Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle IT-Freelancing-Studie, für die die COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit IT-Dienstleister Experis sowohl externen IT-Fachkräfte als auch die Einsatzunternehmen befragt hat. Eine derartige Entwicklung hatte sich schon in der Vorläuferstudie aus dem Jahr 2019 angedeutet. Aktuelles Indiz für den Trend ist der durchschnittliche Stundensatz, der es 2022 nicht über die Marke von 100 Euro geschafft hat. Wobei die Spanne zwischen Expertinnen und Experten für Support und Security wie immer enorm groß ist.
Es gibt aber auch gute Nachrichten für IT-Freelancerinnen und -freelancer: Das Beschäftigungsmodell hat sich in der deutschen Wirtschaft etabliert. So haben Freie und Selbstständige die Corona-Delle des Jahres 2020 kompensieren können, ihre Jahresauslastung nach gebuchten Tagen erreichte 2022 beinahe wieder den Wert von 2019. Was Freischaffende aus den vergangenen Jahren gelernt haben: Ein resilientes Geschäftsmodell braucht mehr als nur einen Auftraggeber.
Resilienz und Relevanz
Die Studie zeigt, dass sowohl die Anzahl der Kunden als auch die Anzahl der (parallelen) Projekte gestiegen ist - 2019 hatten 50,5 Prozent der befragten Freischaffenden nur einen Kunden, heute hat sich der Wert fast halbiert. Auch die Fundamentaldaten stimmen optimistisch. Mehr als zwei Drittel aller befragten Einsatzunternehmen erwarten, dass die Bedeutung von IT-Freelancing für ihre IT in den kommenden Jahren steigen wird.
Dabei zeigt sich außerdem, dass IT-Freiberufler vor allem für größere Unternehmen wichtig sind (gemessen sowohl nach Beschäftigtenzahl als auch nach jährlichen IT-Aufwendungen). Die besten Werte für die künftige Relevanz des Freelancings gab es übrigens von Befragten aus Fachabteilungen - das dürfte die IT-Stammbelegschaft nicht unbedingt freuen.
Binden statt buchen?
Nachdem in den vergangenen Jahren die Rekrutierung frischer "Talente" zu den heißen Eisen gehörte, hat sich inzwischen das Thema Retainment - die Bindung an ein Unternehmen - ins Bewusstsein geschoben. Es ist zu erwarten, dass sich Ähnliches auch bei Freiberuflerinnen und Freiberuflern abspielen wird. Im Sinne der Einsatzunternehmen wäre der Trend ohnehin, denn sie favorisieren seit Jahren den direkten Auftrag. Allerdings zeigt sich auch, dass die anderen Beschaffungskanäle wie Personaldienstleister oder Portale dessen ungeachtet ihre Position im Markt behaupten können.
Hinzu kommt, dass eine langfristige Bindung bestimmter Expertinnen und Experten die Vorteile der technischen, organisatorischen und finanziellen Flexibilität beschneidet. Ob ein wie auch immer ausgestaltetes Retainment im Sinne der Freien wäre, muss sich ebenfalls zeigen.
Stundensätze und Inflation
Angesichts der Stundensätze ist erkennbar, dass IT-Freelancer nach der Corona-Krise wieder Tritt gefasst haben. Kein Wunder bei der anhaltend hohen Nachfrage nach IT-Fachkräften - inzwischen ist die Zahl offener Stellen laut Bitkom auf 137.000 gestiegen (2019 waren es noch 82.000). Jedoch müssen die Folgen der Inflation einkalkuliert werden: Viele Freie konnten erst 2023 mit ihren Honorarforderungen auf die Preissteigerungen reagieren. Hier ist zu erwarten, dass der Durchschnittswert von 100 Euro pro Stunde tatsächlich geknackt wird.
Dies klingt zwar nach viel Geld - verglichen mit den Kosten für Rekrutierung, Unterhalt, Absicherung und Entertainment fester Beschäftigter relativiert sich die Zahl jedoch. Zudem sind da immer noch das Know-how, die Flexibilität sowie die Erfahrung in verschiedenen Umgebungen, mit denen viele Freie punkten können. Angesichts der hohen Nachfrage und des begrenzten Angebots ist klar: Es ist nicht die Zeit für finanzielle Kompromisse. Unternehmen, die auf die Preisbremse treten (müssen), werden es schwer haben, ihre IT-Aufgaben zu lösen.
Studiensteckbrief
Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE
Studienpartner: Experis GmbH
Grundgesamtheit: (1) IT-Projektverantwortliche und Beteiligte an strategischen IT/TK-Entscheidungsprozessen aus Geschäftsführung und Vorstand sowie in leitender Funktion aus den Fachbereichen sowie entscheidungsbefugte Führungskräfte aus Einkaufsabteilungen in Einsatzunternehmen der DACH-Region.
(2) IT-Freelancerinnen und -Freelancer, externe IT-Fachkräfte
Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels
Gesamtstichprobe: 385 qualifizierte Interviews; Stichprobe 1: Einsatzunternehmen: 251 qualifizierte Interviews; Stichprobe 2: Externe IT-Fachkräfte: 134 qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 8. bis 15. Februar 2023
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern