnen das als „augmented AI“. Das alles ist aber noch weit weg von einer “generellen” KI, die aktuell noch weit in der Zukunft liegt und die wir vielleicht auch nie erleben werden. <br /><br /> Viele Use Cases kann ich schon heute mit KI-Werkzeugen umsetzen. Teilweise werden sie – beispielsweise im Bereich Betrugsbekämpfung – vom Regulator sogar gefordert. Es muss ja nicht gleich die Kreditvergabe mit sensiblen personenbezogenen Daten sein." - Harald Huber, USU
"Die Diskussion ist heute eine andere, weil es jetzt konkrete Vorstellungen und Assoziationen in den Köpfen gibt. Jetzt geht es darum, zu schauen, welche KPI man aktiv definieren und gestalten kann. Die Kernfrage sollte immer die nach dem individuellen Nutzen sein – und dann sieht man, dass es gar nicht so einfach ist, mit der Übersetzung in den Alltag. Beim autonomen Fahren standen wir gefühlt auch schon kurz vor dem Durchbruch, doch heute ist die Revolution auf der Straße wieder in weite Ferne gerückt." - Michael Niederée, KPMG
"Es bestehen diverse ungelöste Fragestellungen: Wer hat die Urheberrechte eines Textes? Wie gelingt eine ethisch einwandfreie Umsetzung? Welche sonstigen Risiken muss man managen? Mein Vorschlag wäre, insbesondere zu Beginn eine gute Strategie als Fundament zu entwickeln, die einem anschließend erlaubt, auf die richtigen Dinge zu fokussieren. <br /><br /> Die eigentliche Revolution findet doch jetzt im Fachbereich statt. Komplexe Tätigkeiten, die bis dato viele Ressourcen gebunden haben und komplex bis unmöglich zu lösen in der Softwareentwicklung waren, können jetzt im Fachbereich durch Prompt Engineering von „Fachentwicklern“ agil und iterativ umgesetzt werden." - Ricardo Ullbrich, SS&C Blue Prism
"Am schnellsten schaffe ich Veränderung, wenn ich den branchenspezifischen Nutzen kommuniziere. Unternehmen müssen sich aktiv Gedanken machen, welche Bereiche ihres Geschäfts sie automatisieren wollen und können. Man vergleiche nur mal einen Konzern wie Amazon mit einer Versicherung: Da liegen Welten dazwischen und entsprechend unterschiedlich sind auch die Use Cases.<br /><br /> Innovationsschübe können oft auch eine gesellschaftliche Chance sein, das hat auch die Coronakrise gezeigt. Ich würde soweit gehen und sagen, dass uns die Pandemie eine bessere Arbeitswelt gebracht hat.<br /><br /> Der Mensch will nicht ausschließlich mit Bots kommunizieren, sondern auch einen gewissen Grad an Small Talk und Abschweifung in einem Gespräch haben. Das ist ein ganz entscheidender Punkt bei der Gestaltung von Services und Prozessen. <br /><br /> Einen Prozess zu optimieren ist relativ einfach. Aber darüber hinaus die weiteren Möglichkeiten zu ergründen und die “höchste Stufe” zu erreichen, das können die wenigsten." - Christoph Windheuser, Databricks
"Das Thema KI wird sowohl die Produktebene, als auch die Erwartung auf Kundenseite verändern. Doch die daraus abgeleiteten Fragestellungen gehen weit über die Technologie und deren Anwendung hinaus. Das hat gesellschaftlich-transformativen Charakter und tangiert die Substanz der gesamten Gesellschaft, zuerst vor allem über den Arbeitsmarkt. <br /><br /> Es ist eine grundsätzliche Frage: Werden wir künftig weniger arbeiten oder wird der Output höher sein? Dabei gilt auch: Wir dürfen Erfahrungen der Vergangenheit nicht in die Zukunft projizieren. Gerade haben wir es mit einem exponenziellen Wachstum zu tun, das gab es auch in der Automatisierungswelle der 1980er Jahre nicht. Die Situation ist also völlig neu."
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.