Dank der guten Konjunktur und der niedrigen Arbeitslosigkeit verbessert sich die Zahlungsmoral deutscher Verbraucher zunehmend. Privatinsolvenzen und Firmenpleiten sind aufgrund der insgesamt guten Entwicklung rückläufig. Anders aber sieht es mit der Zahlungsmoral von Großunternehmen und ihren Geschäftspartnern aus. Laut einer aktuellen Befragung des Kreditversicherers Atradius unter 3.000 Unternehmen aus 13 Ländern Westeuropas wurden in Deutschland im ersten Quartal 2015 durchschnittlich 41,6 Prozent aller inländischen B2B-Forderungen erst nach Ablauf des Zahlungsziels beglichen. Zu den Hauptgründen zählen für 55 Prozent der befragten Unternehmen vor allem Liquiditätsschwierigkeiten des Auftraggebers. Bereits an zweiter Stelle steht in Deutschland als Grund für Zahlungsverzögerungen die Ausnutzung ausstehender Rechnungen der B2B-Kunden als Finanzierungsinstrument, ein Trend, der sich auch in den übrigen Ländern Westeuropas widerspiegelt. Für das Inland wurde dieser Umstand von 48,0 % der Teilnehmer angegeben.
Partnerschaftliches Procurement ist die Zukunft
Ein funktionierender Cash-Flow ist eine große Herausforderung für kleine und mittelständische Unternehmen. Doch sind es vor allem die Big Player, die ihren oft deutlich kleineren Lieferanten die Daumenschrauben anlegen: Sie fordern immer bessere Einkaufskonditionen und geben lange Zahlungsfristen vor. Die so genannte Days Sales Outstanding (DSO) beträgt hierzulande inzwischen 30 Tage, also acht Tage länger als noch vor zwei Jahren[1]. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, ist die Liquidität einer steigenden Anzahl an KMU gefährdet. Die entstehenden Kapitalengpässe können selbst gesunde Betriebe in die Insolvenz treiben.
Ein Beispiel aus Großbritannien führt das drastisch vor Augen: Die Großbrauerei AB InBev, bekannt für Marken wie Beck's, Budweiser oder Stella Artois, setzte kürzlich eine Frist von 120 Tagen als Zahlungsziel fest. Ihr Förderband-Lieferant Brewpack erklärte in einem Interview mit dem Sender BBC daraufhin, dass es sich das Unternehmen nicht länger leisten könne, Aufträge von AB InBev anzunehmen. Beispiele wie diese können vor allem im Industriebereich empfindlichen Auswirkungen auf den Produktionsprozess haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um komplexe Produkte wie Fahrzeuge oder Werkzeugmaschinen handelt - und die Zulieferprodukte nur von wenigen Unternehmen hergestellt werden.
Lieferanten wollen möglichst schnell bezahlt werden - Einkäufer hingegen die Zahlungen eher verzögern. Lieferketten funktionieren jedoch nur, wenn sie auf fairen Beziehungen beruhen, die für alle Beteiligten einen klaren Mehrwert bieten. Aktionen wie die oben beschriebene tragen dazu bei, dass vorhandenes Vertrauen untergraben wird und die Vorteile in den Hintergrund treten. Entscheider sollten ihre Lieferkette also nicht länger als eine punktuelle Ansammlung einzelner Unternehmen verstehen, sondern als sinnvolles Netzwerk sehen. Unternehmen müssen als eine Einheit arbeiten, um die Bewegungen zwischen Materialien und Gütern sinnvoll zu orchestrieren. Lieferanten sollten die Möglichkeit erhalten, sich an diesem Prozess aktiv zu beteiligen. Neben dem reinen Produktverkauf sollten sie auch von den Vorteilen schnellerer Rechnungsprozesse profitieren - und nicht nur ihr Auftraggeber.
Dynamic Discounting: Online effektiver zusammenarbeiten
Innovative Technologien könnten in diesem Zusammenhang eine erste Antwort liefern. Durch die Verschiebung der Lieferkette in die Online-Welt kommt es zu einer faireren Gegenüberstellung beider Seiten. Unternehmen können sich untereinander verbinden, kollaborieren oder Geschäfte abschließen - und zwar auf eine wesentlich kommunikativere Weise. Zudem lassen sich die Reibungspunkte eliminieren, die solche Prozesse bisher schwierig gestalten. Gerade das Angebot von Dynamic Discounting, bei dem beide Seiten gemeinsam Skonti und Rabatte festlegen, die bei früher Zahlung automatisiert angewendet und verrechnet werden, ist hierfür ein gutes Beispiel. Käufer legen mit Hilfe von Online-Plattformen die Geldmenge, die für Frühzahlungen zur Verfügung steht, und die gewünschte Ertragsrate fest. Lieferanten können Frühzahlungen zu einem Preis beantragen, der unter den Kosten alternativer Kreditaufnahme liegt. Der nutzenbasierte Markt zur Preisgestaltung lässt Bargeld zu einem individualisierten Preis, der für beide Parteien akzeptabel ist, zwischen Unternehmen fließen. Dies verhilft Zulieferern zu einem besseren Cash-Flow, unterstützt Großunternehmen bei ihrer Procurement-Strategie und sorgt so für Zufriedenheit auf beiden Seiten.
Fazit
Unternehmen werden erkennen, dass sie ein beständiges Wachstum nur dann sichern können, wenn sie langfristig in ihr Lieferantennetzwerk investieren. Wenn kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ihren Betrieb durch zu lange Zahlungsziele gefährdet sehen, sollten sie nach netzwerkbasierten Verträgen Ausschau halten, die für sie günstigere Rechnungsprozesse zulassen. So kann klassischen Zahlungstaktiken von Großunternehmen vorgebeugt und die Liquidität verbessert werden. Dies wird jedoch nur funktionieren, wenn Lieferanten und Konzerne an einem Strang ziehen - und einen dauerhaft partnerschaftlichen Umgang pflegen. (wh)