Der Auftragseingang sowie die gewünschten Liefer- oder Endtermine für Projekte richten sich nicht nach der optimalen Auslastung von Mitarbeitern und anderen Ressourcen, sondern nach den geschäftlichen Notwendigkeiten der Kunden. Projektmanager können daher ihre Projektpläne in der Regel kaum so aufbauen und aufeinander abstimmen, dass alle Ressourcen kontinuierlich voll ausgelastet sind.
In der Umsetzung der Projekte kommt es ohnehin meist anders als geplant. Für ein verspätetes Projekt wird beispielsweise ein Mitarbeiter benötigt, der schon für ein anderes Vorhaben arbeiten soll. Mit anderen Worten: Die Nachfrage nach bestimmten Ressourcen schwankt mitunter sehr stark. Mal werden viele Entwickler angefordert, mal wenige; mal sind die Entwickler überlastet, mal haben sie relativ wenig zu tun. Ein ausgeglichener Zustand ist aufgrund der Variabilität weder theoretisch möglich, noch kommt er in der Praxis vor. Ressourcenmanager stecken daher in folgenden chronischen Entscheidungs- und Handlungskonflikten.
Dilemma 1: Mehr oder weniger Kapazität aufbauen
Einerseits: Um Projekte jederzeit ausreichend mit Ressourcen versorgen zu können, müssen Ressourcenmanager so viele Ressourcen bereithalten, dass sie auch bei starker Ressourcennachfrage genügend Kapazität haben. Sie brauchen Reserven, ähnlich wie Stromversorger, bei denen genügend Kraftwerke bereitstehen, um auch in Spitzenzeiten das Stromnetz stabil zu halten. Ressourcenmanager benötigen also Überkapazität, wobei sie in ruhigen Zeiten dafür den Preis zahlen müssen, nicht ausgelastet zu sein.
Andererseits: Um Verschwendung (unnötigen Mittelabfluss) zu vermeiden, dürfen auf keinen Fall signifikante Überkapazitäten aufgebaut werden. Immer wenn die Auslastung eines Bereichs unter einen bestimmten Wert sinkt, wird zwangsläufig - seitens Geschäftsführung oder Controlling - die Frage auftauchen, ob man nicht zu viele Ressourcen hat.
Fazit: Sowohl die Vermeidung von Verschwendung als auch die gute Ausstattung von Projekten mit Ressourcen sind Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen erfolgreich ist. Wie sich Ressourcenmanager auch entscheiden, sie stehen immer vor dem Dilemma:
• Wollen sie die Versorgung der Projekte durch Überkapazitäten sichern, handeln sie sich Ärger mit dem Controlling und der Geschäftsleitung wegen zeitweise ungenutzter Kapazitäten ein.
• Bauen sie die Überkapazitäten ab oder gar nicht erst auf, beklagen sich die Projektmanager, weil ihnen im entscheidenden Moment Ressourcen für ihr Projekt fehlen.
So oder so hat die Entscheidung einen negativen Einfluss auf die wirtschaftlichen Ergebnisse.
Dilemma 2: Freie Kapazitäten zeigen oder nicht?
Einerseits: Um zuverlässig zu sein, dürfen Ressourcenmanager auf keinen Fall freie Kapazitäten sichtbar machen. Der Grund: Freie Kapazitäten werden abgebaut oder genutzt. Beides belastet die Zuverlässigkeit des Bereichs.
Andererseits: Um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu stärken, müssen Ressourcenmanager freie Kapazitäten unbedingt sichtbar machen. Denn nur wenn Kapazitäten frei sind, können mehr Projekte angeboten und realisiert sowie zu wettbewerbsfähigeren Preisen angeboten werden.
Fazit: Um in ihrer Arbeit als erfolgreich zu gelten, müssen Ressourcenmanager sowohl die Zuverlässigkeit ihres Bereichs sicherstellen als auch einen sichtbaren Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leisten.
Dilemma 3: Mehr zusagen als der Bereich leisten kann oder nicht?
