Grosskraftwerk Mannheim

Eine Million Zeichnungen – doch was steckt drin?

08.06.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Grosskraftwerk Mannheim AG saß auf über einer Million technischer Zeichnungen, ohne jedoch viel damit anfangen zu können. Obwohl digitalisiert, fehlten die Metadaten. Die soll bald eine KI der CAIRO AG automatisiert ergänzen.

100 Jahre Kraftwerksgeschichte - über eine Million technische Zeichnungen. Die Informationen, die in diesen Unterlagen stecken, zu heben und verwertbar zu machen, das war die Herausforderung. Zwar wurden die technischen Zeichnungen von der Grosskraftwerk Mannheim AG bereits digitalisiert, jedoch enthielten diese Scans keinerlei Metadaten. Die Folge: Die Unterlagen konnten nicht nach bestimmten Informationen gesucht beziehungsweise durchsucht werden. Es handelte sich schlichtweg gesagt 'nur' um Bilder. Würde eine Fachkraft pro Stunde zehn Zeichnungen taggen können, bräuchte sie bei einem Arbeitstag von acht Stunden und 220 Arbeitstagen pro Jahr fast 57 Jahre für eine Million Zeichnungen.

Die Betreiber des Grosskraftwerk Mannheim können auf eine rund 100-jährige Firmenhistorie zurückblicken.
Die Betreiber des Grosskraftwerk Mannheim können auf eine rund 100-jährige Firmenhistorie zurückblicken.
Foto: GKM

Keine Option für den Kraftwerksbetreiber. Das Unternehmen beauftragte die CAIRO AG, eine Lösung zu finden. Mit dem Projekt betraten alle Beteiligten Neuland. Schnell wurde klar, dass man mit "Cognitive Services" von der Stange nicht weiterkam. Das Team musste selbst eine KI für das Finden der passenden Metadaten entwickeln. Das warf jedoch die Projektpläne gleich zu Anfang über den Haufen. War man ursprünglich davon ausgegangen, das Vorhaben innerhalb weniger Monate abschließen zu können, standen alle Beteiligten plötzlich vor einer ungewissen Zukunft. Davon ließ sich jedoch keiner abschrecken. "Nun haben wir uns darauf eingelassen, jetzt ziehen wir es auch durch", lautete die Devise.

Der Kraftwerksbetreiber stellte dem Team von CAIRO Zeichnungsdokumente zur Verfügung, die bereits mit Metadaten versehen waren. Anhand dieser Daten soll eine KI entwickelt und trainiert werden, die künftig im Stande sein soll, Dokumente automatisiert mit Metadaten zu befüllen. Die Klassifizierung der Zeichnungen sowie die Erkennung und Einordnung von Texten auf den Bildern sind bereits abgeschlossen. Aktuell geht es darum, zu erkennen, welche Objekte sich auf den Plänen befinden. Ist das erledigt, folgt die Programmierung der Software.

Für die Verantwortlichen der CAIRO AG stellt das Vorhaben kein gewöhnliches IT-Projekt dar. Vieles war neu. Beispielsweise stellte die Grosskraftwerk Mannheim AG bereitwillig Daten zur Verfügung. Nur damit sei es überhaupt möglich gewesen, das Projekt zu beginnen, heißt es. "Es ist nicht nur ein Digitalisierungsprojekt, sondern auch ein Projekt mit digitaler Währung", sagt Andreas Hoinisch, Solution Sales Expert von CAIRO.

Auch die Vorgehensweise war neu: Teamstrukturen wurden aufgebrochen, Büros zu Open Work Spaces umgebaut. "Wir leben die 'open company', das heißt nahezu alle Firmenangelegenheiten sind offen für die Mitarbeiter einzusehen", so der Manager. Gleichzeitig habe man allerdings großen Wert auf den Datenschutz gelegt, beteuern die Projektverantwortlichen. Nur ausgewählte Personen seien in der Lage gewesen, die ganzen Daten des Kraftwerksbetreibers einzusehen.

"Wir leben die open company", sagt Andreas Hoinisch, Account Manager der CAIRO AG.
"Wir leben die open company", sagt Andreas Hoinisch, Account Manager der CAIRO AG.
Foto: CAIRO AG

In dieser innovativen Herangehensweise liegen den CAIRO-Verantwortlichen zufolge auch die Vorteile. "Das Projekt lässt sich viel mehr als Lernprojekt verstehen, welches unser Unternehmen bereit macht für die künftigen Herausforderungen der IT-Zukunft", heißt es. "Wir werden gezwungen, uns mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, und sammeln Unmengen an Knowhow." Bereits in der Entwicklungsphase habe sich gezeigt, dass das bisher gesammelte Wissen schon andere Projekte unterstützt. Der Benefit sei nicht mit Geld zu bemessen. "Die neuen Erkenntnisse, die neuen Arbeitsweisen und die dadurch entstandene Mentalität haben uns zukunftsfähig gemacht, lautet das Fazit von Dennis Maier, Software Engineer AI and Datascience von CAIRO. Dieses Projekt reichten die CAIRO AG und das Grosskraftwerk Mannheim gemeinsam zum DIGITAL LEADER AWARD 2019 ein – und gewannen den Preis in der Kategorie PROJECT.

Lesson Learned

"Es funktioniert nicht, ein paar Services von Microsoft und Co. zusammen zu klicken, eine Schleife drum herum zu machen und es dann für viel Geld zu verkaufen. Die Entwicklung spezifischer KI-Services erfordert Aufwand und braucht viel Knowhow."