VOI-Studie

Dokumente gerichtssicher gestalten

01.04.2010
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.

Unterschiede zwischen Straf- und Zivilrecht

Die dargestellten Einschränkungen der freien richterlichen Beweiswürdigung für Urkunden im Zivilprozess gibt es im Strafprozess nicht. Der Tatrichter darf und muss jedes Beweismittel und seinen Wert selbst frei würdigen. Dabei muss der Strafrichter den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ berücksichtigen, so dass Zweifelsfragen stets zu Lasten des Staates gehen. Zudem ist die Person, gegen die (oder deren Organisation) ermittelt wird, nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Denn es gilt, dass niemand an der eigenen Strafverfolgung aktiv mitzuwirken verpflichtet ist.

In § 98 VwGO wird für den Verwaltungsprozess auf die Regelungen des Zivilprozesses verwiesen, die im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar sind.

E-Mails werden grundsätzlich genauso behandelt wie die sonstigen elektronischen Dokumente. Im Hinblick auf deren Beweiskraft muss man wie beschrieben zwischen E-Mails mit und ohne qualifizierter elektronischer Signatur unterscheiden.

Ausdrucke gestattet

Bislang wurden in Rechtsstreitigkeiten zumeist Ausdrucke (unsignierter) E-Mails als Dokumentation elektronischer Kommunikation vorgelegt. Auch wenn es sich hierbei nicht um (unterzeichnete) schriftliche Urkunden oder ihnen gleichgestellte elektronische Dokumente mit entsprechendem Beweiswert im Sinne des Zivilprozessrechts handelt, ist ein Richter an Existenz, Inhalt und die Person des Erklärenden bereits dann gebunden, wenn der Gegner nicht bestreitet, eine Erklärung dieses Inhalts per E-Mail abgegeben zu haben.

Die qualifizierte elektronische Signatur als solche (mit Verschlüsselungsvorgaben zur Gewährleistung der Integritätsprüfung) wird im konkreten Prozess insbesondere dann besondere Bedeutung erlangen, wenn die Integrität, Existenz oder die Zurechnung zum Verfasser bestritten wird.

Erklärt eine Partei im Prozess, eine E-Mail nie erhalten zu haben, so handelt es sich um ein Zugangsproblem, das bei postalischer Briefbeförderung schon lange bekannt ist: die Beweislast für den Zugang trifft in diesem Fall den Absender.

Hier könnte eine qualifizierte elektronische Signatur nur dann Abhilfe schaffen, wenn der Empfänger automatisiert eine qualifiziert elektronisch signierte Rückmail (Antwortmail unter Beifügung des ursprünglichen Textes) absetzt, was juristisch eine sog. Empfangsbekenntnis darstellt oder sich eines "elektronischen Einschreibens" bedient.

Ausspähen und Fälschen

Erklärt eine Partei im Prozess, eine E-Mail nie versendet zu haben, so wird sie zur Plausibilisierung vortragen müssen, wie der Empfänger dennoch zu dieser Mail gekommen ist. Hier sind im Wesentlichen zwei Fälle denkbar: zum einen kann der Zugang unerlaubt benutzt worden sein (Ausspähen des Passworts durch einen Dritten etc.), zum anderen kann sich der Empfänger die E-Mail „ausgedacht“ haben (Totalfälschung). An dieser Stelle kann eine qualifizierte elektronische Signatur die Rechtsposition deutlich stärken. Für Dokumente, für welche keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten bestehen, ist unabhängig davon stets zu entscheiden, ob diese dennoch im eigenbetrieblichen Interesse elektronisch aufbewahrt werden sollten.

Die Verletzung von Aufbewahrungspflichten kann straf- und berufsrechtliche, aber auch prozessuale Konsequenzen haben. Beispiele: Die Verletzung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht kann eine Straftat nach § 283 b, § 274 StGB bzw. nach § 370 AO sowie eine Ordnungswidrigkeit wegen Steuergefährdung nach § 379 AO darstellen. Geschäftsführer oder Vorstände der betroffenen Gesellschaften kann bei der Verletzung von Aufbewahrungspflichten eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG treffen. Im Rahmen der prozessualen Konsequenzen ist § 427 ZPO zu beachten. Danach gilt der Inhalt der Abschrift einer Urkunde als bewiesen, wenn der Gegner der Anordnung, die in seinen Händen befindliche Urkunde vorzulegen, nicht nachgekommen ist.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CFOWorld. Kontakt und Anfragen zur VOI-Studie: Stefan Groß, Steuerberater, Certified Information System Auditor (CISA), Peters, Schönberger & Partner GbR, Schackstr. 2, D-80539 München, E-mail: s.gross@psp.eu;Dr. Nils C. Hallermann, Rechtsanwalt, E-mail: n.hallermann@psp.eu.

Disclaimer: Die dargestellten Ausführungen sind ohne Gewähr und sollen Ihnen die Probleme in groben Zügen überblicksweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Detailgenauigkeit näher bringen. Die vorliegenden Ausführungen sind nicht geeignet, Einzelheiten der jeweiligen gesetzlichen Regelungen und alle Aspekte der angesprochenen Themen zu beleuchten und ersetzt nicht die rechtliche und steuerliche Beratung im Einzelfall. Vor geschäftlichen Entscheidungen setzen Sie sich bitte mit Ihrem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt in Verbindung. Die gesetzlichen Regelungen können sich seit Erscheinen dieses Textes geändert haben.