Einerseits: Um die Ressourcen stets effizient zu nutzen und keinen Leerlauf zu haben, müssen Ressourcenmanager mehr Arbeit/ Projekte an die Unternehmensleitung zusagen, als ihre Bereiche tatsächlich leisten können. Denn: Aufgrund von Variabilität und Murphy's Law kommt es oft vor, dass Projekte abgebrochen werden oder erst später als geplant in einem Ressourcenbereich ankommen. Die Folge: Es droht Leerlauf.
Andererseits: Um Projekten zuverlässig die erforderlichen Ressourcen zuteilen zu können, dürfen Ressourcenmanager auf keinen Fall mehr zusagen, als ihre Bereiche leisten können. Es ist nämlich nicht sicher, in welchem Umfang Projektabbrüche und Verzögerungen vorkommen.
Fazit: Erfolgreiche Ressourcenmanager zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Ressourcen effizient nutzen und zuverlässig sind.
Da in den meisten Unternehmen die "lokale Effizienz" eine dominante Rolle bei der Bewertung von Ressourcenmanagern einnimmt, sagen diese tendenziell mehr zu, als ihr Bereich leisten kann. Ferner werden freie Kapazitäten eher verschleiert, um sie künstlich zu verknappen. Das mag zwar plausibel aus Sicht des Ressourcenmanagers sein, ist allerdings ebenso fatal für das Unternehmen.
- Ressourcenplanung mit Köpfchen
Unternehmensbereiche und Projekte rangeln ständig um die knappen Kapazitäten. Jedem gerecht zu werden ist beinahe unmöglich. Hier sind elf Tipps, wie ein CIO mit dieser Herausforderung umgehen kann. - 1. Priorisieren Sie:
Sorgen Sie dafür, dass Sie eine reelle Chance haben, mit den vorhandenen Ressourcen erfolgreich zu sein. Konzentrieren Sie auf die wichtigsten Initiativen, ohne die anderen aus den Augen zu verlieren. Dabei ist vielleicht auch einmal ein Kompromiss einzugehen. Möglicherweise müssen Sie sich nach neuen Strategien der Personalbesetzung umsehen. Aber was auf dem Papier nicht funktioniert, geht im echten Leben erst recht nicht. - 2. Seien Sie realistisch:
Die meisten Unternehmen tragen Scheuklappen, wenn es um die Verfügbarkeit von Ressourcen geht. Prüfen Sie genau, wie viele Ressourcen-Stunden zur Verfügung stehen - ohne Verwaltungsaufwand, Urlaub, außerplanmäßige Arbeit etc. Und verschaffen Sie sich einen Überblick darüber, wer oder was um Ihre Zeitressourcen konkurriert. - 3. Etablieren Sie ein Nachfrage-Management:
Zur Kapazitätsplanung gehört es, einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen. Sie funktioniert daher nicht ohne einen Nachfrage-Management-Prozess, der auch das Aussortieren verschwenderischer, überflüssiger oder geringwertiger Aufgaben umfasst. Ein Priorisierungs- und Scoring-Mechanismus als Kompromissgrundlage und Hilfsmittel bei Ressourcenkonflikten ist unumgänglich. - 4. Misten Sie aus:
Unnötig aufgeblähte Prozesse sind Produktivitätskiller. Versammeln Sie alle für Ihren Prozess relevanten Teams in einem Raum, heften Sie Ihren Implementierungsprozess von Anfang bis Ende an die Wand. Alles, was überflüssig oder ineffizient ist, muss zum Vorschein kommen. Versuchen Sie, verzichtbare Genehmigungsmechanismen durch Checklisten zu ersetzen. Seien Sie bereit, die Notwendigkeit jedes einzelnen Schritts und Datenelements zu hinterfragen. - 5. Beziehen Sie das mittlere Management ein:
Bei einem Unternehmen handelt es sich um ein Ökosystem. Deshalb darf die Ressourcenkapazitätsplanung nicht die alleinige Aufgabe einer bestimmten Gruppe oder Person sein. Die Mitarbeiter des mittleren Managements müssen involviert werden. Sie sind diejenigen, die ihre Ressourcen am besten kennen. - 6. Managen Sie durch Programme,
