5G vs. Wi-Fi 6

Funktechnologien im Vergleich

19.02.2021
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Mit 5G und Wi-Fi 6 bieten sich gleich zwei Technologien für die vernetzte Fabrik von morgen an. Fragt sich nur, welche dafür geeigneter ist.
Drahtlose Netze ermöglichen es Industrieunternehmen unter anderem, Roboter ohne Kabel zu steuern.
Drahtlose Netze ermöglichen es Industrieunternehmen unter anderem, Roboter ohne Kabel zu steuern.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

Trotz der Einschränkungen durch die Coronakrise nimmt das Thema 5G in der Industrie, beziehungsweise - konkreter - die Beantragung von Campus-Lizenzen für die lokale Frequenznutzung in Deutschland langsam Fahrt auf. Laut Thomas Heutmann von der Bundesnetzagentur (BNetzA) wurden bis Ende Januar bereits 107 Anträge für die lokale Nutzung des Frequenzbereichs zwischen 3,7 und 3,8 Gigahertz gestellt (und 103 bereits genehmigt). Außerdem läuft seit Anfang 2021 auch das Antragsverfahren für den 26-Ghz-Bereich (Millimeter Wave), der besonders hohe Bandbreiten - wenngleich auch nur über eine geringe Entfernung - verspricht.

5G-Campusnetze: Ist Wi-Fi 6 die bessere Option?

Antragsteller für die Nutzung von Campuslizenzen sind Heutmann zufolge große und kleine Unternehmen, wobei der Chemieriese BASF die vermutlich größte Zuteilung beantragt hat. Es würden aber auch Lizenzen für Grundstücke und Gebäude nachgefragt. Auch wenn die Betreiber von 5G-Campusnetzen den Aufbau meist langsam angehen und zunächst mit LTE Erfahrungen sammeln, ist die Umsetzung nicht trivial. Besonders im industriellen Umfeld stellt sich deshalb für viele Unternehmen die Frage, welcher Use Case tatsächlich 5G braucht, und was mit Wi-Fi 6 abgebildet werden kann.

Der Vorteil des WLAN-Standards liegt auf der Hand: Anders als beim Mobilfunk haben die meisten Unternehmen mit WLAN bereits Erfahrungen gesammelt aus und nutzen es teilweise schon in ihren Produktionsstätten. Hinzu kommt, dass Wi-Fi 6 verschiedene Funktionen bereits bietet, die bei 5G erst in künftigen Releases bereitgestellt werden, von Detailfragen wie den Kosten und der Verfügbarkeit von 5G-Modulen ganz abgesehen. Für 5G sprechen dagegen Aspekte wie die alleinige Nutzung des bereitgestellten Frequenzbereichs, die höhere Reichweite sowie der Umstand, dass es sich bei 5G um eine Carrier-Grade-Technologie handelt.

Wir haben gemeinsam mit Experten die Lösungen verglichen und geben auf Basis von Industrie-4.0-Szenarien Empfehlungen.

5G vs. Wi-Fi 6: Funktechnologien im Vergleich

Doch wie schaut es mit der Eignung der beiden Technologien für verschiedene Anwendungsfälle aus? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat der Netzausrüster Huawei in seinem 5G-Labor in Düsseldorf eine komplette Produktionskette abgebildet und untersucht, welcher Use Case 5G benötigt und was bereits mit Wi-Fi-6 abgebildet werden kann. Grundlage waren dabei die Eigenschaften, die beide Technologien (5G und Wi-Fi 6) bieten, sowie die Anforderungen der jeweiligen Anwendungsfälle in Hinblick auf Punkte wie:

  • Bandbreite

  • Latenzzeit

  • Zuverlässigkeit

  • Verlust von Datenpaketen

  • Netzabdeckung (innen, außen)

  • gleichzeitige Verbindungen

Auf Basis dieser Analyse spricht Huawei die Empfehlung aus, ob sich Wi-Fi 6 oder 5G für den jeweiligen Anwendungsfall und seine spezifischen Anforderungen besser eignen. Eine Übersicht über die verschiedenen Einsatzszenarien und die empfohlenen Technologien haben wir in der folgenden Tabelle erstellt:

