Warum geht das eigentlich nicht? Auf einem Reiseportal wie Expedia kann jedes Schulkind einen Urlaub buchen. Jeder Rentner beobachtet bei DHL, welchen Weg sein Päckchen nimmt. Nur bei den großen Containern kommt die Digitalisierung nicht recht voran. "Dabei ist die Transportbranche eigentlich affin für IT beziehungsweise für digitalisierte Geschäftsprozesse", sagt Martin Kolbe, der seit 2005 CIO und Mitglied der Geschäftsleitung von Kühne + Nagel (K+N) ist. Zuvor hat er bei DHL Express die gelben Pakethäuschen und die dahinterliegende Logistik mit aufgebaut.
Auf der Paketebene sei das mit der Digitalisierung auch möglich, da gebe es sogar Standardsoftware. "Im speditiven Geschäft ist das aber anders", erklärt Kolbe. "Der einheitliche Seefrachtcontainer suggeriert zwar, dass diese Branche hoch standardisiert sei, das ist aber gar nicht der Fall." Jedenfalls noch nicht.
Ein Problem ist die große Diversität im Containergeschäft. Während im Paket-Business die großen Player wie UPS, FedEx oder DHL den Weltmarkt unter sich aufgeteilt haben, tummeln sich bei den anderen Logistikern immer noch jede Menge kleine Anbieter. Wie amorph der Markt ist, zeigt der Seefrachtbereich: Die vier Großen, also Schenker, Panalpina, DHL und K+N, vereinen gerade einmal 15 Prozent des Markts auf sich, den Rest teilen sich viele kleine Spediteure.
Ferner gibt es die reinen Carrier wie Maersk und andere Betreiber von Schiffsflotten, deren Kerngeschäft darin besteht, Container möglichst günstig von a nach b zu schaffen. Und es gibt eine Vielzahl von Häfen, die alle sehr unterschiedlich funktionieren. "In Afrika beispielsweise wird oft noch mit Papier gearbeitet", erklärt Kolbe. In Deutschland sei das anders. "Im Hafen Hamburg ist man so weit, dass jeder Container genau per GPS abgestellt wird.
"Der zweite große Hemmschuh auf dem Weg zur digitalen Containerlogistik ist die Unterschiedlichkeit der Abläufe. Die Seefrachtcontainer sehen mit ihren 40 Fuß Länge zwar alle gleich aus, doch die Arbeitsprozesse rund um die Be- und Entladung sind völlig verschieden. "Da wird noch sehr viel angerufen und gefaxt", erzählt Kolbe. "An dieser Stelle wollen wir ansetzen und den Prozess so früh wie möglich digitalisieren", sagt der CIO, der jetzt auch die Aufgabe übernommen hat, Innovationen im Auftrag der Geschäftsleitung zu koordinieren und marktfähig zu machen.
Keine Standardsoftware verfügbar
Kleiner Haken an seinem Vorhaben: Eine Standardsoftware gibt es nicht - "kann es auch nicht geben", findet Kolbe: "Verschickung, Verzollung - dabei läuft alles anders. Das ist sehr industriespezifisch." SAP will zwar über DHL ein Standardprodukt anbieten. Und Panalpina soll auch gerade wieder 200 Millionen Franken für die Verbesserung des SAP-Systems ausgegeben haben. Doch bei K+N, wo man diese Bemühungen aufmerksam verfolgt, glaubt niemand an einen Erfolg.
Lieber baut Kolbe eine eigene Lösung. Ziel ist ein operatives System, das den Kunden ermöglicht, die Reiserouten ihrer Container selbst zu buchen - wie bei Expedia in der Reisebranche. Das dafür nötige neue, eigene See- und Luftfrachtsystem "SALog" hat K+N für den Import bereits in mehr als 100 Länder ausgerollt.