Augen auf bei der IT-Automatisierung

Fünf Fehler bei der Automatisierung der IT

18.12.2012
Von 
Jens Gieseler arbeitet als freier Journalist in Tübingen.
Was die IT seit drei Jahrzehnten ihren Kunden liefert, will sie seit Kurzem auch bei den eigenen Prozessen anwenden. Drei Experten geben Tipps, wie sich die IT automatisieren lässt.
Foto: Petr Kurgan, Fotolia.com

Von der Anlage neuer User über den Netzbetrieb bis zur Integration der Unternehmenssysteme mit der Cloud - wo immer einfache Abläufe standardisiert werden können, bietet es sich an, über Automatisierung nachzudenken. Die "IT-Automatisierung", sprich: die Summe der optimierten Arbeitsprozesse, verspricht weniger Fehler und besseren Service - bei geringerem Personalaufwand und sinkenden Kosten.

Spezialisten wie Ralf Weber von der Hamburger Direkt Gruppe wundern sich immer wieder, dass die meisten Administratoren die IT-Betriebsprozesse noch immer "händisch" oder nur teilweise automatisiert erledigen. Auch die Beschreibung und Dokumentation von Prozessen und damit die Nachvollziehbarkeit für Kollegen habe oft nichts mit dem tatsächlichen Ablauf zu tun - trotz der Einführung von Best Practices, wie sie beispielsweise die IT Infrastructure Library (ITIL) liefert. Zusammen mit dem Informatikprofessor Tilo Böhmann und Sven Kniest vom Softwarehersteller NetIQ (siehe Kasten "Die Experten") warnt Weber vor fünf typischen Fehlern bei der Implementierung von IT-Automaten.

Die Experten

  • Tilo Böhmann ist Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Service-Engineering und Service-Management.

  • Sven Kniest arbeitet als Sales Director Europe beim Softwareanbieter NetIQ. Er ist gelernter Wirtschaftsinformatiker.

  • Ralf Weber leitet die Kölner Niederlassung der Hamburger Direkt Gruppe und berät Kunden rund um Themen der IT-Infrastruktur.

Fehler 1: Gleich den großen Wurf wollen

Automatisierung klingt nach einem umfassenden Versprechen. Deshalb werden häufig gleich ganze Prozessketten geplant. "Doch je komplexer das System, desto länger dauern Entwicklung und Implementierung, und desto später stellen sich mögliche Erfolge ein", sagt Böhmann.

Außerdem gilt: Je komplexer, desto höher die Fehleranfälligkeit und desto unübersichtlicher das Fehler-Handling. Das ist besonders prekär in Unternehmen, die eine solche Automatisierung erst einführen und ein Gefühl dafür entwickeln müssen.

Die Ablehnung der Mitarbeiter sei auf diese Weise programmiert, prophezeit Böhmann. Deshalb empfehle es sich, gemeinsam mit den Mitarbeitern zu überlegen, welche Routinen besonders zeitraubend sind und wo sich erfahrungsgemäß am schnellsten messbare Effekte einstellen. Entscheidend sei auch, Prozess für Prozess klar strukturiert anzugehen und abzuschließen, statt sich auf 20 Baustellen gleichzeitig zu verzetteln.

Fehler 2: Mit komplexen Aufgaben beginnen

Die großen und komplexen Aufgaben ganz am Anfang bewältigen zu wollen - das kann eigentlich nur schiefgehen: Ideale Kandidaten für die Automation sind Prozesse mit hoher Wiederholungsrate und niedriger Komplexität. Wer mit ihnen beginnt, kann der Geschäftsführung ein Gefühl für das Thema und seine positiven Effekte vermitteln. Die Organisation lernt auf diese Weise die Grundlagen der IT-Automation kennen, bevor sie komplexere und diffizilere Arbeitsabläufe angehen muss.

Zwei besonders häufige und einfache Prozesse, die schnelle und messbare Erfolge bieten, sind das Einrichten von Benutzern und das Rücksetzen von Passwörtern. Bei Freemail-Programmen wie web.de oder gmx.de ist das längst üblich: Wer sein Passwort vergessen hat, schickt eine Mail, die dann automatisch beantwortet wird. In Unternehmen läuft das oft anders: Dort ruft der Mitarbeiter den Systemadministrator an, der ein neues Passwort einrichtet. Eine zwar kurze, aber lästige Störung.

