Was ist Digitalisierung? Eigentlich doch nichts anderes als die Übersetzung eines analogen Prozesses in elektronisch gesteuerte Daten? Nun könnte man meinen, die Dienstleistung oder das Produkt sei am Ende immer gleich, egal ob digital oder analog erbracht oder produziert. Aber das stimmt nicht. Digitalisierung verändert das „wie“ und damit komplette Lebensbereiche: Wie wir einkaufen, wie wir Musik hören, wie wir produzieren, wie Politik gesteuert wird – digitale Prozesse nehmen Einfluss auf gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge.
Wenn Unternehmen sich ernsthaft mit dem Thema „Digitalisierung“ beschäftigen, stellen die Akteure schnell fest, dass die Digitalisierung sich nicht im Webauftritt mit Shop oder Anfrage erschöpft. Und auch nicht Infotainment in den Sozialen Medien bedeutet. Die digitale Transformation fordert heraus: Im Vordergrund steht meist zunächst das Ziel, effizienter zu produzieren oder kundengerechter Dienstleistungen anbieten zu können. Nicht selten entwickeln Unternehmen, die Prozesse strategisch digitalisieren, auch neue Angebote. Sie verändern Kundenverhalten und häufig ganze Branchen.
Vom stationären Video-Verleih zum Serien-Streaming
Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: 1997 gründen Marc Randolph und Reed Hastings die Online-Videothek Netflix. Reed Hastings hatte sich extrem über eine hohe Strafzahlung für die verspätete Rückgabe einer „Apollo 13“-DVD geärgert. So kam er auf die Idee, einen DVD-Verleih via Flatrate über das Internet einzuführen – ein ziemliches Wagnis, da Ende der 1990er Jahre gerade einmal etwa 2 % der US-Haushalte über einen DVD-Player verfügte. Doch Hastings und Randolph hatten die Vision, dass die DVD nur die erste Transformation der Videokassette sei und es auf lange Sicht direkte digitale Übertragungswege über das Internet geben werde.
Größter Konkurrent von Netflix war Anfang der 2000er Jahre die Videotheken-Kette Blockbuster. Der ehemalige Platzhirsch setzte weiter auf sein etabliertes Geschäftsmodell und hinkte mit Innovationen dem Start-up stets hinterher. Zunächst stemmte das Unternehmen sich mit Renovierungen und Top-Ausstattungen seiner Videotheken gegen den Online-Konkurrenten, dann startete Blockbuster einen eigenen Versanddienst. Zehn Jahre später schlitterte Blockbuster in die Pleite. Netflix hingegen expandierte. 2005 bediente das Unternehmen einen Kundenstamm von circa 4,5 Millionen Abonnenten.
2007 stellte Netflix sein Geschäftsmodell erneut nutzerorientiert um: Das Unternehmen stieg in das Online-Streaming ein. 2010 nutzten circa 16 Millionen Kunden den Dienst. 2013 erfand Netflix sich zum wiederholten Male neu und produziert seitdem nun auch eigene Inhalte: Das Debüt-Format war die von Star-Regisseur David Fincher konzipierte Polit-Thriller-Serie „House of Cards“.
Digitalisierung ist ein kontinuierlicher Prozess
Das Beispiel verdeutlicht: Digitalisierung ist kein einmaliger Umwandlungsschritt, sondern ein ständiger Prozess. Und Unternehmen, die von der Digitalisierung profitieren wollen, sollten strategisch gut aufgestellt sein und alle Unternehmensbereiche im Fokus haben. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck und auch kein reines IT-Projekt“, mahnte die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Deloitte bereits 2013 in einer Studie zur Digitalisierung des Mittelstands.
Bei vielen mittelständischen Unternehmen ist diese Botschaft inzwischen angekommen. In einer aktuellen repräsentativen Studie hat das Analystenhaus „techconsult“ ermittelt, dass fast drei Viertel der mittelständischen Firmen die Digitalisierung als wichtig oder sehr wichtig für ihr Unternehmen einschätzen. „Wer seine Wettbewerbsfähigkeit weiter ausbauen will, muss die Beziehungen zu seinen Kunden, die internen Prozesse und sein Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen und mit digitalen Technologien weiterentwickeln“, heißt es dort.
Offenbar können sich weder Anbieter noch Abnehmer von Dienstleistungen oder Produkten der fortschreitenden Digitalisierung entziehen. Allein der Konsumentenalltag zeigt das deutlich: E-Commerce, mobiles Internet und Social Media bestimmen das Miteinander. Aber auch sämtliche Stufen der industriellen Wertschöpfung – von der Logistik über die Produktion bis hin zur Dienstleistung – befinden sich in der digitalen Transformation. Die durchgängige Vernetzung aller Wirtschaftsbereiche erfordert einen kontrollierten Datenaustausch, aussagekräftige Datenanalysen und -bewertungen sowie daraus abgeleitete Handlungen und Konsequenzen.