Es war eine schwere Geburt, während die USA ihren Chips and Science Actzur Förderung der heimischen Chipindustrie quasi im Handstreich verabschiedeten, brauchte die EU über ein Jahr um sich auf ein entsprechendes Gesetz zu einigen. Trotz der langen Beratungszeit ist der EU mit dem European Chips Act nicht der große Wurf gelungen.
EU-Mogelpackung
So entpuppt sich der immer wieder genannte Förderbetrag von 43 Milliarden Euro zum Aufbau einer europäischen Chipindustrie bei genauem Hinsehen nur als frommer Wunsch. Die EU selbst stellt nämlich konkret nur 3,3 Milliarden Euro an Fördermitteln bereit. Den Rest sollen quasi die Mitgliedsstaaten und private Investoren "hebeln". Zum Vergleich: Die USA machen im Zuge des CHIPS and Science Acts 52,7 Milliarden Dollar locker, wovon 39 Milliarden dediziert für die Chipindustrie bestimmt sind.
Umso größer sind dagegen die Erwartungen und Ziele, die mit dem EU Chips Act verbunden sind. So soll etwa mit Hilfe des Gesetzes der Weltmarktanteil der EU von derzeit knapp zehn Prozent bis 2030 auf 20 Prozent gesteigert werden. Zudem will Europa seine Abhängigkeit von den Chiplieferanten in Asien reduzieren.
Fatale Chip-Abhängigkeit
Gerade während der Coronakrise mit ihren gestörten Lieferketten erlebte Europa, wie fatal die Abhängigkeit von nur wenigen Lieferanten sein kann: Monatelang waren Chips weltweit Mangelware. Ein Mangel, der auch hierzulande gravierende Auswirkungen hatte.
So standen etwa bei einigen Autobauern die Bänder still oder spezielle Ausstattungsvarianten waren monatelang nicht lieferbar. Und selbst Kühlschränke, Geschirrspüler etc. wurden zur Mangelware, weil die entsprechenden Chips fehlten.
Erfahrungen, die sich künftig dank des European Chips Acts nicht mehr wiederholen sollen - so zumindest die EU. Deren Optimismus teilt jedoch in der Industrie nicht jeder.
Kritik des BDI
So kritisiert etwa Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: "Mit dem EU Chips Act gelingt der EU nicht die angestrebte Aufholjagd. Statt den Abstand zu den USA zu verringern, wird Europa als Halbleiter-Region weiter an Boden verlieren." Ferner ist sie überzeugt, dass die bereitgestellten Subventionen nicht helfen, Halbleiterkrisen vorzubeugen, wenn sie an zu einengende Verpflichtungen geknüpft werden.
Der Branchenverband Bitkombegrüßt zwar grundsätzlich die Einigung zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat, bemängelt aber, dass Europa vergleichsweise spät dran sei und weniger in die Waagschale werfe als die USA.
Bitkom fordert mehr Tempo
Letztlich fordert Bitkom-Präsident Achim Berg: "Angesichts der weiter steigenden Nachfrage müssen Europa und Deutschland deshalb schnell unabhängiger werden - und so zentrale Bereiche der Digitalwirtschaft stärken, darunter Telekommunikation, Rechenzentren, Cloud und Edge Computing sowie die klassischen Industriebranchen Automobil- oder Maschinenbau."
Doch mit der Nachfrage in der Chipbranche ist es so eine Sache: Sie unterliegt einem gewissen Schweinezyklus. So rechnet etwa TSMC, der weltweit größte Chip-Auftragsfertiger, mit einem weiteren Nachfrageschwund für das zweite Quartal. Schon im ersten Quartal setzten die Asiaten etwa ein Zehntel weniger ab als im Vorquartal.
Feiernde Ossis
Sorgen und Kritik, die in Sachsen und Sachsen-Anhalt niemanden stören. Hier ist man angesichts des Chipgesetzes gerade zu euphorisch. So schwärmt etwa Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) von einem "klaren Signal der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Regionen wie Asien und Nordamerika". Was aber nicht weiter verwundert, den Haseloff braucht die EU-Gelder, damit es mit der geplanten Chipfabrik in Magdeburg auch wirklich klappt. Und in Dresden will etwa Infineon eine neue Fabrik bauen.