"Cloud ist günstiger als das Blech im Keller". Dieses pauschale Versprechen hat sich - das muss man so deutlich sagen - nicht erfüllt. Multi-Cloud-Architekturen und hybride Szenarien bringen zwar eine Vielzahl neuer Handlungsoptionen und Services, können bei unzureichender Orchestrierung aber auch schnell zur Kostenfalle werden. Schließlich kommen alle positiven Aspekte wie Innovationsfähigkeit, Skalierbarkeit oder auch die Nachhaltigkeit nur zum Tragen, wenn die Architektur sinnvoll aufgebaut ist und die gebuchten Services auch wirklich benötigt werden.
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Aus diesem Grund hat sich als Folge der Cloudifizierung die Disziplin FinOps als Verbindung von Finance und DevOps herausgebildet, die die Kostenaspekte der Cloud offenlegen und Auswirkungen bestimmter Maßnahmen absehbar machen soll. Damit kommt - so die Idee des Konzepts - finanzielle Verantwortlichkeit in die Cloud und fundierte, datengesteuerte Entscheidungen werden möglich. Immer mit dem Ziel, den besten Kompromiss zwischen Geschwindigkeit, Kosten und Leistung zu finden.
"Die Begründung der Cloud-Hersteller war anfangs schon, dass die Cloud deutliche finanzielle Vorteile bringt", stellt auch Christopher Brune von USU im Rahmen der COMPUTERWOCHE-Roundtable-Diskussion zum Thema FinOps heraus. "Das war aber nicht wirklich die Wahrheit, wie man heute bei einer rein finanziellen Betrachtung feststellt. Im Zweifelsfall kostet alles mehr, bringt aber fairerweise auch mehr. Die Laufzeit und die Anzahl der eingesetzten Services sind dabei das entscheidende. Es gibt Woche für Woche neue Services von Google und Co., die auch überblickt werden müssen. Es tut den Providern deswegen gut, die FinOps-Initiativen auch ernst zu nehmen."
Doch ist FinOps wirklich eine eigene IT-Disziplin? Eine Methode? Ein Toolset? Eine kulturelle Praxis? Oder irgendetwas von allem? Ein Blick auf die Akteure der Debatte zeigt, dass die klassische Konfliktlinie "Technologie vs. Kultur" auch hier eine wichtige Rolle spielt. Fachbereich, IT, aber auch Geschäftsführung, Finance und HR haben allesamt ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Frage geht "Was kostet die Cloud" - oder noch besser: Was darf die Cloud kosten?
Schließlich gibt es keinen normativen Standard, der diese Frage beantwortet. Es kommt auch auf die Perspektive der jeweiligen Abteilung an und genau darin liegt die Brisanz in der Debatte.
FinOps ist kein Controllinginstrument
Für Olav Strand von Flexera ist FinOps und die spezifische Auslegung der Dreh- und Angelpunkt im Unternehmen, der über Wohl und Wehe der digitalen Transformation insgesamt entscheidet: "FinOps darf nicht zum Controllinginstrument degradiert werden, um die IT zu beschneiden. Dann sterben Innovation, Kreativität und Dynamik und das wäre das Schlimmste, was passieren könnte."
Die philosophischen Unterschiede zwischen Finance und IT sind für ihn dabei ganz normal und stellenweise auch gewünscht. Es ist nur wichtig, die jeweiligen Stärken zusammenzubringen und entsprechend einzuhegen: "Finance will sparen, IT will Neues probieren und Grenzen austesten. Und das Unternehmen muss einen Rahmen schaffen, in dem beides zusammengeht."
- Olav Strand, Flexera
„Innovation kann nur entstehen, wenn man Entscheidungen trifft. Das gilt für IT genauso wie für Finance. Und FinOps bringt beides zusammen – am besten in einem Center of Excellence.“ - Klaus Stephan, Kyndryl
„Beim Thema Nachhaltigkeit muss die IT selbstverständlich ein Teil der Lösung sein anstatt Teil des Problems. D.h. die Cloud muss zu ESG beitragen, anstatt neue Probleme zu schaffen." - Alexander Baier, Liquid Reply
„In den letzten Jahren haben wir mit FinOps immer wieder die gleiche Rückmeldung bekommen: ‘Cloud ist cool, aber zu teuer!’ Daraus haben wir gelernt, dass es definitiv eine Cultural Practice ist, die aus dem Zusammenspiel von DevOps und Financial entsteht.“ - Sascha Wolff, microfin
„FinOps bringt Möglichkeiten Impulse zu setzen und als Change Agent wahrgenommen zu werden. Dies wiederum hilft der IT ihre Rolle als Business Enabler auszuüben.“ - Christopher Brune, USU
„Im Begriff des Frameworks liegt schon einiger Interpretationsspielraum. Aber ja, FinOps setzt einen gewissen Rahmen. Aber das wirklich interessante ist die Herstellung von Interdisziplinarität, also das Zusammenbringen verschiedener Teams.“
Betriebswirtschaftlicher Paradigmenwechsel
Um die Dimension zu verstehen, in der die Cloud auch das Wirtschaften verändert, hilft ein betriebswirtschaftlicher Exkurs: IT-Ausgaben wurden lange Zeit als Investitionen behandelt, als sogenannte "Capital Expenditures" (CapEx), die über mehrere Jahre abgeschrieben wurden. Durch die Servicemodelle der Cloud werden daraus nach und nach kleinteilige Betriebsausgaben. Plötzlich ist es nicht nur die IT, die die großen Investitionen tätigt, sondern es entstehen dezentrale Beschaffungsstrukturen aus den Fachabteilungen heraus.
