Projektmarkt

Finanzsektor kommt nicht ohne IT-Freiberufler aus

09.04.2014
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Der Finanzsektor gehört zu den wichtigsten Auftraggebern für Freiberufler. Diese fordern von den Externen sowohl Technik- als auch Banken-Know-how und idealerweise Erfahrung.

„Grundsätzlich ist die Bedarfslage bei Banken und Versicherungen hoch, entsprechend groß ist die Nachfrage nach freiberuflichen IT-Experten“, erklärt Marco G. Raschia. Der Director Global Competence Center Finance des IT-Personaldienstleisters top itservices ist der Meinung, dass die vielen Umstrukturierungsmaßnahmen und vor allem die ständig zunehmenden gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen der Aufsichtsbehörden den Einsatz von Externen im Finanzsektor unabdingbar machen würden. Dabei sei der Bedarf mannigfaltiger geworden - differenzierter und komplexer denn je.

Im Finanzsektor wie hier in Frankfurt haben IT-Freelancer mit entsprechendem Know-how gute Aussichten.
Im Finanzsektor wie hier in Frankfurt haben IT-Freelancer mit entsprechendem Know-how gute Aussichten.
Foto: SeanPavonePhoto - Fotolia.com

So nehme die Komplexität gesetzlicher und regulatorischer Neuerungen ständig zu, betont der international tätige Manager: „In Deutschland unterliegen die meisten Projekte im Finanzumfeld der direkten Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin genannt.“ Die Herausforderung sei allerdings, dass Bankinstitute zunehmend global agieren würden. „Wenn nun ein Bankinstitut beispielsweise in sechs unterschiedlichen europäischen Ländern vertreten ist, untersteht es sechs unterschiedlichen regulatorischen Aufsichtsbehörden, die nicht unbedingt konform arbeiten oder gleichgerichtete Ziele verfolgen“, beschreibt Raschia die Problematik. Künftig dürfte es, dann unter einer europäischen Finanzaufsichtsbehörde, sogar noch komplexer werden.

Externe IT-Profis, die im Finanzsektor tätig sein wollen, sollten daher neben dem technischen Wissen auch über entsprechende Praxis- Erfahrung verfügen: „Am meisten können die IT-Freelancer mit Know-how aus anderen Projekten punkten.“ Wichtig sei auch die detaillierte Kenntnis des jeweiligen Fachgebiets – egal, ob Kernbanksysteme, Risikoanalyse oder Derivatehandel. IT- oder Bankspezialisten?

Die Frage, ob der Externe eher ein Banker oder ein versierter IT-Profi sein sollte, will Raschia nicht eindeutig beantworten: „Fachliche Expertise und technische Skills bedingen sich hier gegenseitig - es muss von Fall zu Fall beurteilt werden.“ Am liebsten setzen die Verantwortlichen in den Banken Freiberufler ein, die bereits bei ihnen in einem Projekt tätig waren.

Auch Absolventen haben Chancen

Neben den erfahrenen Externen haben seiner Meinung nach Hochschulabsolventen, die sehr rasch den Sprung in die Selbständigkeit wagen, eine gute Chance. Als Beispiel nennt der Topmanager Wirtschaftsinformatiker, die sich während des Studiums zielgerichtet auf SAP oder andere am Markt gängige Produktlösungen spezialisiert haben. Raschia: „Diese Spezialisierung in der Ausbildung bietet große Chancen beim Berufseinstieg und sehr gute Verdienstmöglichkeiten.“

Marco Raschia, top itservices, findet, dass IT-Freiberufler für Banken unerlässlich sind.
Marco Raschia, top itservices, findet, dass IT-Freiberufler für Banken unerlässlich sind.

