Twitter-Übernahme vollzogen

Elon Musk wird "Chief Twit"

28.10.2022
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Ende mit Schrecken oder weiterhin Schrecken ohne Ende? Sechs Monate nach dem ursprünglichen Kaufangebot übernimmt Elon Musk Twitter - und macht gleich Klar Schiff im Management.
Machtwechsel bei Twitter in San Francisco: Elon Musk übernimmt den Chefsessel und räumt in der Führungsriege auf.
Machtwechsel bei Twitter in San Francisco: Elon Musk übernimmt den Chefsessel und räumt in der Führungsriege auf.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

Einen Tag vor Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist hat Elon Musk am Donnerstag die 44 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Twitter vollzogen. Nachdem er bereits am Vortag mit einem Waschbecken in der Hand in die Twitter-Zentrale in San Francisco einmarschiert war, feuerte er Berichten zufolge als erste Amtshandlung Twitter-CEO Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal, Chefsyndikus Sean Edgett sowie die bei Twitter als General Counsel und Head of Legal, Policy, and Trust tätige Vijaya Gadde und ließ sie von Sicherheitskräften zum Ausgang geleiten.

Besonders kritisch ist die Kündigung von Gadde. Die für den Umgang mit Hassreden und Falschinformationen bei Twitter zuständige Topmanagerin hatte Musks Übernahmepläne im Frühjahr 2022 heftig kritisiert. Außerdem war sie für die permanente Verbannung von Donald Trump von der Social-Media-Plattform verantwortlich.

"Wichtig für den Fortbestand der Zivilisation"

Umgänglicher zeigte sich Musk gegenüber den Anzeigenkunden von Twitter. In einem - natürlich auf Twitter geposteten - Brief erklärte der Tesla-Chef, der Grund für die Übernahme sei nicht, damit noch mehr Geld zu verdienen. Vielmehr sei es "wichtig für den Fortbestand der Zivilisation, einen gemeinsamen digitalen Treffpunkt zu haben, auf dem eine breite Palette von Überzeugungen auf gesunde Weise diskutiert werden kann."

Aktuell sehe er die große Gefahr, dass sich die sozialen Medien in extrem rechte und linke Echokammern aufteilen, die mehr Hass erzeugen und die Gesellschaft spalten, so Musk. Den traditionellen Medien wirft der Tesla-Chef vor, diese Polarisierung der Extreme anzufachen, weil sie glauben, dadurch mehr Geld und Klicks zu erlangen. Auf diese Weise gehe aber die Möglichkeit für einen Dialog verloren.

Trotz alledem dürfe Twitter nicht zu einer "für alle Nutzer freien Höllenlandschaft werden, in der alles ohne Konsequenzen gesagt werden kann", fügte Musk hinzu. Zusätzlich zur Einhaltung der Gesetze müsse die Plattform "warmherzig und einladend" für alle sein und den Nutzern die Möglichkeit bieten, "die gewünschte Erfahrung nach ihren Vorlieben zu wählen" - ähnlich wie man zum Beispiel wählen kann, Filme zu sehen oder Videospiele zu spielen, die für alle Altersgruppen geeignet sind.

Inwieweit es möglich ist, Twitter zu einem warmherzigen und einladenden Ort zu machen, wenn Donald Trump und andere Störenfriede - Musk eingeschlossen - ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, wird sich zeigen. Etliche Nutzer haben bereits angekündigt, als Reaktion auf die Übernahme Twitter zu verlassen und/oder auf die Plattform Mastodon zu wechseln.

EU-Kommissar Thierry Breton wiederum reagierte auf Musks Tweet, dass der Vogel jetzt frei sei, mit der Anmerkung, "dass Twitter in Europa nach unseren Regeln fliegen muss".

Was lange währt, wird endlich gut?

Musk hatte Ende April mit dem Twitter-Board vereinbart, die Company für 54,20 Dollar pro Aktie oder insgesamt 44 Milliarden Dollar in bar zu übernehmen. Rund zweieinhalb Monate später machte der Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk allerdings einen Rückzieher und trat von dem Deal zurück. Als Grund nannte der als exzentrisch bekannte Milliardär in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC die von Twitter zu niedrig angesetzte Zahl der sogenannten Spam-Bots. Gleichzeitig beschuldigte er das Unternehmen, ihm nicht genügend Informationen zu diesem Thema gegeben und sich selbst falsch dargestellt zu haben.

Musks Rücktritt von dem Deal hatte zur Folge, dass Twitter Mitte Juli eine Klage wegen Vertragsbruch vor dem Delaware Chancery Court einreichte. In der Klageschrift versuchte Twitter nicht nur, Musks Argumente zu entkräften, die Company bezeichnet die nun eingeschlagene Exit-Strategie des Tesla- und SpaceX-Chefs zudem als heuchlerisch und arglistig.

Zwei Wochen vor Prozessbeginn gab es dann erneut eine Wendung, als Musk plötzlich anbot, Twitter zu den ursprünglichen Konditionen zu übernehmen. Einzige Voraussetzung: Twitter sollte seine Klage gegen Musk unverzüglich aussetzen und die für den 17. Oktober angesetzte Verhandlung und alle anderen, damit zusammenhängenden Verfahren bis auf weiteres auf Eis legen.