Herausforderungen in der Umsetzung
Aus dem VDE-Trendreport 2015 gehen als größte Barrieren im Hinblick auf die Ausbreitung von Industrie 4.0 in Deutschland folgende Faktoren hervor:
Fragen der IT-Sicherheit
Fehlende Normen und Standards
Hohe Investitionskosten und Komplexität
Migrationsprobleme von klassischer Industrie zu Industrie 4.0 sowie unzureichende branchenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Fehlende Anwendungsfälle sowie Geschäftsmodelle
Nicht ausreichend leistungsfähige Informations- und Kommunikationsinfrastruktur
Diese Herausforderungen zu meistern und alle bestehenden Schwachstellen vollständig zu beheben ist sicherlich nicht einfach. Doch können netzwerkübergreifende Standards eine gute Grundlage dazu bieten, Vorgehensweisen zu standardisieren und den Verantwortlichen einen erprobten Handlungsleitfaden zu liefern.
- Hybrid Cloud wird zum Mainstream-Thema.
Chris Wolf, Chief Technolgy Officer (CTO) bei VMware in den USA, hat im vergangenen Jahr eine Tendenz zu Multi-Cloud-Strategien beobachtet, die sich seiner Einschätzung nach 2015 verstärken wird. „CIOs wollen die Flexibilität nutzen, die Hybrid-Cloud-Umgebungen bieten“, sagt Wolf. „Und Senior IT-Entscheider werden in Hybrid-Cloud-Architekturen investieren, um ihre Anwendungen und Services zukunftssicher zu gestalten.“ Mit dieser Einschätzung ist der VMware-Manager nicht allein. Für Marc Malizia, CTO bei RKON Technologies, einem Anbieter von Managed-Cloud-Lösungen, wird sich der Trend nicht mehr umkehren: „Die Cloud ist nun schon seit einigen Jahren ein ganz heißes Thema. Unternehmen legen Anwendungen in die Wolke, um schneller zu werden, die Kosten zu senken und einen höheren Servicelevel zu erreichen.“ Malizia erwartet, dass sich 2015 sehr viele Firmen für ein Hybrid-Cloud-Modell entscheiden und dabei externe Cloud-Services mit ihrer hausinternen Private Cloud integrieren werden. - Enterprise Mobile Apps heben ab.
Mobile CRM wird eines der Themen sein, die Enterprise-Software auf mobilen Endgeräten zum Durchbruch verhelfen. Dazu hat nicht zuletzt Salesforce.com beigetragen, das 2014 massiv in seine Mobile Apps investiert und auch seine Integrationspartner dazu gedrängt hat. Mark Seemann, CEO von Synety, einem Spezialisten für die Integration von VoIP-Telefonie in Business-Anwendungen, sieht „Mobile als das wichtigste Schlachtfeld für die großen CRM-Anbieter“. Die Funktionalität der zahlreichen Apps werde sich weiter der von klassischen Web-basierten CRM-Lösungen annähern. Michael DeFranco, Gründer und CEO von Lua, einem Anbieter von sicheren Messaging-Lösungen für Unternehmen, stimmt zu: “Die Mitarbeiter von Unternehmen halten sich immer seltener in ihren Büros und immer häufiger beim Kunden auf. Lösungen wie CRM oder BPM, die mobil einsetzbar sind, werden essenziell.“ Allerdings müsse deren Design optimal auf die Bedürfnisse und das Verhalten mobiler Nutzer abgestimmt sein. Die störungsfreie Kommunikation und Teamarbeit mit den Kollegen im Büro und unterwegs sei erfolgskritisch. - Enterprise Software wird im Abo bezogen.
Anstatt Lizenzen zu kaufen, werden Anwender im großen Stil auf Subskriptionsmodelle wechseln. Das erwartet unter anderem Engin Kirda, Mitgründer und Chief Architect des Security-Anbieters Lastline. „Die Abrechnung von Pro-User- und Pro-Jahr-Gebühren kommt auch für Enterprise-Software und ersetzt Pauschalpreise für Lizenzen und teure Software-Preloads für proprietäre Hardware.“ Nicht nur Enduser-bezogene Anwendungen würden künftig so berechnet, sondern auch Enterprise-Software und -Services – beispielsweise Lösungen für das Data Center Management oder die Einbruchserkennung und –vorbeugung. Die neuen Pricing-Modelle seien besser kalkulierbar und skalierbar. - In-Memory Computing trennt Spreu und Weizen im ERP-Markt.
