Die Geschäfte der Personaldienstleister laufen weiterhin gut. Vor allem die vielfältigen Digitalisierungsinitiativen, für die Unternehmen große Budgets frei geschlagen haben, erzeugen einen hohen Personalbedarf, der intern nicht zu decken ist. So entstehen neue und zusätzliche Aufträge für die Personaldienstleister. Mit kleineren und mittelständischen Unternehmen sind überdies neuartige Auftraggeber für Freiberufler dazugekommen, während früher vor allem Großunternehmen auf externes Personal setzten.
Das war ein Ergebnis des Roundtable-Gesprächs, zu dem sich Deutschlands führende Freiberuflervermittler in der Münchner Allianz Arena auf Einladung der COMPUTERWOCHE trafen. Teilgenommen haben Cristina Aguilar Perez (Personality IT Power People), Mohammed El-Khaledi (Questax), Michael Girke (Q_Perior), Florian Nix (Allgeier Experts), Thorsten Prüser (Neusta Consulting), Thomas Riedel (Hays), Julian Schotten (Future Consulting), Hubert Staudt (top itservices) und Rene Troche (Westhouse Consulting).
- Über Status quo und Zukunft...
... der Freiberufler-Vermittler diskutierte die Runde um die Computerwoche-Redakteure Alexandra Mesmer und Hans Königes in der Münchner Allianz Arena. - Michael Girke, Q-Perior
„In den letzten Jahren sind große Budgets für Digitalisierungsinitiativen frei geschlagen und sehr viele Projekte gestartet worden. Ich rechne damit, dass es zu einer Konsolidierung, ja zu einem De-Hype kommen wird. Nicht jedes Digital-Projekt wird überleben. Aber die Anfragen nach Digitalisierungsskills – wie Web-Entwicklung - kommen derzeit immer noch in großer Zahl.“ - Thomas Riedel, Hays:
„Digitalisierungsprojekte haben das bisherige Geschäft nicht verdrängt, sondern kommen on top dazu, so dass der Projektmarkt weiter wächst. Da die Treiber der Digitalisierung nicht in den Rechenzentren, sondern in den Fachabteilungen, zum Beispiel in der Produktentwicklung sitzen, bekommen es wir als Personaldienstleister mit neuen Ansprechpartnern zu tun, die bisher noch nicht mit IT-Freiberuflern zusammengearbeitet haben. Hier müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten.“ - Thorsten Prüser, Neusta Consulting:
"Der Digitalisierungsbegriff ist für mich zu abgedroschen. Es geht darum, wie sich ein Unternehmen durch Anpassung der IT und der Produkte einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Der Markt ist für uns größer geworden, da nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleinere und mittelständische Unternehmen auf Freiberufler zurückgreifen.“ - Florian Nix, Allgeier Experts:
"Aufgrund von steigender Komplexität, immer kürzeren Wirtschaftszyklen, dem anhaltenden Fachkräftemangel und der unsicheren rechtlichen Situation benötigen Kunden heute von einem Personaldienstleister mehr Beratungskompetenz. Diese reicht von der Beratung hinsichtlich des passenden Vertragsmodells bis hin zur strategischen Unterstützung bei der gesamten Planung und Betreuung der Professional Workforce aus internen und externen Mitarbeitern. " - Mohammed El-Khaledi, Questax:
„Die Kunden treten mit einer anderen Erwartungshaltung an uns Dienstleister heran: Sie wollen wissen, wie sie die benötigten Spezialisten rechtssicher einsetzen können. Darauf reagieren wir mit besser ausgebildeten Mitarbeitern, die mehr Expertise in den unterschiedlichen Vertragsformen mitbringen. Sie schaffen es, dass Know-How und die immensen Erfahrungswerte eines Dienstleisters in die Organisation der Kunden zu tragen. Die gesetzlich klar geregelte Arbeitnehmerüberlassung ist dabei eine Vertragsform, die nach meiner Einschätzung weiter an Bedeutung gewinnen wird.“ - Julian Schotten, Future Consulting:
„Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage ist es erforderlich, dass wir Dienstleister nicht nur Dienst-, sondern auch Werk- und Arbeitnehmerüberlassungsverträge anbieten können. Die Kunden erwarten von uns, dass Sie die ganze Palette an vertraglichen Einsatzmöglichkeiten aus einer Hand erhalten.“ - Rene Troche, Westhouse Consulting:
"Viele Kunden wollten nach der Gesetzesänderung zur Scheinselbständigkeit am liebsten nur noch Freiberufler als Zeitarbeiter an Bord holen. Die Herausforderung ist aber, dass hochqualifizierte Freiberufler nicht bereit sind, sich auf das Modell der Arbeitnehmerüberlassung und damit auf eine deutlich geringere Entlohnung und Flexibilität einzulassen.“ - Hubert Staudt, top itservices:
„Freiberufler haben sich ihr Profil in der Regel in neun bis elf Datenbanken hinterlegt und arbeiten mit zwei bis drei Personaldienstleistern zusammen. Pünktliche Bezahlung, interessante Projekte, aber auch kontinuierliche Ansprechpartner auf Seiten des Dienstleiters helfen, dass sie bei der Stange bleiben. Unpassende Projektanfragen und ausbleibende Reaktionen auf die Bewerbung sind zwei große Ärgernisse für den Freiberufler. Auch komplizierte Verträge schrecken den Freiberufler ab, am besten sollte ein Vertrag so gestaltet sein, dass er gut auf dem Handy lesbar ist." - Cristina Aguilar Perez, Personality IT People Power
" Es ist immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Verfügt der Freiberufler über die Spezialisierung, die der Kunde dringend braucht und die zudem wenige Experten anbieten können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er seine Forderungen auch durchsetzen kann."