Diese Betriebsausgaben, also "Operational Expenditures" (OpEx), werden damit auch vom Controlling anders betrachtet, wie Klaus Stephan von Kyndryl feststellt: "Das Kostenmodell wandelt sich fundamental in Richtung OpEx, was aber generell schwerer zu messen ist. Nach fünf Minuten Gespräch geht es meistens um die Messbarkeit von Kosten und Budget. Beides war in einer CapEx-Welt leichter zu tracken als in einer OpEx-Welt - denn wenn Fachabteilungen eigene Ausgaben tätigen, dann wird es unübersichtlich."
OpEx werden zudem - anders als Investitionen - in der Regel in der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens erfasst und haben einen direkten Einfluss auf den Gewinn in einem bestimmten Geschäftsjahr. Auch daraus resultiert eine andere Betrachtungsweise durch Management und Finance. FinOps ist die logische Folge dieses Paradigmenwechsels in der Betrachtung von IT-Kosten. Dessen wichtigste Aufgabe liegt darin, die Kosten sichtbar und vor allem verständlich zu machen - also die Komplexität der Cloud zu reduzieren. Es geht also um Verständnisförderung weit über fancy Dashboards hinaus:
"FinOps ist kein Toolset, sondern ein operationales Framework oder sogar eine kulturelle Praxis", betont Kyndryl-Manager Stephan. "Wenn man das verstanden hat, dann weiß man, worin man investieren muss: In Gespräche und in Überzeugungsarbeit, diesen Kulturwandel zu fördern."
Und Sacha Wolff von microfin ergänzt: "FinOps bringt Möglichkeiten Impulse zu setzen und als Change Agent wahrgenommen zu werden. Dies wiederum hilft der IT ihre Rolle als Business Enabler auszuüben."
Studie "FinOps 2024": Sie können sich noch beteiligen! |
Zum Thema FinOps führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Verantwortlichen durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Julia Depaoli (julia.depaoli@foundryco.com, Telefon: +49 15290033824) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Transparenz schafft Argumente
Der wichtigste Hebel bei dieser Überzeugungsarbeit ist für Alex Baier von Liquid Reply vor allem Transparenz. Diese sollte so granular wie möglich sein, damit jede unmittelbare Auswirkung einer Maßnahme - oder einer Downtime - im Gesamtkontext verstanden werden kann. "Erst dann kann man anfangen, Verantwortung zu delegieren, und dann wird FinOps Früchte tragen. Über allem muss das Ziel stehen, bei gleichbleibendem Budget deutlich mehr Effizienz zu erreichen und dafür Anreize zu schaffen."
Dass Kosteneinsparungen überall möglich sind, sieht auch Strand von Flexera so und nennt konkrete Beispiele aus der OpEx-Kategorie: "Allein wenn ich es schaffe, schlechte Queries in Echtzeit zu identifizieren, dann habe ich schon viel erreicht. Bilanzen vom Vorjahr anzuschauen und zu überlegen, wo ich optimieren kann, das ist nicht mehr zeitgemäß. Ein vernünftiges FinOps-Setup mit Alerts bringt Teams in die Lage, adhoc auf aus dem Rahmen laufende Cloud-Kosten zu reagieren. Die Mehrkosten, die durch solche Ineffizienzen entstehen, sind für ein DAX-Unternehmen ärgerlich, können für ein kleines Unternehmen aber sogar existenzbedrohend sein."
Bei allen Wünschen nach maximaler Transparenz gilt aber: Cloud ist auch zu großen Teilen das Geschäft der Hyperscaler, die es gleichzeitig in der Hand haben, FinOps-Initiativen mit entsprechenden Funktionen und "Cost Management"-Tools zu stützen. Das Interesse an maximaler Transparenz ist zwischen Anbieter und Anwender daher naturgemäß unterschiedlich ausgeprägt. USU-Manager Brune ist aber zuversichtlich, dass auch der Wettbewerb zwischen den Herstellern für eine allgemeine Verbesserung sorgen kann:
"Ich bin mir nicht sicher, ob die Anbieter generell an maximaler Transparenz interessiert sind. Es gibt aber einen gewissen Netzwerkeffekt. Wenn einer der vier großen mehr als die anderen macht, dann kann das schon einiges auslösen. Ich weiß zum Beispiel gar nicht mehr, wer der erste mit einem 'Cloud Cost Board' war. Der Wettbewerb ist da und funktioniert auch."
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