„Plattformen wie SAP HANA oder Oracle In-Memory Application werden vor allem im Großkundenmarkt den Unterschied zur Konkurrenz ausmachen“, meint Glenn Johnson, Senior Vice President bei Magic Software Enterprises, einem Anbieter von Anwendungs-, Mobility- und Integrationslösungen. “In dem Maße, wie der Hype um Big-Data-Lösungen zunimmt, wird es für ERP-Unternehmen, die – anders als die ganz großen Player - keine In-Memory-Lösungen haben, schwieriger.“ - ERP-Welten öffnen sich für tiefe Integration.
„ERP wird flexibler und ermöglicht die Einbindung neuer Einkaufs-, HR- und Kundenservicelösungen“, beobachtet Michael Golz, Senior Vice President und CIO von SAP Americas. SAP habe einige strategische Übernahmen getätigt, darunter die des auf Reisekosten-Management spezialisierten Anbieters Concur. Solche Lösungen könnten ERP-Kunden helfen, den Wert ihres Systems zu erhöhen und den Rahmen auszuweiten. Damit verschwänden die Grenzen zwischen den Enterprise-Software-Systemen immer mehr, und der Wert von IT-Investitionen steige. „Historisch wurden ERP und CRM als zwei separate Systemwelten gesehen“, ergänzt Jeremy Roche, CEO von FinancialForce, einem Anbieter von ERP-Software auf der Salesforce-Plattform. Mittlerweile realisierten viele Unternehmen aber den großen Wert, der darin liege, die Trennung zwischen Front- und Back-Office-Prozessen aufzuheben und das ERP-System ähnlich wie die CRM-Welt weiter in den Vordergrund zu rücken. „Anstatt zu erlauben, dass wichtige Kundeninformationen irgendwo im Unternehmen verteilt herumliegen, gehen Unternehmen daran, CRM und ERP zu einem einzigen System of Engagement zu verschmelzen. So können sie die gesamte ‚Customer Journey‘ begleiten – von der Geschäftsanbahnung bis zur Auslieferung des Produkts und nachgelagerten Service-Prozessen.“ - Open Source gewinnt weiter an Bedeutung.
Data Warehousing und Business Intelligence waren lange die Domäne einiger weniger Anbieter von proprietärer Software. Das hat sich geändert. „In den vergangenen zehn Jahren haben sich Techniken wie Hadoop oder später auch Apache Spark als preiswerte Open-Source-Alternativen etabliert, die sowohl vom Maßstab als auch von der Raffinesse her alles mitbringen, um große Datenmengen analysieren zu können“, beobachtet Ali Ghodsi, Mitgründer von Databricks. 2015 werde diese und andere Open-Source-Software noch tiefere Spuren in der Enterprise IT hinterlassen. „Das Hadoop-Ökosystem soll bis 2020 einen Gesamtwert von 25 Milliarden Dollar erreichen“, beruft sich Ghodsi auf Marktforscher. Und Spark werde inzwischen von mehr als zehn Anbietern vermarktet, darunter Größen wie SAP, Oracle, Microsoft und Teradata. Alle großen BI-Tools wie Tableau, Qlik oder MicroStrategy würden unterstützt. - BI-Software wird visuell und einfacher zu nutzen.
„2015 werden Business-Intelligence-Lösungen so gut aussehen wie sie funktionieren - und so gut funktionieren wie sie aussehen“, sagt James Richardson, Business-Analytics-Stratege bei Qlik, einem Anbieter von BI- und Datenvisualisierungswerkzeugen. „Unternehmenskunden verlangen BI-Lösungen, die einfach zu nutzen sind – Self-Service-Lösungen. Visualisierung ist der Schlüssel dafür. Indem Daten in einfach zu erfassende Graphen und Charts aufgelöst werden, können User die Inhalte schnell und auf natürliche Art erfassen. Damit werden die Barrieren zwischen den Menschen und ihren Daten beseitigt“, so der Qlik-Manager. - Social-Web-Analyse wird selbstverständlich.
„2014 haben wir gesehen, dass die Unternehmen ernsthaft damit begonnen haben, Social Data zu analysieren“, sagt Ellie Fields, Managerin bei Tableau Software. Dieser Trend werde sich 2015 weiter verstärken. „Indem Konversationen im Social Web analysiert werden, können Unternehmen herausfinden, worüber ihre Kunden reden und wann ein Thema zu einem Trend wird.“ Social Intelligence sorge dafür, dass Firmen schneller würden und auf Kundenanforderungen, -wünsche und -beschwerden zeitnah reagieren könnten. Wer hier nicht aktiv werde, bringe sich gegenüber dem Wettbewerb ins Hintertreffen.
