VMware: Der Schlüssel zur Cloud
VMwares Bedeutung für die Konzernstrategie lässt sich mit Umsatzzahlen nur unzureichend beschreiben. Die Virtualisierungsprodukte der Softwareschmiede gehören zu den Kronjuwelen im EMC-Portfolio. Sie bilden die Basis für viele Cloud-Angebote, mit denen das Management künftig wachsen will. Das große Ziel in diesem Kontext ist das "Software-defined Data Center", wie EMCs Deutschland-Chefin Sabine Bendiek im Interview mit der Computerwoche erläuterte. Dahinter verbirgt sich eine vollständig virtualisierte Infrastruktur, die etwa im Rahmen von Cloud-Szenarien nur noch als Service geliefert wird. Das Herzstück bildet die neue "vCloud Suite", die auf der VMworld 2012 vorgestellt wurde. Zentraler Bestandteil der Suite ist das neue Release 5.1. des Kernprodukts vSphere.
Aber auch jenseits der klassischen Hypervisor-Produkte für die x86-Virtualisierung baut VMware sein Portfolio immer weiter aus. Weil sich der Wettbewerb im Virtualisierungsmarkt allmählich auf Management-Werkzeuge verlagert, hat das Unternehmen seine Produktpalette durch eigene und zugekaufte Tools wie etwa die von DynamicOps in den vergangenen Jahren stark vergrößert. Das Angebot reicht inzwischen weit über die Administration virtualisierter Ressourcen hinaus und bewegt sich in Richtung eines umfassenden System-Managements, das auch Produkte und Services anderer Hersteller einschließt. Damit konkurriert VMware zunehmend mit den ganz großen Playern in diesem Marktsegment: BMC, CA, Hewlett-Packard und IBM. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Software-defined Data Center ist die Übernahme des kalifornischen Netzspezialisten Nicira für 1,26 Milliarden Dollar, die VMware im August ankündigte. Die EMC-Tochter will damit neben der Server- und Storage-Virtualisierung künftig auch das Thema virtuelle Netze abdecken.
Zukunftsmarkt Hybrid Cloud
Mit dem verbreiterten Portfolio sieht sich EMC gut positioniert für die Hybrid Cloud, die der Konzern spätestens seit der Kundenkonferenz EMC World im Mai in den Mittelpunkt stellt. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier aber noch auseinander. Zwar glauben die EMC-Strategen fest daran, dass die "gemischte Wolke", also eine Kombination aus Public- und Private-Cloud-Komponenten, schon in wenigen Jahren normaler Bestandteil der Unternehmens-IT sein wird. Einschlägige Studien von Gartner oder IDC scheinen dies zu belegen. Doch in der Praxis spielen solche Szenarien bislang kaum eine Rolle.
Im CW-Gespräch berichtete Deutschland-Chefin Bendiek, alle Enterprise-Kunden EMCs hätten bereits mit Private-Cloud-Projekten begonnen. Zugleich aber räumte sie ein, dass produktive Hybrid-Cloud-Implementierungen zumindest in Deutschland noch die Ausnahme seien.
Der Storage-Experte und Analyst Norbert Deuschle bewertet die Hybrid-Cloud-Pläne vorsichtig: "EMC war immer gut darin, einen neuen Trend zu pushen und sich entsprechend zu positionieren." Hierzulande jedenfalls sei die Hybrid Cloud derzeit vor allem ein Thema für Service- Provider. "Und da stellt sich die Frage, wie viele Service- Provider EMC in Deutschland als Kunden hat." Unterm Strich, so Deuschle, sei EMC mit seinen Storage- und Virtualisierungsprodukten sicher gut aufgestellt im Cloud-Markt, aber: "Das ist zum Beispiel IBM auch."
Big Data - die große Nische?