nicht durch Abteilungen. Der Fokus auf Abteilungen ist ein Hauptgrund für das weit verbreitete Silodenken. Warum planen und verwalten Unternehmen ihre Ressourcen stattdessen nicht über Programme? Die wirklich wichtige Arbeit in einem Unternehmen findet im Rahmen von Programmen und Projekten statt. Über das Management durch Programme lassen sich Ressourcen und Wertschöpfung besser koordinieren. - 7. Führen Sie die produktbasierte Planung ein:
Ihre Mitarbeiter arbeiten auf ein übergeordnetes Ziel hin, zum Beispiel auf ein Konsumgut, eine Dienstleistung für externe Kunden oder eine interne Veränderung. Behalten Sie dieses Ziel im Auge. Zum Beispiel können Sie eine Release-Roadmap verwenden, die Produkteinführungen und zugehörige Support-Projekte integriert. So schaffen Sie transparentere Meilensteine und eine auf Kunden und Märkte ausgerichtete Kultur. - 8. Kennen Sie Ihre Grenzen:
Im Normalfall werden 80 Prozent Ihrer Arbeit durch falsch zugeordnete Ressourcen behindert. Dadurch entstehen Engpässe in Ihrem Workflow. Nehmen Sie sich die Zeit, die wichtigsten und begehrtesten Ressourcen zu identifizieren, und schenken Sie ihnen besondere Beachtung. Anschließend planen Sie die Projekte um die Verfügbarkeit dieser Ressourcen herum. - 9. Ressourcen sind auch nur Menschen:
Deren Verfügbarkeits- und Durchlauflaufplanung lässt sich nicht mit der Kapazitätsplanung von Fabrikanlagen vergleichen. Alle Ihre Ressourcen haben individuelle Stärken, Arbeitsvorlieben, Fähigkeiten und Beweggründe. Sorgen Sie dafür, dass die Stärken koordiniert werden. Und sprechen Sie alles an, was die Moral der Truppe betrifft: Kommunikation, Haltung des mittleren Managements, Arbeitsumfeld etc. - 10. Integrieren Sie über Portfolios:
Mit Hilfe von Portfolios können Sie alle Komponenten in Ihrer Lieferkette koordinieren, zum Beispiel Ideen, Strategien, Produkte, Dienstleistungen, Projekte, Ressourcen, Softwareanwendungen und andere Vermögenswerte. Auf diese Weise lassen sich die Auswirkungen von Veränderungen besser aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachten. - 11. Suchen Sie effektive Führungspersönlichkeiten:
Zahllose Geschäftsprojekte sind daran gescheitert, dass es keine solchen Führungsfiguren gab. Investieren Sie in deren Identifizierung, Entwicklung oder Rekrutierung. Aber erliegen Sie nicht der Versuchung, einen "Macher" allein aufgrund seiner Leistung auf funktionaler Ebene zu befördern.
Der ständige Kampf um Ressourcen
Die knapp gehaltenen beziehungsweise künstlich verknappten Ressourcen erzeugen Probleme für die Projektmanager, die die Verantwortung dafür tragen, ihre Projekte rechtzeitig, im Kostenrahmen und mit den vereinbarten Inhalten abzuschließen. Sie planen die Ressourcen für ihre Projekte ein, können aber keineswegs davon ausgehen, dass die Ressourcen in dem Moment, in dem sie benötigt werden, tatsächlich zur Verfügung stehen. Stattdessen müssen sie während der Realisierung der Projekte immer wieder um die Ressourcen - zumindest um bestimmte Schlüsselressourcen - konkurrieren beziehungsweise sogar kämpfen. Auf Basis dieser Überlegungen wundert es kaum, dass die besten Projektleiter heute in erster Linie Beziehungsmanager sind. Je besser sie ihr Netzwerk im Unternehmen geknüpft haben, desto leichter werden sie über ihre Beziehungen an die nötigen Ressourcen kommen - und desto erfolgreicher sind ihre Projekte. Diese Strategie mag ihre Projekte retten, doch wird sie zu Lasten der Projekte ihrer Kollegen gehen. Dem einzelnen Projekt mag damit geholfen werden, nicht aber der Gesamtorganisation. (pg)