Aus für Safe Harbor gibt Hoffnung

Feierlaune bei Telekom und deutschen Cloud-Anbietern

08.10.2015
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Während bei den großen US-Internet-Konzernen Katzenjammer herrscht und Google, Amazon, Facebook und Co. nach dem EuGH-Urteil die digitale Welt nicht mehr verstehen - knallen bei deutschen Cloud-Anbietern die Sektkorken.
Zur CeBIT 2016 will die Telekom mit der eigenen Open Telekom Cloud den US-Anbietern Konkurrenz machen.
Zur CeBIT 2016 will die Telekom mit der eigenen Open Telekom Cloud den US-Anbietern Konkurrenz machen.
Foto: Deutsche Telekom AG

Während die digitale Wirtschaft jenseits des Atlantiks am Tag nach dem EuGH-Urteil eine großen Kater hat und rätselt, wie es weiter gehen soll, herrscht in Europa eher Feierlaune. Das Aus für Safe Harbor wird allgemein als Riesenchance gesehen, um mit europäischen beziehungsweise deutschen Cloud-Angeboten endlich gegenüber der übermächtigen Konkurrenz von Google, Amazon und Co. punkten zu können.

Dementsprechend begrüßt man bei der Deutschen Telekom, dass die neue Beurteilung von Safe Harbor Leben in den europäischen Markt für Cloud-Services bringt. Dabei sieht sich der Konzern, so Harald Lindlar, Vice President Corporate Communications Deutsche Telekom, "gegenüber amerikanischen Unternehmen in Europa durch die Situation gestärkt". Zudem würden erste Kundengespräche - wie schon nach den Enthüllungen von Snowden - zeigen, dass viele europäische Unternehmenskunden kritischer gegenüber der Datenspeicherung im amerikanischen Ausland eingestellt sind.

"Einen Tag nach dem Urteil des EuGH können wir einen Umsatzzuwachs für T-Systems durch die neue Situation nicht genau beziffern, aber wir rechnen fest damit, dass sich viele Kunden gerade bei neuen Aufträgen explizit für eine Lösung aus Europa entscheiden", skizziert Lindlar die Situation. Zudem arbeite das Unternehmen seit März 2015 an einer ganz neuen Public-Cloud-Lösung für Geschäftskunden (Open Telekom Cloud), die man in Deutschland betreiben werde. Der Start sei zur CeBIT 2016 geplant. Auf diese Weise könne die Telekom die Versorgung europäischer Kunden sicherstellen, die durch die Vertrauenskrise gegenüber amerikanischen Wettbewerbern nun einen neuen Anbieter suchen. Darüber hinaus werde T-Systems den Standortvorteil verstärkt im Marketing ausspielen.

Andreas Gauger, Gründer des Cloud-Anbieters ProfitBricks, sieht für Anwender jetzt die Zeit zu handeln.
Andreas Gauger, Gründer des Cloud-Anbieters ProfitBricks, sieht für Anwender jetzt die Zeit zu handeln.
Foto: ProfitBricks

Deutsche Cloud-Anbieter als Lösung sieht auch Andreas Gauger, Gründer des IaaS-Anbieters ProfitBricks GmbH. Gauger, der über langjährige Hosting-Erfahrungen verfügt - er zählte 1995 zu den Mitgründern von Schlund + Partnern - meint zum EuGH-Urteil: "Das Safe-Harbor-Abkommen ist null und nichtig. Was sollten Unternehmen jetzt tun? Handeln!

Theoretisch könnten US-Anbieter auf die Standardvertragsklauseln der EU oder Binding Corporate Rules verweisen, wenn sie Daten für deutsche Kunden verarbeiten. Das wird ihnen jedoch nicht viel bringen, denn gegen diese bestehen dieselben Bedenken wie gegen Safe Harbor. Darüber hinaus könnten sie die ausdrückliche Einwilligung aller Beteiligten zur Übertragung ihrer Daten einholen. Doch auch das wird wegen der Vielzahl der Betroffenen kaum realisierbar sein. Die momentan einzige und rechtlich wirklich sichere Lösung ist es, auf einen deutschen Cloud-Anbieter zu setzen, dessen Unternehmenszentrale und Rechenzentren sich in Deutschland befinden. Das ist der einzige Weg, den strengen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes zu entsprechen."