Anwendungsfall

Beschreibung

Anforderungen erfüllt durch

Empfohlene Technologie

SW-Download bei der Endmontage

Drahtloser Download der Software für elektronische Steuergeräte (ECU) bei der Endmontage

5G oder Wi-Fi 6

5G

FTS-Steuerung

Drahtlose Steuerung von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) in Produktion oder Logistik

5G oder Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Robotersteuerung

Über ein drahtloses Netzwerk verbundene Roboter für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation

5G

5G

Maschinelles Sehen

Auf Bildverarbeitung basierte Qualitätsprüfungen über ein drahtloses Netzwerk

Wi-Fi 6 (nur indoor) oder 5G

5G

Vernetzte Schrauber

Über ein drahtloses Netzwerk verbundene Schrauber, um Parameter an die Werkzeuge zu übertragen

Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Positioning

Positionierung und Lokalisierung von Anlagen in der Fertigungshalle (FTS, Schrauber, ...)

Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Autonomes Fahren in der Fabrik

Bewegen und Fahren von fertigen Autos vom Montageband. Nach der Prüfung sollen sie automatisch in den Hofbereich im Freien fahren.

5G

5G

Automatischer Parkservice

Die Autos werden in Verbindung mit Infrastruktursensoren auf freie Parkplätze gelotst.

5G

5G

3D-Modelle

Um Fehlererkennung und -behebung an den Maschinen zu verbessern, bekommen die Arbeiter am Band via Hololens 3D-Modelle angezeigt.

5G oder Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Remote Expert (Augmented Reality)

Um Fehlererkennung und -behebung an den Maschinen zu verbessern, unterstützt ein aus der Ferne zugeschalteter Experte die Arbeiter am Band.

5G oder Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Mobiles Human-Machine-Interface (SPS-Systemsteuerung)

Anschluss der HMIs der Maschinen an ein Remote-Arbeitspult eines Experten, um die Fernsteuerung der Maschine zu ermöglichen

5G oder Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

AR-Tablets

Vernetzte AR-Tablets ermöglichen den Arbeitern am Band Augmented Reality in Echtzeit

5G oder Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Vernetzte Sensoren

Über ein drahtloses Netzwerk angebundene Sensoren

Wi-Fi 6

Wi-Fi 6

Vernetzte Aufzüge

Über ein drahtloses Netzwerk angebundene Aufzüge

5G

5G

Roboter-TLS-Kommunikation

Eine drahtlose Verbindung ermöglicht die Echtzeit-Kommunikation von Robotern mit TLS und sorgt für eine Auftragsoptimierung rund um Produktionszellen.

5G

5G

5G: Warten auf Release 17

5G sei generell überall einsetzbar, die Empfehlung werde jedoch aus (heutiger) Sicht auf Basis von Praktikabilität, der gegenwärtigen Wahrnehmung der Durchdringung der Sensoren mit Connectivity-Lösungen (Economy of Scale) und im gewissen Umfange mit Blick auf die erforderlichen Investitionen getroffen, so die Experten von Huawei. Dazu muss man wissen, dass der 5G-Standard derzeit sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat, sondern mit jedem Release neue Funktionen erhält. Danach vergeht wiederum eine geraume Zeit, bis die Eigenschaften tatsächlich in der Breite nutzbar sind - abhängig davon, ob ein Software-Update genügt oder neue Hardware benötigt wird.

"Mit Release 15 und 16 hat 5G vom Standard her lediglich den ersten Reifegrad für industrielle Anwendungen erreicht", konstatiert Michael Lemke, Senior Technology Principal bei Huawei Deutschland. Zwar werde mit Release 15 Computervision schon unterstützt, das für Industrieanwendungen erforderliche Feature uRLLC (Ultra-Reliable Low-Latency Communication) komme aber erst mit Release 16. "Fortgeschrittene Anwender warten daher auf Release 17 und vergleichen auch mit Wi-Fi 6", so Lemke."

Gleichzeitig warnt der Netzwerkexperte vor allzu großen Illusionen, was die Verlegung (beziehungsweise Nicht-Verlegung) von neuen Kabeln betrifft: "5G-Campus-Realisierungen sehen sich ähnlichen Herausforderungen gegenüber wie beim FTTH-Ausbau, beim Bau von Mobilfunkstandorten oder der Realisierung von Inhouse-Versorgungen."