Fraunhofer-Konzept

Edge Cloud für die Produktion

10.05.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Fraunhofer hat ein Konzept für eine Edge Cloud in der Produktion erarbeitet. Es soll die Vorteile der Cloud mit Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit und Privacy kombinieren.
Mit der Edge Cloud will Fraunhofer die Vorteile der Cloud in die Produktion bringen und gleichzeitig Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit erfüllen.
Mit der Edge Cloud will Fraunhofer die Vorteile der Cloud in die Produktion bringen und gleichzeitig Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit erfüllen.
Foto: Michael Traitov - shutterstock.com

Rechenintensive Anwendungen auslagern, große Datenmengen speichern - hierfür nutzen Unternehmen und Anwender Public Cloud Services mittlerweile täglich. Doch für die millisekundengenaue Steuerung von Maschinen in der Produktion sind die Systeme bislang weniger geeignet. Dagegen spricht unter anderem, dass die Cloud-Systeme nicht frei konfigurierbar sind und nur schwer an echtzeitfähige Netzwerke angebunden werden können. Zudem zögern viele Unternehmen, ihre Maschinen- und Fertigungsdaten außerhalb des eigenen Unternehmens zu speichern.

Garantierte Datensicherheit

In der Regel sind Maschinen und Industrie-Roboter heute noch über Kabel mit einer Leitzentrale verbunden, die sie überwacht oder an- und abschaltet. Und sie tun schlicht das, wofür sie programmiert wurden - sind also insgesamt unflexibel. Sollen Maschinen neue Aufgaben übernehmen oder neue Produkte fertigen, müssen sich meist Techniker mit einem Laptop auf den Weg machen und neue Software oder Designvorlagen in die Maschinen einspielen.

Flexibilität/Agilität wie sie Konzepte wie Industrie 4.0, Smart Factories etc. propagieren sehen anders aus. Deshalb hat das Fraunhofer IPT die Idee einer Edge Cloud entwickelt (PDF), die auf die Bedürfnisse in der Produktion zugeschnitten ist und diese steuern kann. Anders als bei herkömmlichen Cloud Services sollen die Daten bei der Edge Cloud in der Hand der Produktionsunternehmen bleiben. Auf diese Weise, so Fraunhofer, sei die Datensicherheit garantiert. Die zentrale Erfassung von Daten in der eigenen Edge Cloud biete den Unternehmen auch den Vorteil, die Informationen weiter nutzen zu können - etwa um die Produktion zu optimieren oder aufbereitete Daten anderen zur Verfügung zu stellen. Maschinenhersteller könnten etwa ein Interesse daran haben, mehr über die Performance ihrer Maschinen beim Kunden zu erfahren, um die Technik weiterzuentwickeln.

Zeitgleiche Software-Updates

"Eine solche Edge Cloud bietet den Unternehmen viele Vorteile", erklärt Pierre Kehl, Experte für Edge-Cloud-Lösungen und Leiter der Gruppe Digitale Infrastrukturen am Fraunhofer IPT Aachen. "So lassen sich zum Beispiel ganze Maschinenparks sicher und schnell über eine zentrale Software steuern. Benötigen die Maschinen Updates oder neue Software-Versionen, können diese einfach zentral aufgespielt werden." Ferner sei es möglich, dass die Maschinen ihre aktuellen Betriebsparameter und Sensorwerte an die Edge Cloud senden. Darüber hinaus arbeitet Fraunhofer an einer intelligenten Analyse-Software, die auffällige Vibrationen erkennt, um so entstehende Schäden frühzeitig zu erkennen.

Daten in Echtzeit

Der Datenaustausch zwischen der Cloud und den Maschinen erfolgt bei dem Konzept über 5G. Zum Einsatz kommt außerdem das Time-Sensitive Networking (TSN), mit dem Daten in Echtzeit verschickt werden. Damit lassen sich schnelle Arbeitsvorgänge sicher zentral aus der Cloud steuern. Auch hier besteht der Vorteil laut Fraunhofer darin, dass Veränderungen der Produktionsparameter per Funk über die Cloud in die Maschinen übertragen werden können.

Erste funktionsfähige Prototypen zur Fraunhofer Edge Cloud zeigt das Fraunhofer IPT auf der Hannover Messe. Dort demonstrieren Fraunhofer-Partner die Funktionsweise der Cloud anhand eines Exponats, bei dem vier Aktoren gemeinsam auf einer Platte einen Tischtennisball jonglieren. Die Position des Balls wird von einer Kamera aufgenommen und an die Edge Cloud übertragen, die dann innerhalb von Millisekunden Befehle an die Arme sendet. Der Clou ist, dass zwei der Arme über Netzwerkkabel und TSN mit der Edge Cloud verbunden sind und die beiden anderen über 5G und TSN mit ihr kommunizieren. Auf diese Weise will man zeigen, dass sich eine Maschinensteuerung mit kabelgebundener Kommunikation und mit Funkstandards kombinieren lässt.