Nachdem Facebook seinen Algorithmus 2018 geändert hatte, erzielten republikanische Gruppen mit ihren Beiträgen eine deutlich höhere Resonanz und Reichweite auf Facebook als die politische Konkurrenz auf Seiten der Demokraten. Das haben US-amerikanische Forscher an der Miami University in Oxford und der Wright State University in Dayton, beide im US-Bundesstaat Ohio ansässig, im Rahmen einer Studie herausgefunden. Untersucht wurde das Engagement republikanischer und demokratischer Facebook-Gruppen auf Facebook und Twitter zwischen Januar 2016 und August 2021.
Demzufolge zeigten sich auf Facebook ab Ende 2018 Auffälligkeiten, die sich so auf Twitter nicht nachweisen ließen. Rund um die Beiträge der Republikaner verzeichneten die Forscher deutlich mehr Aktivitäten als bei den Posts der demokratischen Gegner, obwohl diese wesentlich häufiger Beiträge im Social Web posteten. Nachdem Facebook seinen Algorithmus verändert hatte, wurden Posts der Republikaner doppelt so häufig geteilt wie Inhalte der Demokraten, hieß es.
Angesichts dieser Muster äußern die Forscher große Bedenken hinsichtlich des Zustands der politischen Kultur in den USA. Knapp sieben von zehn Amerikanerinnen und Amerikanern gaben im Jahr 2021 an, Facebook zu nutzen - die Hälfte davon täglich. Mehr als ein Drittel bezog regelmäßig Nachrichten von Facebook. "Wenn Änderungen am Algorithmus die Reichweite politischer Parteien auf Facebook grundlegend verändern, besteht die Möglichkeit, dass Facebook versehentlich oder absichtlich die politischen Realitäten der Amerikaner beeinflusst", konstatieren die Forscher.
Vorwurf: Facebook tut zu wenig gegen Hassrede
Facebook hatte seine Veränderungen des eigenen Algorithmus' 2018 damit begründet, wieder stärker die persönlichen Verbindungen zwischen den Nutzern des Social Network, die sogenannten "Meaningful Social Interactions" (MSIs), in den Vordergrund rücken zu wollen. In der Folge wurden allerdings in der Öffentlichkeit die Stimmen immer lauter, die davor warnten, Facebook belohne negative Äußerungen und Hassrede mit mehr Publicity auf seiner Plattform. Dokumente, die die Whistleblowerin Frances Haugen im vergangenen Jahr präsentierte, legen nahe, dass Facebook zu wenig gegen negative Auswirkungen seiner Plattform unternehme - beispielsweise gegen Manipulationsversuche bei Wahlen.
Das scheinen nun die jüngsten Untersuchungen an den US-Universitäten zu bestätigen. Die Forscher bieten zwei mögliche Erklärungen für das von ihnen beobachtete Phänomen an.
Ihrer Einschätzung nach fördert Wut das Engagement der Nutzer von sozialen Medien. Politische Parteien, die sich negative Emotionen zunutze machten, könnten davon profitieren. Republikanische Parteigänger könnten möglicherweise eher Inhalte geteilt haben, die mit solch negative Mustern übereinstimmen.
Interne Facebook-Dokumente legen nahe, dass das Unternehmen regulatorische Eingriffe der Konservativen befürchtete und deshalb - bewusst oder unbewusst - konservativen Nachrichten und Seiten eine größere Reichweite einräumte. Gerade in konservativen Kreisen der USA ist das Vorurteil weit verbreitet, "linksliberale" Online-Plattformen würden Nachrichten und Inhalte zensieren. Dem hätten die Facebook-Verantwortlichen eventuell entgegenwirken wollen.
Der Meta-Konzern, zu dem Facebook gehört, wies die Vorwürfe als unplausibel zurück. Gegenüber dem US-amerikanischen News-Portal "NBC" sagte Unternehmenssprecher Dani Lever: "Die Studie passt nicht zu dem, was mit MSI tatsächlich erreicht wurde, nämlich die die Menge der öffentlichen Inhalte - etwa von politischen Parteien - auf der Plattform zu reduzieren." Lever verwies darauf, dass die Gräben zwischen den politischen Lagern in den USA schon seit Jahrzehnten immer größer würden. "Die Vorstellung, dass eine Änderung des Facebook-Rankings die Art und Weise, wie sich die Menschen mit politischen Parteien auseinandersetzen, grundlegend verändern würde, ist unplausibel."
Egal welche Version die Richtige ist - eine Tatsache dürfte wohl unbestritten sein: Der Einfluss sozialer Medien auf die politische Meinungsbildung wird immer größer. Welche Rolle dabei die politischen Parteien im Einzelnen spielten, müsse noch genauer untersucht werden, schreiben die US-Forscher. Gerade in den USA hätten lokale Gruppen der Republikaner und Demokraten enormen Einfluss, wenn es darum gehe, Werbung für Kandidaten zu machen oder Spendengelder einzutreiben. "Wenn diese Parteien in den sozialen Medien Informationen verbreiten, die Spaltung und Wut verstärken, könnte dies dazu beitragen, das Vertrauen in die Regierung, die politischen Institutionen und sogar die Demokratie selbst auszuhöhlen", warnen die Wissenschaftler.