World Payments Report

Firmen brauchen besseres Cash-Management

15.09.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Inflation, hohe Zinsen, geopolitische Unruhen, Lieferkettenprobleme – diese und andere Faktoren sorgen dafür, dass Unternehmen bessere Systeme für ihr Cash-Management brauchen.
Viele Betriebe haben in Krisenzeiten den Eindruck, sie müssten beim Liquiditätsmanagement noch eine Schippe drauflegen.
Viele Betriebe haben in Krisenzeiten den Eindruck, sie müssten beim Liquiditätsmanagement noch eine Schippe drauflegen.
Foto: Brian A Jackson - shutterstock.com

Capgemini hat für seinen World Payments Report 2023 mehr als 355 Interviews mit Treasurern aus Unternehmen in aller Welt geführt. Zu diesem Kreis gehören beispielsweise Verantwortliche für Cash Management und Liquiditätssteuerung, Finanzierung, Asset Management und finanzielles Risiko-Management. Außerdem sind Befragungen von über 130 Topmanagern aus der Finanzbranche in die Analyse eingegangen.

Es zeigt sich, dass sich die Betriebe vor allem bessere Cash-Management-Lösungen wünschen. Im Idealfall sollten diese dank künstlicher Intelligenz (KI) geopolitische und auch Cybersecurity-Risiken selbstständig erkennen und abfangen können. Auch sollten die Lösungen Risiken, die sich aus hohen Zinsen und einer anhaltenden Inflation ergeben, so steuern können, dass der negative Einfluss auf Gewinn und Verlust so gering wie möglich bleibt.

Die befragten Corporate Treasurer stellen mehrheitlich fest, dass sie auch angesichts der Globalisierung, der anfälligeren weltweiten Lieferketten und der galoppierenden Inflation in vielen Ländern bessere Cash Management Services (CMS) bräuchten. Momentan unterhalten die Betriebe im Durchschnitt immerhin 27 Bankbeziehungen, um ihre Treasury-Anforderungen zu erfüllen.

Die Zahl bargeldloser Transaktionen wächst weltweit weiter stark. 2027 soll ein Volumen von knapp 1,3 Billionen Transaktionen erreicht werden.
Die Zahl bargeldloser Transaktionen wächst weltweit weiter stark. 2027 soll ein Volumen von knapp 1,3 Billionen Transaktionen erreicht werden.
Foto: Capgemini Research

Liquiditätsmanagement - in Wirtschaftskrisen Schlüsseldisziplin

Angesichts des wirtschaftlichen Gegenwinds in vielen Ländern werden die vorhandenen CMS-Angebote als unzureichend wahrgenommen. Mehr als 70 Prozent der Finanzspezialisten fühlen sich durch verzögerte oder mehrfach vollzogene Zahlungen eingeschränkt. Viele müssen in der Folge mit einer schlechteren Bewertung ihres Kreditrisikos zu Recht kommen. Das Cash Management funktioniert offenbar auch deshalb unzureichend, weil sich aufgrund von Altsystemen infrastrukturelle Hürden auftun - zumindest sagen das 63 Prozent der Befragten.

Auch was die Banken und Zahlungsdienstleister selbst betrifft, zeigt sich, dass "robuste, digitale Plattformen zur Optimierung ihrer Wertschöpfungsketten" wichtiger werden, sagt Nils Jung, Head of Payments bei Capgemini Invent in Deutschland. Große Hoffnungen ruhen auf Generative-AI-Lösungen. Die Institute würden künftig ganz neue Ansätze verfolgen, etwa "reifere Open-Finance- oder Robo-Treasury-Modelle für mehr Produktivität, Leistung und Rentabilität".

Bargeldlose Transaktionen nehmen stark zu

In seinem World Payments Report berichtet das Capgemini Research Institute auch von einer insgesamt starken Zunahme bargeldloser Transaktionen. Bei einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 15 Prozent soll das Volumen von derzeit 1,3 Billionen auf 2,3 Billionen im Jahr 2027 zulegen. In Europa werde das jährliche Plus mit 10,7 Prozent nicht ganz so dynamisch ausfallen.

Wie es in dem Report weiter heißt, sollen bis 2027 neue Payment-Methoden wie Sofortzahlungen, E-Geld, digitale Geldbörsen sowie Konto-zu-Konto- und QR-Code-Zahlungen etwa 30 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens ausmachen. Traditionell bargeldlose Zahlungen wie Lastschrift, Karten und Überweisungen werden der Prognose zufolge auf etwa 70 Prozent des bargeldlosen Transaktionsvolumens zurückgehen. Laut Capgemini verändern die digitale Zahlungsinfrastruktur, Open Banking und zunehmende Regulierungen massiv die Art und Weise, wie Kunden und Unternehmen für Waren und Dienstleistungen bezahlen.

Firmen verlangen von Banken ein Zahlungserlebnis wie im Supermarkt

Den Marktforschern zufolge kurbeln derzeit neue Zahlungslösungen und Brancheninitiativen das Wachstum des digitalen Zahlungsverkehrs auch in den Unternehmen an. Das verändere die Erwartungshaltungen der Finanzer: Zwei von drei Treasurern erwarten von ihren Banken für ihre Unternehmen ein Zahlungserlebnis wie im Einzelhandel.

Doch die Finanzinstitute haben schon jetzt viele Baustellen zu bewältigen: Sie müssen immer mehr regionale und internationale Vorschriften einhalten, darunter etwa ISO20022 oder SWIFT-Initiativen für den globalen Zahlungsverkehr. Das kostet viel Geld, so dass der finanzielle Spielraum für Innovationen gering ist. Führungskräfte aus dem Banken- und Zahlungsverkehr-Umfeld sagen in der Umfrage sogar, dass fast 80 Prozent ihrer traditionellen Einnahmequellen unter Druck stünden.

Banken und Kunden entwickeln CMS gemeinsam

Die Banken peilen nun Reformen an, um im B2B-Segment Fortschritte zu erzielen. Viele suchen strategische Partnerschaften mit Firmenkunden, um die Wertschöpfungsketten zu verlängern und zu verhindern, dass sich FinTechs und PayTechs mit ihren Zahlungsdienstleistungen einklinken. Jung kann sich gut vorstellen, dass Banken künftig mit ihren Firmenkunden gemeinsam eine KI-basierte Cash-Management-Lösung entwickeln.

Um hier voranzukommen, empfiehlt die Studie Banken und Zahlungsverkehrs-Dienstleistern eine dreistufige Strategie: Zunächst müsse das Back Office vereinfacht werden, um Innovation und Agilität zu ermöglichen. Im zweiten Schritt gelte es, die Effizienz der vorhandenen Plattformen im Bereich Cash Management zu verbessern. Und last, but not least müssten die Banken es schaffen, mit ihren Firmenkunden auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten - wie strategische Partner. (hv)