Deutsche gelten als Technikmuffel und Modernisierungsverweigerer. Geht es um Online-Dienste zu Geldanlagen, Kontoverwaltung oder dem Zahlungsverkehr, fürchten sich viele vor Datenmissbrauch oder Hackerangriffen. In anderen Ländern scheinen diese Sorgen deutlich weniger präsent zu sein. Dort werden Geldgeschäfte fast nur noch online abgewickelt.
Mehrere hundert Millionen Fintech-Nutzer in Asien
Allein in China nutzen heute bereits 69 Prozent der digital aktiven Bevölkerung die Dienste von Fintech-Anbietern. Sicher sind nicht alle der rund 1,38 Milliarden Chinesen "digital aktiv". Dennoch dürfte es sich dabei um mehrere Hundertmillionen Menschen handeln.
Ähnliche Zahlen gelten für das 1,3 Milliarden Einwohner zählende Indien, wo laut der Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) 52 Prozent der digital aktiven Einwohner ihre Geldgeschäfte online abwickeln.
Auf den weiteren Plätzen folgen Großbritannien mit 42 Prozent, Brasilien mit 40 Prozent und Australien mit 37 Prozent Fintech-Nutzern. Erst dann kommt Deutschland mit einem Wert von 35 Prozent. Damit sind wir hierzulande immerhin Fintech-affiner, als etwa die Einwohner der USA (33 Prozent), Südkoreas (32 Prozent) oder Japans (14 Prozent). Dass vor allem hochentwickelte Länder weiter hinten liegen, hat einen Grund.
Warum es in Schwellenländern besser läuft
Die Hauptursache für eine deutlich höhere Nutzung von Fintech-Lösungen in Schwellenländern liegt vor allem daran, dass diese Nationen technologische Sprünge vollziehen können, ohne sich von althergebrachten Verhaltensweisen lösen zu müssen. Während die Menschen hierzulande das World Wide Web noch via Festnetz mit Kabelmodem in der Telefonbuchse entdeckt haben, ist der mobile Netzzugang via Smartphone für viele Chinesen und Inder der natürliche erste Schritt ins Internet.
Erledigen viele Deutsche Online-Bankgeschäfte noch lieber am heimischen PC, begleichen Menschen in Peking oder Bangalore fast alles per App - von Flugtickets über Online-Einkäufe bis zur Restaurantrechnung.
Programme auschließlich für mobile Nutzung
In Asien entwickeln immer mehr Unternehmen ihre Programme und Dienste ausschließlich für die mobile Nutzung. So wird das Smartphone zum universalen Werkzeug. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die chinesische Messenger-App WeChat. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Pendant zum hierzulande populärsten Nachrichten-Dienst Whatsapp.
Über WeChat können Nutzer nicht nur chatten, sondern fast alles erledigen: Taxis, Lebensmittel oder Essen bestellen, Restaurant- und Stromrechnungen bezahlen, Jobs suchen, Arzttermine buchen, spielen und eigene Mobile-Stores betreiben. So sind asiatische Besucher immer wieder verblüfft über die teils schwach ausgeprägte digitale Anbindung hierzulande. Die in Deutschland vielerorts noch mangelhafte Netzabdeckung lässt bei den Gästen Zweifel aufkommen, ob sie sich tatsächlich in einem der führenden Industrieländer der Erde befinden.
Online-Plattformen übernehmen in China mehr Marktanteile
In China verfügt insbesondere der elektronische Handel und der Zahlungsverkehr über Drittanbieter über große Marktanteile. So wickelte etwa im vergangenen Jahr der hierzulande kaum bekannte Payment-Anbieter Alipay fast das dreieinhalbfache Zahlungsvolumen seines deutlich bekannteren US-amerikanischen Pendants PayPal ab.
Viele chinesische Fintechs verfügen über mehr Kunden, als führende Bankinstitute am Markt, haben Analysten der Citigroup ermittelt. Ihre Kundschaft schätzt die im Vergleich zu traditionellen Banken in der Regel schnelleren, zuverlässigeren und dabei kostengünstigeren Angebote, wie die Verfasser der Studie betonten.