Um Umsatz und Rendite auf Teufel komm raus zu generieren, scheint der Automobilindustrie langsam jedes Mittel recht zu sein. Berichteten wir erst kürzlich über den Irrsinn, eigentlich selbstverständliche Autofunktionen im teuren Abo zu vermarkten, so setzt Tesla jetzt noch einen drauf: Der amerikanische Autobauer macht seine Kunden zu Betatestern und lässt sich die Teilnahme am Betatest auch noch mit 15.000 Dollar bezahlen. Die Rede ist hier von der Funktion "Full Self-Driving" (FSD).
Beta für jeden
Bislang bot Tesla sein FSD-Feature, mit dem der Autobauer seinen Kunden die Möglichkeit des autonomen Fahrens vorgaukelt, nur einem eng begrenzten Kundenkreis an. Dieser musste zum Beispiel Anforderungen wie den Nachweis von mindestens 100 Autopilot-Meilen und eine Sicherheitsbewertung von mindestens 80 erfüllen, um die FSD-Funktion testen zu können. Doch nun preschte Tesla-Chef Elon Musk vor und verkündete: "Tesla Full Self-Driving Beta ist ab sofort für jeden in Nordamerika verfügbar, der es auf dem Fahrzeugdisplay anfordert, vorausgesetzt, Sie haben diese Option gekauft." Dabei fungiert FSD als Erweiterung, beziehungsweise weitere Ausbaustufe des Tesla Autopilot.
Geniales Marketing
Was immer man von Betatests auf öffentlichen Straßen halten mag - wir halten sie für Wahnsinn -, zumindest für sein Marketing muss man Tesla-Chef Musk beglückwünschen. So entpuppt sich der Tesla Autopilot bei genauerem Hinsehen als nichts anderes als ein Abstandsregeltempomat und ein Lenkassistent, der beim Fahren auf klar markierten Spuren hilft. Also Fahrerassistenzsysteme, die auch deutsche Autobauer anbieten, ohne sie hochtrabend Autopilot zu nennen.
Mogelpackung FSD
Was Tesla dann unter dem Begriff "Full Self-Driving" - hierzulande als "Volles Potenzial für autonomes Fahren" bezeichnet - vermarktet, ist dann eine wahre Meisterleistung des Marketings. Denn FSD ist nach dem Urteil der Experten von Auto Motor und Sport (AMS) nämlich "nicht mehr als ein Assistenzsystem auf Level 2". Zumal der Fahrer, wie Tesla auf seiner deutschen Website selbst einräumt, "die Hände am Lenkrad behalten und jederzeit übernehmen können muss".
Zudem, so die AMS weiter, erscheine es in der aktuellen Ausbaustufe mehr als unwahrscheinlich, mit einem Tesla den Autonomie-Level-4 zu erreichen. Tesla bewirbt sein FSD dagegen damit, dass "in Zukunft durch Software-Updates über Funk ein vollkommen autonomes Fahren möglich sein soll". Zur Erinnerung: Deutsche Autobauer wie etwa Mercedes bieten bereits Fahrzeuge mit einer offiziellen, wenn auch eingeschränkten Zulassung für autonomes Fahren nach Level 3 an.
Die FSD-Funktionen
Im Detail umfasst Teslas Full Self-Driving dann lediglich Funktionen wie Spurwechselassistent, Navigation mit Spurassistent, automatisiertes Einparken, das Herbeirufen des Fahrzeugs auf Parkplätzen sowie einen Verkehrs- und Stoppschildassistenten (Beta). Letzterer erkennt laut Tesla Stoppschilder und Ampeln und bremst das Fahrzeug bei Annäherung mit aktiver Überwachung bis zum Stillstand ab. Für die Zukunft ist zudem noch ein City-Lenkassistent angekündigt, das heißt, in der Stadt kann der Tesla derzeit noch nicht selbstständig fahren.
Zahlreiche Einschränkungen
Erschwerend kommt hinzu, dass FSD bzw. das "Volle Potenzial für autonomes Fahren" derzeit in vielen Situationen nicht genutzt werden kann. So funktioniert das System laut Tesla beispielsweise bei schlechter Sicht durch starken Regen, Schnee, Nebel etc. nicht zuverlässig. Ebenso sei helles Licht, etwa durch entgegenkommende Scheinwerfer, direkte Sonneneinstrahlung etc. ein Problem. Auch Schlamm, Eis, Schnee sowie extrem heiße oder kalte Temperaturen könnten das System beeinträchtigen.
Hierzulande verlangt Tesla 7.500 Euro für FSD bzw. "Volles Potenzial für autonomes Fahren".