Die Lehren des Cloud-Projekts
Laut Kundu und McCormack sei die wesentliche Erkenntnis aus diesem Projekt, dass selbst der durchdachteste Plan ein Team braucht, das willens und in der Lage ist, sich ständig neu auszurichten und auf veränderte Umgebungen und Rahmenbedingungen einzustellen. So sei auch die Cloud-Migration bei Evernote nach dem Muster abgelaufen, einen Schritt zu machen, das Geschehene zu analysieren und anschließend wenn nötig die Herangehensweise an die jeweilige Situation anzupassen - trotz exzessivem Testing und ausgiebigen Simulationen.
Darüber hinaus, so das Evernote-Duo, sei die Migration nicht damit abgeschlossen, dass zum Schluss alle Bytes in der Cloud liegen: Im laufenden Betrieb und der täglichen Arbeit mit dem Google-Ökosystem zeigten sich neue, spezifische Beschränkungen und Probleme. So nutzte Google beispielsweise Technologien zur Live-Migration, um virtuelle Maschinen von einem Host zum anderen zu schieben und so Patches zu installieren oder Hardware-Probleme zu umgehen. Das geschehe zwar unglaublich schnell, konstatierten die Projektverantwortlichen, allerdings habe der Evernote-Service unter Volllast mit dieser Vorgehensweise einige Probleme gehabt, die Optimierungen erforderten.
- Erarbeitung einer umfassenden Cloud-Strategie
Der Weg in die Cloud ist nicht ausschließlich ein Technologiethema. Die Unternehmensberatung Accenture empfiehlt daher allen Unternehmen, die sich auf den Weg in die Wolke begeben, zuallererst eine übergreifende Cloud-Strategie zu entwickeln. Neben der sorgfältigen Auswahl des Cloud-Providers und der benötigten Cloud-Services sollten auch Fragen der institutionellen Rahmenbedingungen (Governance), der zugrundeliegenden Prozesse, des Cloud-Operating-Modells unter anderem in eine Gesamtstrategie einbezogen werden. <br /><br />Arne Bleyer, Accenture-Spezialist für Cloud-Infrastruktur: "Mit dem Weg in die ‚Wolke‘ werden sich auch die konkreten Arbeitsweisen ändern. Deshalb sind Unternehmen gut beraten, im Vorfeld ihre lang- und mittelfristige Servicestrategie und das Serviceportfolio zu klären." - Ist-Erfassung bei Mittelstand und Enterprise-Unternehmen
Es erweist sich als ratsam, der Migration in die Cloud eine umfassende Assessment- und Planungsphase vorzuzuschalten. Über ein Applikations-Cluster gilt es, eine geeignete Transformationsstrategie festzulegen. Bleyer: „Das kann in der Praxis auch zu einer Konsolidierung der bestehenden IT-Landschaft bis hin zu deren Ablösung führen.“ Hintergrund: Sowohl Mittelstand als auch große Konzerne verfügen bei ihren Erstüberlegungen, in die Cloud zu gehen, oftmals nur über unzureichende Informationen über ihre aktuelle IT-Anwendungslandschaft. - Externe Partner für die Transformation auswählen
Nur die wenigsten internen IT-Abteilungen sind für alle notwendigen Schritte auf dem Weg in die Cloud gerüstet. Somit stelle sich letztendlich die Frage, welche externen Partner für welchen Bereich der Transformation ins Haus geholt werden müssen...
Auch ein vorangegangener Live-Test der Migration habe hier nicht ausgereicht, wie Evernote-CTO Kundu sagt: "Wenn eine Applikation in Produktion geht, können sich User-Verhalten und Arbeitslast von den Test-Konditionen deutlich unterscheiden. Deswegen sollte man sich auf Problemfälle einstellen und sich immer wieder klar machen, dass die Arbeit mit dem formellen Abschluss der Migration nicht beendet ist. Ein Problem kann auch erst nach einem Monat auftreten oder entdeckt werden."
Nach Meinung von McCormack lautet eine weitere Lektion, dass Cloud-Umgebungen in der Lage sind, jede Art von Workload zu bewältigen: "Die Cloud hat inzwischen genug Reife und bietet eine ausreichende Zahl an Features, um zu gewährleisten, dass jeder diese Umgebungen nutzen kann."
Was allerdings nicht bedeutet, dass eine Cloud-Migration keinen Aufwand verursachen würde: Auch wenn die Google Cloud für Evernote einige Vorteile bringt - das Unternehmen musste die Kontrolle über ihr Ökosystem abgeben und sich auch von einigen Telemetrie-Daten, die das ehemalige Datacenter lieferte, verabschieden.
Unmittelbare Cloud-Vorteile
Wesentliche Vorteile, die sich für Evernote aus der Migration in die Wolke ergeben, sind reduzierte Latenzzeiten und verbesserte Konnektivität für die internationalen Kunden. An dieser Stelle zahlen sich Googles weltweite Investitionen in Infrastruktur aus.
"Wir konnten die Ladezeiten unserer Seiten in bestimmten Bereichen signifikant reduzieren", erklärt McCormack. "Ich würde nicht sagen in allen Bereichen, aber wir können schon jetzt erste Vorteile sehen, die uns die Verfügbarkeit und Reichweite von Google in Sachen Traffic bescheren."
Noch müssen einige letzte User-Daten migriert werden, aber wenn es soweit ist, kann Evernote seinen Kunden auch mitteilen, dass ihre Daten ab sofort verschlüsselt gespeichert werden - der Google Cloud sei Dank.
Aus der Sicht von Evernote besitzen die Software-Ingenieure des Unternehmens in der Cloud nun auch mehr Freiheiten bei der Erledigung ihrer Arbeit. Denn statt sich mit der Schaffung physischer Infrastrukturen befassen zu müssen, um neue Features zu etablieren, stünde den Technikern nun ein komplettes Optionsmenü für diese Zwecke zur Verfügung, mit dem auch nach Belieben experimentiert werden könne.
Darüber hinaus stattet die Google-Cloud Evernote auch mit zusätzlicher Flexibilität aus, insbesondere wenn es um Backups und Ausfallzeiten geht.
Was kommt als nächstes?
In Zukunft möchte man bei Evernote von den existierenden und künftigen Google-Services weiter profitieren. Zum Beispiel testet man derzeit Googles "Cloud Functions", die es Entwicklern erlauben, Code-Snippets zu schreiben. Auch an einem Alpha-Test innerhalb der Google Cloud beteiligt sich das Unternehmen - zu Details wollte sich CTO Kundu allerdings genauso wenig äußern, wie zu den kommenden Features von Evernote. Lediglich die Aussage, dass "etliche" neue Funktionalitäten durch die Cloud-Migration zur Verfügung stehen werden, war dem Manager zu entlocken.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation pcworld.com.
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