Typische IT-Systeme in der heutigen Produktion sind beispielsweise das ERP für die Produktionsplanung, das PLM für die Produktverwaltung und das SPS für die Produktionssteuerung. Einige Funktionen dazu liegen ausgelagert in einem Manufacturing Execution System (MES). Eine auftragsorientierte und dezentral gesteuerte Produktion wird dies radikal verändern und einen anderen Funktionsumfang aufweisen.
Die zweite Veränderung ist vielleicht sogar noch bedeutender, denn sie betrifft den Umgang mit erfassten und berechneten Informationen. Wertschöpfungsketten über Firmengrenzen hinweg sind mit der Notwendigkeit eines schnellen und abgesicherten Austauschs großer Datenmengen verbunden.
Eine wichtige Voraussetzung für die Transformation ist hier beispielsweise, dass die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen die Kenntnisse über diese zu digitalisierende Prozesse und Abläufe voraussetzt. Ein Enterprise-Architektur-Management bietet eine gute Übersicht und kann dabei exzellente Dienste leisten.
Lösung durch Modelle
Der Mittelstand steht bei der Digitalisierung diversen Herausforderungen gegenüber. Die Prozesse müssen aufgenommen und dokumentiert werden, damit sie digitalisiert werden können. Neue Geschäftsmodelle erfordern eine große Offenheit und Akzeptanz neuer Denkansätze und das Abweichen der bekannten Wege.
Industrie 4.0 Projekte sind in der Regel keine Projekte, die auf der grünen Wiese starten, sondern haben meist einen großen Anteil an Legacy-Systemen, die eingebunden werden müssen.
Gerade der Mittelstand leistet sich keine personell großzügig ausgestatteten Prozessorganisationen und ist auf Standardabläufe angewiesen. Somit wird er solche standardisierten und pragmatischen Ansätze bevorzugen.
Modelle können hierbei unterstützen, den anstehenden Paradigmenwechsel aktiv mitzugestalten. Die Herausforderung der Integration von Partnern und Lieferanten, sowie der Maschinen und Systeme kann erst mit Hilfe von Modellen systematisiert werden.
Drei große Bereiche werden über die Modelle abgedeckt und dokumentiert
Prozesse, um die Abläufe zu kennen, die man einsetzen muss. Nicht nur innerhalb der eigenen Abteilung, sondern zwischen Maschinen, Mitarbeitern, Partnern, Tools und Kunden.
Enterprise Architektur stellt die Zusammenhänge der Organisation, der Ziele, der Infrastruktur und der Prozesse dar.
Daten sind die Grundlage für den unternehmerischen Erfolg, denn die Produktionsdaten werden zu Produktdaten und Produktlebenszyklusdaten. Sie steuern die Abläufe vor, während und nach der Fertigung. Sie müssen in Echtzeit aufgenommen und verarbeitet werden.
- Warum Sie sich jetzt um Industrie 4.0 kümmern sollten
Industrie 4.0 bietet zahlreiche Chancen, um die Herstellungsprozesse nicht nur nachhaltig zu verbessern, sondern einen Quantensprung innerhalb der Produktion zu erreichen. - Individualisierung von Kundenwünschen ...
... durch Rentabilität bei der Produktion von Kleinstmengen (Losgröße 1), Berücksichtigung individueller und kurzfristiger Kundenwünsche beim Design sowie in der Planung und Produktion. - Flexibilisierung und Verkürzung ...
... der Lead Time und Time to Market. - Dynamische Geschäftsprozess-Gestaltung ...
... durch Verkürzung von Entwicklungszeiten und Ad-hoc-Vernetzung von cyber-physischen Produktionssystemen. - Schnelle, flexible Reaktion auf Veränderungen ...
... wie Ausfälle von Zulieferern oder kurzfristige Erhöhung von Liefermengen. - Durchgehende (digitale) Transparenz in Echtzeit, dadurch schnelle und flexible Entscheidungen sowie globale Optimierungen in Entwicklung und Produktion. - Optimierung der Produktion ...
... hinsichtlich Ressourcen- und Energieverbrauch sowie Emissionen. - Predictive Maintenance ...
... im Produktionsbereich (Vorhersage und Optimierung von erforderlichen Wartungsprozessen). - Innovative Geschäftsmodelle, ...
