Wenn Unternehmen scheitern und in wirtschaftliche Schieflage geraten, hat das meist viele Gründe, zum Beispiel falsche Sachentscheidungen oder nicht wettbewerbsfähige Produkte. Hauptverantwortlich sind aber meist Führungskräfte, die nicht in der Lage sind, ihren Mitarbeitern im Dialog auf Augenhöhe zu begegnen, und am Ende sich, ihr Team und die Existenz des Unternehmens gefährden.
Doch wie können Unternehmen und Verantwortliche hier konkret entgegenwirken? Antworten liefert Mirriam Prieß in diesem Interview. Prieß berät Unternehmen im Bereich Stress und Konflikt-Management. Sie ist auf das Einzelcoaching von Führungskräften und die Begleitung von Teams während Umstrukturierungsprozessen spezialisiert.
Welches Zeugnis würden Sie deutschen Führungskräften ausstellen?
Mirriam Prieß: Es ist immer schwer, ein generelles Zeugnis auszustellen, so auch hier. Wenn Teams und Unternehmen in eine Krise geraten, fällt jedoch auf, dass dies meist an der Schwäche der Führungskräfte liegt, die sich in einem entscheidenden Punkt äußert: Fehlende Dialogfähigkeit im Management - und zwar auf allen Ebenen. Auf den ersten Blick erscheint das kaum glaubhaft, da hinter dem Scheitern meist viel komplexere Gründe vermutet werden. Auf den zweiten Blick wird jedoch sichtbar, dass sich viele Führungskräfte gar nicht darüber im Klaren sind, was Dialogfähigkeit bedeutet.
Was zeichnet Dialogfähigkeit aus?
Mirriam Prieß: Es gibt vier zentrale Punkte, die erfüllt sein müssen, um in einen Dialog treten beziehungsweise diesen halten zu können: Offenheit, Augenhöhe, Interesse und Empathie. Das heißt nicht automatisch, gleicher Meinung zu sein, wohl aber interessiert an der Meinung des anderen zu sein. Dialog ist Grundlage und Voraussetzung für ein innovatives und erfolgreiches Miteinander.
Man befindet sich erkennbar in einem Dialog, wenn man in der Lage ist, den Platz des Gesprächspartners einzunehmen, das heißt, ihn in seiner Position zu verstehen - und zwar nicht nur rational, sondern auch emotional. Wer eine Unterredung anders verlässt, als er sie begonnen hat - sei es mit einem anderen Gedanken oder neuem Gefühl - hat sich in einem Dialog befunden.
Führungskräften wird oft erst nach dieser Definition deutlich, wie sehr sie in Besprechungen stundenlang monologisieren und dass die Zahl der Meetings automatisch mit den Monologen steigt. Der Grund: Jede Entscheidung, die nicht durch einen Dialog, sondern durch eine Ansage aufgrund von "Ober sticht Unter" getroffen wurde, schwächt am Ende alle Beteiligten und lähmt Kreativität, Innovation, Schaffensfreude und Leistungswillen.