Zurückhaltend beurteilt er auch das Engagement im Big-Data-Markt, das EMC seit der Übernahme von Greenplum im Jahr 2010 offensiv bewirbt: "Big Data ist zumindest in Deutschland noch ein Nischenmarkt." Gleichwohl verfolge EMC hier eine valide Strategie und habe auch dieses Thema erfolgreich kommuniziert. Mit Greenplum erwarb der Storage-Konzern im Wesentlichen zwei Komponenten für Big-Data-Implementierungen: ein Data Warehouse auf Basis der Open-Source-Datenbank PostgreSQL und eine Plattform für die Datenanalyse (Chorus). Seit dem Zukauf erweiterte EMC sein Portfolio auch in diesem Marktsegment schrittweise. So offeriert der Konzern heute beispielsweise auch eine Big Data Appliance ("EMC Greenplum Data Computing Appliance") und kombiniert Greenplum-Produkte mit den geclusterten Isilon-Scale-out-NAS-Systemen.
Dennoch will sich EMC, ähnlich wie im Cloud-Geschäft, nicht mit der Rolle als Infrastrukturlieferant begnügen, wie Bendiek erläutert. Um Kunden zu helfen, die mit Big-Data-Projekten einhergehenden Veränderungen zu bewältigen, bilde man etwa Data Scientists aus. Sie sollen Unternehmen unter anderem dabei unterstützen, die richtigen Fragen zu formulieren, um einen Nutzen aus den wachsenden Datenbergen zu ziehen.
IDC-Mann Spies sieht EMC im Big-Data-Geschäft gut positioniert: "Daten haben in den Unternehmen den längsten Bestand. Und EMC sitzt hier an der Quelle." In vielen Kundenorganisationen halte der Hersteller eine Schlüsselposition, die es ermögliche, auch Produkte jenseits des klassischen Storage-Angebots zu verkaufen. "Für Kunden könnte es naheliegen, ihre Daten auch mit EMC-Produkten auszuwerten und dar-aus einen Mehrwert zu schöpfen", so Spies. Erste Erfolge sind sichtbar. Im Geschäftsjahr 2011 gelang es der Greenplum-Division, den Umsatz zu verdoppeln.
EMCs Herausforderungen
Alles in allem scheint EMC mit seinem breiten Portfolio gut aufgestellt zu sein, auch wenn beispielsweise Gartner in einigen Bereichen noch Raum für Verbesserungen sieht. So vergeben die Analysten in fünf Feldern nur die durchschnittliche Bewertung "Promising". Dazu gehören Storage- Resource-Management (SRM), Storage-Virtualisierung, Netzwerk-Management, Information-Management und RSA Information Security. Dennoch biete EMC insgesamt "wenig Angriffsfläche" und habe bisher kaum Fehler gemacht, urteilt Spies. Zu den schwierigeren Aufgaben des Managements gehöre allerdings, das schnelle Wachstum zu managen und die damit einhergehenden organisatorischen Veränderungen zu bewältigen.
Eine Herausforderung für das Führungsteam um Joseph Tucci bleibt die Integration der zahlreichen unterschiedlichen Produkte und Techniken aus den Zukäufen. Diese Mammutaufgabe geht das Unternehmen offenbar sehr pragmatisch an. Im Gespräch mit der Computerwoche ließ Deutschland-Managerin Bendiek durchblicken, dass Integration für EMC kein Wert an sich ist, sondern nur dort mit Nachdruck verfolgt wird, wo es aus Vermarktungssicht sinnvoll ist. So habe man beispielsweise rund 60 "Integrationspunkte" zwischen EMCs Hardwaresystemen und VMwares Virtualisierungsprodukten entwickelt und sich damit Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten verschafft.
Dazu passt die Meinung des Storage-Experten Deuschle: "Time-to-Market ist für EMC wichtiger als Integration." Dem Management gehe es darum, mit zugekauften Produkten schnell Umsatz zu machen und Marktanteile zu gewinnen. Dieses Vorgehen habe CEO Tucci geprägt. Unter dessen Vorgänger Mike Ruettgers, der bis 2001 als Konzernchef agierte, sei die Strategie noch eine andere gewesen.
Deuschle kommt denn auch zu einer Charakterisierung, die wenig mit der Ingenieurs-mentalität aus den alten Storage-Tagen zu tun hat: "EMC ist heute nicht nur Technologie-Lieferant, sondern auch eine effiziente Marketing-Maschine."