"Das größte Einsparungspotenzial liegt in häufig anfallenden und manuellen Arbeitsschritten", so der Infrastruktur-Experte Weber, "das sind Verfahren mit vielen Schnittstellen und Beteiligten, langwierige Aufgaben mit immer gleichem Ablauf bei geringerer Komplexität oder bereits standardisierten Prozessen." Allerdings gelte es, für jedes Unternehmen - entsprechend den eigenen Anforderungen und unterschiedlichen Arbeitsstrukturen - individuelle Lösungen zu entwickeln.

Fehler 3: Mangel an Standards

Ohne Prozessstandards keine Automatisierung. Nur wo Prozesse immer gleich ablaufen oder feste Entscheidungsparameter zu unterschiedlichen, aber festgelegten Lösungswegen führen, ist eine Automatisierung ohne Eingriffe durch IT-Mitarbeiter überhaupt möglich.

Dazu ein Beispiel: Ein neuer Abteilungsleiter kommt ins Unternehmen. Welche Anwendungen darf er nutzen, und welche Zugriffsrechte bekommt er? Es wird sicher einen Unterschied bedeuten, ob er den Vertrieb oder die Finanzen leitet. Wenn er innerhalb des Unternehmens wechselt, ist auch wichtig: Welche Rechte verliert er? Oft lässt sich anhand der Zugangsrechte die Unternehmenskarriere eines langjährigen Mitarbeiters ablesen, denn mit jedem Stellenwechsel bekommt er neue Rechte hinzu, aber die alten werden nicht gelöscht.

Fehler 4: Alles Machbare umsetzen

Eine vollautomatisierte IT bleibt Wunschdenken - oder Alptraum?
Eine vollautomatisierte IT bleibt Wunschdenken - oder Alptraum?
Foto: Charles Taylor, Fotolia.de

Gegenwärtig existiert für beinahe alle denkbaren Einsatzmöglichkeiten mindestens eine Automatisierungslösung - entweder für einzelne Schritte oder ganze Prozesse. Aber für umfassende Geschäftsabläufe gibt es in der Praxis keine durchgängige Lösung. Deshalb erzielt nicht jede technisch mögliche Maßnahme auch tatsächlich Wirkung.

Hier liegt eine Aufgabe für die Berater. Sie müssen möglichst alle praktikablen und sinnvollen Automatisierungsszenarien aufspüren, in standardisierten Prozessen abbilden und die Kosten gegen die Einsparungen abwägen. "Dann stellt sich die Rentabilität in der Regel nach spätestens einem Jahr ein", prognostiziert NetIQ-Manager Kniest. Aber die Unternehmen müssten sich auch von der Vorstellung verabschieden, eine Vollautomatisierung zu realisieren.

Fehler 5: Mitarbeiter außen vor lassen

Entscheidend ist, die IT-Mitarbeiter bereits in die Projektplanung einzubeziehen. So lassen sich mögliche Bedenken und Widerstände berücksichtigen. Der eine oder andere Mitarbeiter sieht nachvollziehbarerweise durch die Automatisierung Arbeitsplätze gefährdet. Dem steht jedoch der Fachkräftemangel in der IT gegenüber.

Erfahrungsgemäß werden die Mitarbeiter durch die Automatisierung von Routinearbeiten entlastet. Das sehen sie im Nach-hinein durchgängig positiv. Sie haben mehr Zeit für individuelle Aufgaben und IT-Projekte, steigern die Servicequalität und damit den Wert der IT. Doch mit der Automatisierung ändern sich auch die Arbeits- und Organisationsstrukturen. "Das Engagement der Mitarbeiter ist unerlässlich, weil fal-scher oder fehlender Input zu fehlerhafter Automatisierung führt", mahnt Weber.

Last, but not least wird die IT durch die Standardisierung auch schrittweise auskunfts- und auditierfähig. Vor allem aber kann sie den steigenden Anforderungen an die IT-Abteilungen in vielen Bereichen mit reduzierten Betriebskosten, gesteigerter Servicequalität und mehr Zeit für Zukunftsprojekte begegnen. (qua)