... Dienstleistungen und B2B-Services durch Themen wie Big Data und RFID-Chips, Angebote für komplette Lösungen und Rundum-Dienstleistungen. - Demografieorientierte Arbeitsgestaltung ...
... durch das Zusammenspiel zwischen Mensch und technischen Systemen. - Verbesserte Work-Life-Balance ...
... aufgrund höherer Flexibilität in der Arbeitsorganisation.
Der Mittelstand benötigt pragmatische Ansätze, die hohe Synergie bieten. Jürgen Leuschel empfiehlt den Dienstleistern daher sich auf die heterogene Toollandschaft der Unternehmen vorzubereiten und Fähigkeiten aufzubauen, um toolagnostisch beraten zu können. Dabei helfen Analyseplattformen, die unabhängig von der beim Unternehmen eingesetzten BPM- oder EA-Landschaft die Informationen einsammeln und auswerten können.
Standardisiertes Vorgehen zur Einführung von Industrie 4.0
Prinzipiell lässt sich ein typischer Umsetzungsansatz definieren, der sich schon in anderer Form seit Jahren bewährt hat, so Jürgen Leuschel von der MID GmbH.
Ein allgemeines Vorgehen beinhaltet folgende 2 Schritte:
1. Bestandsaufnahme
Zu Beginn erfolgt ein Assessment, um die Ausgangslage zu ermitteln. Relevante Ergebnisse in folgenden Bereichen sind benötigt:
Enterprise Architektur
Geschäftsprozesse und Workflows
Datenmanagement
2. Definition der einzelnen Abstraktionsebenen, die aufeinander aufbauen.
Festlegung der Strategie
Die Strategie beschreibt die Vision, wie sich das Unternehmen für den Bereich Industrie 4.0 aufstellt. Wenn es um die Strategie für Industrie 4.0 geht, ist eine Frage, ob die Intelligenz im Endprodukt für den Kunden oder in der Fertigung liegt.Definition der Ziele
Bei den Zielen sucht man nach Potenzialen, die man umsetzen möchte. Beispiele dafür sind die Wartungskostenreduktion, Energiekostenreduktion oder Kundenzufriedenheit erhöhen.Analyse des Geschäftsmodells
Mit dem Ziel der Wartungskostenreduktion kann man nun einen Business Case rechnen. Dazu sind geeignete Annahmen zu treffen.Maßnahmen
Aus den Annahmen und Zielen kann man nun Maßnahmen ableiten. Diese Maßnahmen des Industrie 4.0 Programmes können nun gegen das Stärken-/Schwächenprofil aus dem Assessment abgeglichen werden. Diese Maßnahmen werden in Cluster aufgeteilt und nach Priorität ausgewählt.
Erfolgsfaktoren
Für eine nachhaltige Umsetzung eines Industrie 4.0 Programms sind die folgenden Erfolgsfaktoren zu beachten:
Etablierung von Industrie 4.0 als Management-Aufgabe
Standardisiertes und prozessorientiertes Vorgehensmodell
Einheitliches Vorgehensmodell für eine kontinuierliche Verbesserung und zur Steigerung von Effizienz und Effektivität.
Ausprägung und Umsetzung der Architekturprinzipien.
Prozess- beziehungsweise Fachdomänen-Verantwortung an Stelle Applikations-Verantwortung.
Definition, Festlegung und fortlaufende überprüfung von Kosten- und Nutzenparametern durch KPIs.
Ersteinstieg in Teilbereichen bzw. Abteilungen auf Basis des geplanten Gesamtmodells.
Durch das Assessment hat das Unternehmen den Vorteil auf einen Prozessrahmen blicken zu können, anhand dessen schnelle Bewertungen und Umsetzungsempfehlungen erstellt werden können. Während bislang aus Erfahrungen und Bauchgefühlen entschieden wurde, kann nach der Prozess-, Daten und Architekturaufnahme das Bauchgefühl durch Zahlen begründet werden.
Fazit:
Der Mittelstand profitiert mehr als nur technologisch von der Industrie 4.0 Bewegung. Durch die Digitalisierung können auch in Produkten, Prozessen und Organisation erhebliche Effizienzsteigerungen vorgenommen werden.
Die erfolgreiche Umsetzung benötigt ein gutes Business-Process-Management (BPM), Enterprise-Architektur-Management (EAM) und Daten-Management, welches schlank und toolagnostisch sein sollte. (bw)