Mit Verve Richtung Industrie 4.0

Festo geht in die Wachstumsoffensive

11.03.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Fünf Fragen zum Thema Industrie 4.0 an den Festo-CIO Roger Kehl

Foto: Festo

Seit Anfang 2014 ist Roger Kehl CIO und Member of the Executive Committee der Festo AG.Zuvor hatte der Diplomkaufmann und promovierte Politologe Posi-tionen bei renommierten Beratungsunternehmen inne. Zuletzt war er Mitglied des deutschen Management Board von Atos IT Solutions and Services, zuvor Managing Director bei Siemens IT Solutions & Services.Erfahrungen im produzierenden Gewerbe sammelte Kehl bei unterschiedlichen Arbeitgebern, so als Global Head Automotive Industry bei Siemens (SIS).

CW: Was unterscheidet Industrie 4.0 von der computerintegrierten Fertigung (CIM)?

Roger Kehl: Industrie 4.0 ist weit mehr. Sie betrifft die interne Vernetzung des Shop Floor; vollautomatisierte Bearbeitungszentren produzieren selbständig in mehreren Arbeitsschritten halbfertige oder fertige Produkte. Im Extremfall sind sie mit mehreren Hundert IP-Adressen ausgestattet. Damit verbunden ist eine Umkehrung der Produktionssteuerung - von zentral zu dezentral. Zudem geht es bei Industrie 4.0 letztlich nicht nur um Produktivitätssteigerung, sondern um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen.

CW: Inwiefern ist Industrie 4.0 ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Industrie?

Roger Kehl: Der Trend geht zur komplexen, kundenspezifischen Produktion. Hinzu kommt: Die Märkte werden volatiler, Schwankungen in der Auftragsmenge nehmen zu. Beides erfordert eine hohe Flexibilität der industriellen Fertigung. Effizient, flexibel und termingerecht auf Kundenanforderungen reagieren zu können wird zum Erfolgsfaktor. Industrie 4.0 liefert höhere Qualität bei schnellerer Taktung und besserer Verfügbarkeit.

CW: Und welche Rolle spielt die IT-Abteilung beim Thema Industrie 4.0?

Roger Kehl: Als Enabler schlägt die IT aktiv neue Technologien für die Umsetzung vor. Die erfolgreiche Umsetzung kann sie allerdings nicht allein leisten, weil bei Industrie 4.0 nun einmal die virtuelle und die reale (Shop-Floor-)Welt aufeinandertreffen. Spätestens für die Umsetzung in der Fabrik müssen IT und Engineering partnerschaftlich kooperieren. Allerdings werden jetzt IT-Themen zum festen Bestandteil von Lastenheften beim Einkauf von Maschinen und Anlagen. Dabei tritt die IT häufig nicht nur als Umsetzer, sondern auch als Impulsgeber auf, weil die Innovationszyklen in der IT deutlich kürzer als im Maschinenbau sind.

CW: Wo verläuft die Trennlinie zwischen IT und Engineering?

Roger Kehl: Die IT steht tatsächlich oft vor der Frage: Wie weit reichen unsere Kompetenzen? Die Standardantwort darauf lautet: Wir betreuen das Produktionsnetz bis zur Ebene der Maschinenansteuerung. Was sich darunter befindet, ist Kompetenz der Maschinenbauer/Mechatroniker. Allerdings lassen sich die Ebenen nicht immer sauber trennen - zum Beispiel beim Thema Embedded Software. Auf jeden Fall ist die IT für die Infrastruktur verantwortlich, für Entwicklungsplattform, Datenbanken, Server, aber nicht unbedingt für die Software, die auf dieser Basis entwickelt wird; die gehört ins Produkt-Management. Und dann gibt es noch den Forschungs- und Entwicklungsbereich, der die Produkte intelligent macht.

CW: Wie spielt Industrie 4.0 mit dem Internet of Things und Big Data zusammen?

Roger Kehl: In der Fabrik werden IoT und Big Data künftig eine große Rolle spielen. Die zunehmende Datenmenge und die Echtzeitdatenverarbeitung eröffnen neue Möglichkeiten für Fabriksteuerung und Reaktionsfähigkeit. Es entstehen Anwendungsfälle wie Predictive Maintenance. Darüber hinaus werden unsere Kernprodukte durch Embedded Software immer intelligenter. Sie bilden die Grundlage für neue Geschäftsmodelle, beispielsweise die automatische Nachbestellung im Servicefall. (qua)