Adobe wird die Akquisition von Figma wohl nicht wie eigentlich geplant noch im Jahr 2023 abschließen können. Seit dem 7. August dieses Jahres untersucht die Europäische Kommission den Deal. Nun haben die europäischen Kartellbehörden erhebliche Bedenken hinsichtlich der Übernahme geäußert und eine tiefergehende Prüfung angekündigt. Mitte November 2023 wurde Adobe eine Liste mit Beschwerdepunkten und Fragen zu potenziellen Wettbewerbsproblemen übergeben.
Die EU-Kommission kam auf Basis ihrer Untersuchungen zu dem vorläufigen Schluss, dass Adobes geplante Übernahme von Figma den Wettbewerb auf den globalen Märkten für die Bereitstellung interaktiver Produktdesign-Software und anderer kreativer Design-Software erheblich beeinträchtigen könnte. Konkret befürchten die Kartellwächter, der Zusammenschluss könnte dazu führen, dass Adobe sein eigenes interaktives Produktdesign-Tool, Adobe XD, nicht mehr anbietet und keine potenziellen Nachfolgeprodukte mehr entwickelt. Damit wäre der Deal eine sogenannte "Reverse Killer Acquisition".
Vorwurf: Adobes marktbeherrschende Stellung wird zementiert
Ferner würde mit dem Verschwinden von Figma die beherrschende Stellung Adobes im Markt für die Bereitstellung von Bearbeitungs-Tools für Vektorgrafiken zementiert. Figma könnte sich hier zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten entwickeln, hieß es. Tatsächlich übe der Anbieter bereits erheblichen Wettbewerbsdruck auf Adobe und sein Tool "Illustrator" aus. Ähnliches gelte für den Markt rund um Bearbeitungs-Tools für Rastergrafiken, den Adobe mit Photoshop dominiert. Auch hier wäre Figma ein ernstzunehmender Wettbewerber, urteilt die EU-Kommission.
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Adobe hatte Mitte September 2022 bekannt gegeben, das Grafiksoftware-Startup Figma für rund 20 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. In der Branche sorgte der Kaufpreis für Staunen. Nach Bekanntgabe des Deals brach Adobes Aktienkurs um 17 Prozent ein. Im kurz zuvor veröffentlichten Forbes-Cloud-100-Ranking wurde der Marktwert des 2012 gegründeten Startups aus San Francisco auf etwa zehn Milliarden Dollar beziffert.
"Gemeinsam werden Adobe und Figma die Zukunft der Kreativität und Produktivität neu gestalten, die Kreativität im Web beschleunigen, das Produktdesign vorantreiben und globale Gemeinschaften von Kreativen, Designern und Entwicklern inspirieren", erklärten vor gut einem Jahr die Adobe-Verantwortlichen ihren Deal. Geplant war, Figma als unabhängiges Unternehmen unter der Leitung von Mitbegründer und CEO Dylan Field weiterzuführen. Zudem wollte Adobe einige Funktionen seiner Produkte in die Figma-Plattform integrieren.
Entscheidung der EU-Kommission fällt erst 2024
Doch daraus wird erst einmal nichts. Zunächst hat Adobe die Möglichkeit, zu den Beschwerden der europäischen Wettbewerbsbehörde Stellung zu beziehen. Die weitere Prüfung wird einige Monate dauern. Der Zeitplan sieht vor, dass am 5. Februar 2024 eine abschließende Entscheidung fallen soll.
Man werde konstruktiv mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, um die Bedenken auszuräumen, zitiert der britische IT-Nachrichtendienst The Register aus einem Statement Adobes zu den Vorwürfen der Kartellbehörden. Die Kombination von Adobe und Figma werde den Kunden einen erheblichen Mehrwert bieten, hieß es. Die Produktlinien würden sich ergänzen. Adobe habe keine Pläne, im Bereich des Produktdesigns zu konkurrieren. Man sei daher zuversichtlich, alle Hindernisse aus dem Weg räumen zu können, die einer Akquisition im Wege stehen.