Für ihn steht fest, dass flexible Arbeitsverhältnisse in der Finanzwirtschaft eine große Rolle spielen – Tendenz steigend. Schließlich geben flexible Arbeitsformen den Unternehmen die Möglichkeit, schnell und wirkungsvoll auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Raschia: “Freiberufliche IT-Experten – und das gilt nicht nur für den Finanzsektor – bieten Unternehmen ein Höchstmaß an Flexibilität.“

Ohne Soft Skills geht es nicht

Neben den fachlichen und technischen Kenntnissen sind dem Manager zufolge auch weiche Faktoren wichtig: „Der Erfolg in der Mehrzahl unserer Projekte hängt zu einem signifikanten Teil von den Soft Skills – wie Kommunikation und Teamfähigkeit - der Externen ab.“ Je exponierter ein Projekt, desto wichtiger sei der Faktor Mensch.

Wie unerlässlich IT-Freelancer für die Verantwortlichen in der Finanzwelt sind, beschreibt der Head of Post Trade Service einer internationalen Großbank folgendermaßen: „Externe Ressourcen sind ein Schlüsselfaktor für die Change-The-Bank-Aktivitäten in Zeiten von stetig neuen regulatorischen Anforderungen und der Entwicklung neuer Trends im Finanzmarkt.“ Um diesen Marktentwicklungen entsprechen zu können, sei es Aufgabe der Freelancer, ein aktives Benchmarking mit dem Wettbewerb zu unterstützen sowie Spitzen im Ressourcenbedarf auszugleichen.

Gerhard Havlik, selbständiger IT-Berater in Wien, kennt als erfahrener Bankexperte die Finanzwelt von der Pike auf: Er war selbständig, freiberuflich und als Berater fest angestellt. Projekte in Südosteuropa, in Afrika, bei der Weltbank oder der österreichischen Entwicklungsbank haben ihn rund um den Globus geführt. “Alle Tätigkeiten hatten sowohl mit Banken als auch mit IT zu tun, hin und wieder konnte ich sogar zwei oder drei meiner Skills verwenden“, erklärt Havlik.

Mit Spezialwissen punkten

Seiner Meinung nach sei es entscheidend, dass ein Freelancer spezielles Wissen anzubieten hat. Sein Tipp an Kollegen: Niemals behaupten, alles zu können, viel besser sei es zu erklären, dass man ein CRM- oder Unix-Spezialist ist. Nach seiner Erfahrung sind diejenigen gefragt, die ihre Leistung klar und deutlich definieren und anbieten können. Seine letzten Projekte hätte er nicht bekommen, wenn er sich einzig und allein als Finanzexperte präsentiert hätte.

Gerhard Havlik ist selbständiger IT-Berater in Wien.
Gerhard Havlik ist selbständiger IT-Berater in Wien.

„Erfahrungen aus ähnlichen Projekten mitzubringen, macht bei den Verantwortlichen großen Eindruck“, meint der Freelancer. Zudem sei es ein großes Plus, in unterschiedlichen Ländern gearbeitet zu haben sowie über sehr gute Englisch-Kenntnisse zu verfügen. Wenn dann noch Eloquenz und Kommunikationsfähigkeit dazu kämen, stünden die Türen offen.

Havlik räumt ein, dass die Anforderungen im Bankensektor sehr hoch sind: „Lebenslanges Lernen ist das A und O in einem Freelancer-Leben.“ Die Externen hätten schließlich ständig mit Upgrades und neuen Regularien zu tun. Das gelte sowohl für die technische als auch für die fachliche Seite. Gerade bei letzterer würden ständig neue regulatorische Anforderungen auftauchen. „Freiberufler, die sich in den letzten zehn Jahren nicht weiterqualifiziert haben, werden nicht lange überleben.“

Lebenslanges Lernen

Um am Ball zu bleiben, habe er sich Vieles im Selbststudium angeeignet, diverse Vorträge gehalten und an einer Hochschule Absolventen geprüft. „Allein das Miteinander, das Arbeiten mit anderen Leuten, hilft sozial kompetenter zu werden.“

Weiterbildung habe oberste Priorität, da die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen in der nächsten Zeit eine immer stärkere Rolle spielen würden. Havliks Meinung nach müssen die Banken unter dem Motto „Know your Customer“ mehr über ihre Kunden wissen. Dass es sich dabei um einen riesengroßen Aufwand handle, stelle für Externe neue Aufträge in puncto Prozess-Adaptierung, Applikationen und technischer Infrastruktur bereit. „Wer up-to-date bleibt, über Fachwissen und Erfahrung verfügt, wird die Nase auf jeden Fall vorn haben“, davon ist Havlik überzeugt.