Agilität und Selbständigkeit lassen sich schwer vereinbaren
Wollen Unternehmen mit Hilfe von IT automatisieren, neue Produkte und Vertriebswege schaffen, greifen sie auch verstärkt auf IT-Selbständige zurück. Gefragt sind agile Entwickler, Projekt-Manager, aber auch der klassische Java-Entwickler sieht sich immer noch einer stetigen Nachfrage gegenüber. Aber der Freiberufler-Markt hat limitierende Faktoren.
So wurde in der Diskussion deutlich, dass sich agile Arbeitsmethoden wie Scrum, die die tägliche Präsenz des Teams voraussetzen, schwierig mit dem Einsatz von IT-Freiberuflern verbinden lassen. Zu groß ist die Gefahr, dass die Tätigkeit des freiberuflichen Entwicklers als scheinselbständig eingestuft wird. Nach der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 1. April 2017 drohen Unternehmen hohe Bußgelder, wenn sie Selbständige in Werk- und Dienstverträgen einsetzen, diese sich aber nach einer Prüfung als illegale Arbeitnehmerüberlassung beziehungsweise Scheinselbständigkeit herausstellen.
Die Einsatzunternehmen und Kunden der Personaldienstleister wollen darum vor allem Rechtssicherheit. Sie erwarten, gut beraten zu werden und bevorzugen Dienstleister, die ihnen Experten in Dienst-, Werkverträgen oder auch in Arbeitnehmerüberlassung vermitteln können - und das am besten binnen 48 Stunden. Hier offenbart sich ein weiterer begrenzender Faktor: Umworbene, hochqualifizierte IT-Spezialisten sind in der Regel nicht bereit, auf ihr hohes Honorar zu verzichten und statt dessen in die geringer vergütete Zeitarbeit zu wechseln. Auch Einsatzunternehmen, die sich mit dem Feedback auf das angebotene Freiberufler-Profil Zeit lassen, haben es schwer, den Spezialisten zu gewinnen.
Personaldienstleister blicken optimistisch in Zukunft
Dienstleister dagegen können bei den Freiberuflern punkten, wenn sie ihnen nur passende Anfragen schicken, schnell reagieren und pünktlich bezahlen. Auch interessante Projekte und entschlackte Verträge, die gut auf dem Handy zu lesen sind, helfen, den Freiberufler auf seine Seite zu ziehen. In der Regel verlassen sich die IT-Selbständigen nicht auf einen Vermittlern, sondern arbeiten mit mehreren Agenturen zusammen und sind in vielen Datenbanken registriert.
Auch in Zukunft erwarten Personaldienstleister wachsende Umsätze, selbst wenn nicht jedes Digitalprojekt zum Erfolg führen wird und sich auch hier die Nachfrage beruhigen wird. Eine große Gefahr durch Recruiting Bots und Matching Software sehen sie auch nicht, da die hohen Ansprüche, die die Einsatzunternehmen an den freiberuflichen Experten stellen, nicht so einfach mit den realen Begrenzungen des Marktes in Einklang zu bringen sind. Da müsste es schon einen Algorithmus geben, der auf eierlegende Wollmilchsäue spezialisiert ist, merkte ein Diskussionsteilnehmer an.
Noch mehr zum Gipfeltreffen der Personaldienstleister...
