Frau Apergis, "Jenseits der Schneegrenze" heißt Ihre aktuelle Studie über den beschwerlichen beruflichen Aufstieg von Frauen. Warum ist der immer noch so hart?
Barbara Apergis: Kommen Frauen über eine bestimmte Karrierestufe nicht hinaus, liegt das auch an fehlenden Netzwerken und den eingefahrenen Strukturen. Beförderungsrunden laufen nach dem Thomas- beziehungsweise Mini-Me-Prinzip. Es kommt immer der Typus zum Zug, der dem der nächsthöheren Führungskraft entspricht.
Aber etliche Unternehmen geloben doch, mehr Frauen in Führung zu bringen.
Apergis: Die meisten internationalen Beratungshäuser haben Vorgaben, wie Führungsebenen zu besetzen sind. Eine Frauenquote klappt aber nur, wenn sie konsequent von oben durchgesetzt wird. Das heißt, die Führungskraft muss mit Sanktionen rechnen, wenn keine Frauen eingestellt oder befördert werden. Die US-amerikanischen Beratungen sind hier einen Schritt weiter. Eine Quote haben sie alle auf der Agenda. Stellen die Manager viele Frauen ein, werden sie entsprechend incentiviert.
Hilft ein Bekenntnis zu Diversity, um mehr Frauen zu gewinnen?
Apergis: Die Firmen, die sich das Diversity-Thema auf die Fahnen schreiben, aber nicht leben oder ihre Ziele nicht einhalten, müssen damit rechnen, dass die gewonnenen Frauen wieder kündigen. Immer mehr Kandidatinnen fragen in den Vorstellungsgesprächen auch bewusst nach Frauenförderprogrammen. Je mehr Frauen schon im Unternehmen sind und das auch nach außen sichtbar wird, desto leichter fällt es, neue zu gewinnen.
Warum ist die Suche nach Managerinnen so herausfordernd?
Apergis: Viele Frauen auf dem C-Level sind eher von Purpose getrieben. Oben angekommen, wollen sie etwas verändern und bewegen. Sie haben den Anspruch, mit ihrer Arbeit Nutzen zu stiften. Der Karriereschritt an sich, der Titel oder die Vergütung allein reichen nicht, um Kandidatinnen für eine Managementposition zu gewinnen. Zudem ist eine ausgedehnte Reisetätigkeit für viele ein No-Go.
Beeinflusst Corona die Wechselwilligkeit der Frauen?
Apergis: Während der Pandemie sind zwar viele gesprächsbereit, aber dennoch ist die tatsächliche Wechselbereitschaft geringer. Niemand verlässt in einer Krise seinen sicheren Hafen. Auch fehlt oft die persönliche Begegnung zwischen Kandidatin und Unternehmen, die aber für einen Abschluss der Vertragsverhandlungen wichtig wäre.
Frauenkarrieren in MINT-Berufen: Steiniger Weg zum Gipfel
"Jenseits der Schneegrenze - Karrierepfade von Frauen in MINT-Berufen" heißt eine aktuelle Studie von Digital Leaders Advisory (dla). Sie basiert auf Tiefen interviews mit Führungsfrauen aus den Bereichen IT-Consulting, Informationstechnik, Maschinen- und Anlagenbau sowie Softwareentwicklung.
Der Titel der Studie bezieht sich auf die Aussage einer der Gesprächspartnerinnen: "Karriere machen ist ein bisschen wie Bergsteigen: Zuerst wandert man gemütlich los, dann kommt man immer höher und genießt die Aussicht. Erreicht man die Schneegrenze, ändert sich plötzlich die Welt: Man braucht eine Seilschaft, ein Steigeisen und ein Netz." Die Studie zeigt die Hürden auf, mit denen Frauen bei ihrer Karriere in MINT-Berufen zu kämpfen haben, und nennt Lösungsansätze.
Hürden für Frauen in der MINT-Welt und Lösungsansätze
Tradierte Geschlechtermuster und fehlende Role Models während Schulzeit und Ausbildung sorgen dafür, dass viele junge Frauen sich nicht für einen IT-Beruf oder ein Informatikstudium entscheiden.
Lösungsansätze: Rollenmuster aufbrechen, Erfolgsgeschichten erzählen, Mädchen an MINT-Fächer heranführen, Zugang zu MINT-Berufen erleichtern, Praktika ermöglichen, Geschlechtermuster in der Berufswahl aufbrechen und Berufseinsteigerinnen aktiv fördern.Tradierte Rolle der Väter, unflexible Arbeitsmodelle und fehlende Betreuungsmöglichkeiten behindern den Wiedereinsteig der Frauen nach der Familiengründung.
Lösungsansätze: Steuerliche Anreize schaffen, Familienpausen effektiv planen, Elternzeit für Männer attraktiv gestalten, Roadmap Wiedereinstieg in Unternehmen. virtuelle Arbeitszeiten fördern, Reisedruck im Beruf reduzieren.Frauen sind in den unternehmen oft nicht so gut vernetzt und werden auch durch starke "Männer Kartelle" daran gehindert.
Lösungsansätze: Gendergerechte Kommunikation, Diversität als Mehrwert für Organisation etablieren, Frauen in sozialen Techniken und Kunst der strategischen Vernetzung stärken, Genderspezifische Showstopper aktiv auflösen, Diversity Manager, Role Models, Netzwerke für Frauen gezielt fördern, formelle und informelle Strukturen stärken, Mentoring, Karriereplanung, FührunskräfteentwicklungHomosozialität "Mini-Me"-/"Thomas-Prinzip": Reproduktion von dominanten Machtverhältnissen, indem Mitarbeiter mit denselben Privilegien und demselben Berufsraum ausgewählt und gefördert werden.
Lösungsansätze: Objektivierung und Standardisierung der Entscheidungsprozesse, Überkommenen Machtstrukturen aktiv entgegenwirken, Diversity Manager, Frauenquoten