Banken-Spezialistin Petra Bücheler ist seit 13 Jahren als Beraterin im Investmentbanking von Großbanken tätig. Umfangreiche IT- und Fachkenntnisse sind für sie Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Selbständigkeit. „Meine fünfjährige Tätigkeit in einer internationalen Unternehmensberatung sowie drei Jahre als Global Head einer OTC Derivateabwicklung in einer deutschen Großbank haben mir hier sehr geholfen.“

An der Schnittstelle zwischen Business und IT

Nachdem sie in den ersten fünf Jahren ihrer Selbständigkeit IT-Projekte geleitet hat, ist sie heute als Senior Project- und Interim-Manager auf der Business-Seite - als Schnittstelle zwischen IT- und Fachbereichen tätig. Bücheler beschreibt die Veränderungen ihres Tätigkeitsgebietes mit einem Rollenwechsel in der IT. So würde die Businessorientierung eine immer zentralere Rolle spielen: „Die Nähe zum Business kann helfen, Geschäftsprozesse besser zu verstehen und IT-Projekte entsprechend umzusetzen.“ „Software as a Service (SaaS)“ sei hier als wichtiger Trend zu nennen, der überwiegend von Fachabteilungen vorangetrieben wird.

Petra Bücheler ist als selbständige Beraterin im Investment-Banking von Großbanken tätig.
Petra Bücheler ist als selbständige Beraterin im Investment-Banking von Großbanken tätig.

„Ich sehe mich sozusagen als ausgelagerter Arm der IT, der die Gesamtanforderungen eines Projektes koordiniert“, erklärt sie. Der Bedarf nach einer übergreifenden Position sei immer größer geworden, da eine Vielzahl von Abteilungen und Projektanforderungen zu berücksichtigen seien. Die Freelancerin berichtet: „Auf Initiative der IT wurde ich bereits 2005 in dieser Schnittstellenfunktion eingesetzt.“ Unter anderem steuere sie das Projekt auf der Fachseite, koordiniere einen reibungslosen Projektablauf und übersetze die Anforderungen der Fachabteilungen wie Handel, Risikocontrolling der Compliance für die IT. Dazu gehören laut Bücheler regelmäßige Abstimmungsgespräche mit IT-Projektleitern und Projektbeteiligten.

Externe Projektleiter sind gefragt

Nach ihrer Erfahrung entscheiden sich Banken vielfach für einen externen Projektleiter, da interne Mitarbeiter sehr im Tagesgeschäft eingebunden seien. Des Weiteren würden sie häufig nicht das erforderliche Know-how oder die benötigte zeitliche Flexibilität aufweisen. „Der Job ist aufgrund der ständig steigenden Marktanforderungen und Regularien, wie Hochfrequenzhandel, DoddFrank oder EMIR überaus anspruchsvoll“, betont die Freelancerin. Im Rahmen ihrer Projekteinsätze ist Bücheler ausschließlich vor Ort beim Kunden, derzeit bei einer internationalen Großbank, tätig. Die Freelancerin erhält ihre Aufträge über Direktangebote der Banken sowie über ausgewählte Personaldienstleister. Für sie steht fest: „Die Anforderungen an die Institute werden weiterhin zunehmen. Für den Projekterfolg spielen neben technischen und fachlichen Kenntnissen vorrangig Soft Skills sowie die Persönlichkeit des Beraters eine immer wichtigere Rolle.“ (kf)