... lesen Sie hier: Künstliche Intelligenz kann im Matching nur Vorauswahl treffen
- Freiberufler-Markt 2017: Gipfeltreffen der Personaldienstleister
Auf in die Allianz Arena: Vertreter der wichtigsten Personaldienstleister diskutierten mit Computerwoche-Redakteurin Karen Funk über Herausforderungen im Freiberufler-Markt. - Nikolaus Reuter, Vorstandschef Etengo:
„Auch für Personaldienstleister stellt Digitalisierung – konkret die Automatisierung von Prozessen sowie der Einsatz innovativer Technologien – eine Herausforderung dar. Gerade in unserer Branche gilt es, künftig mehr Wissen aus seinen Daten zu generieren. 2018 wird ein wirtschaftlich gutes Jahr!“ - Stefan Frohnhoff, Geschäftsführer Emagine:
„Die Digitalisierung wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Den Digitalisierungsexperten gibt es nicht, Digitalisierung ist ein sehr weites Feld. 2018 erwarte ich spannende Projekte und in unserer Branche eine Professionalisierung der Lieferfähigkeit.“ - Simon Gravel, CEO Freelance.de:
„In der Personaldienstleistungsbranche ist Digitalisierung noch nicht viel mehr als ein Buzzword. Das ist kurzsichtig – vor allem, weil wir in anderen Branchen schon sehen können, wohin die Reise geht. Fintech und Insurtech zeigen, dass Nutzer sehr offen dafür sind, auch komplexe Geschäfte rein digital zu managen. Eine digitale Plattform, auf der sie ihr Arbeitsleben selbstbestimmt organisieren, passt da genau rein. Wer diese Entwicklung verschläft, wird bald das Nachsehen haben. Meine Prognose für das kommende Jahr: Es wird mehr Integration von Freelancer-Marktplätzen in bestehenden IT-Landschaften geben, die zu schnelleren und effektiveren Besetzungen führen. Die richtigen Fachkräfte zu finden, wird in vielen Branchen immer schwieriger für Unternehmen. Die Integration bietet eine neue Lösung." - Maxim Probojcevic, Leiter Marketing bei Solcom:
“Der persönliche Kontakt ist für die Freelancer sehr wichtig, das löst kein Chatbot. Ich sage der Branche eine prosperierende Zukunft voraus, wobei sich der Markt weiter konsolidieren wird.“ - Markus Reefschläger, Geschäftsführer der Geco Group:
„Digitalisierung birgt viel Unwissenheit und Unsicherheit. So fragen viele Kunden nach DevOps-Experten. Oft, ohne selbst zu wissen, was das ist. Die Beratung hinsichtlich dieser Thematiken wird meines Erachtens essentieller werden. 2018 bewegen uns wir uns in einigen Standardskill-Bereichen stärker in Richtung Arbeitnehmerüberlassung. Dies ist aber weder für IT Experten/-Berater noch für uns oder unsere Kunden eine Alternative für hochwertiges Projektgeschäft.“ - Mark Hayes, Country Manager bei Harvey Nash:
“Wir haben in Einzelfällen schon Freie davon überzeugt, in der Arbeitnehmerüberlassung für uns zu arbeiten, wenn es um größere Konzerne mit interessanten Projekten etwa im Bereich Big Data ging. Grundsätzlich aber stellt die AÜ keine Alternativ zum Freelancing dar, sondern muss viel mehr als eigenständiges Einsatzmodell betrachtet werden. 2018 wird es mehr Transformationsprojekte als bisher geben.“ - Luuk Houtepen, Director Business Development SThree DACH:
“Deutsche Unternehmen generieren einen Wettbewerbsnachteil, indem sie an Deutsch als Projektsprache festhalten. Unsere noch ziemlich junge Branche wird sich 2018 mittels Verbänden wie ADESW & APSCo weiter professionalisieren und eine positive Entwicklung nehmen.“ - Paul Laumann, Director Regional Sales IT & Engineering bei Experis:
„Wir müssen uns überlegen, welche Rolle wir spielen, welche Mehrwerte wir bieten können, wenn Künstliche Intelligenz das Matching übernimmt. Mit Blick auf 2018 bin ich auf die Auswirkungen des neuen Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetzes gespannt.“ - Stefan Symanek, Marketing-Leiter bei Gulp:
„Nach neun Monaten Equal Pay? Teils verdienen unsere Mitarbeiter in der AÜ mehr Geld als die Stammbelegschaft. Für 2018 erwarte ich, dass wir endlich Ruhe in die Branche bekommen.“