Digitalisierung: Viele Unternehmen stehen noch am Anfang
Dass der Weg zum digitalen Unternehmen lang und steinig ist, zeigt sich an anderen Ergebnissen der Studie. Gefragt nach dem aktuellen Status der digitalen Transformation, gab ein Fünftel der Unternehmen an, entweder abzuwarten oder das Thema als nicht relevant anzusehen. Knapp ein Viertel plant immerhin einzelne Maßnahmen, 44 Prozent haben sie bereits umgesetzt.
Wie weit sind deutsche Unternehmen ganz konkret in Sachen Digitalisierung? Der IT-Kompass 2016 unterscheidet hier zwischen internen und externen Maßnahmen. Intern haben die Interviewten bereits einiges in Angriff genommen, beispielsweise in den Bereichen Dokumentenmanagement, mobiler Zugriff auf Daten und Applikationen oder automatisierte Backend-Prozesse wie elektronische Rechnungsstellung oder Auftragsbearbeitung. Die Potenziale sind hier aber längst noch nicht ausgeschöpft. "Speziell im Kontext von Big Data sind viele Unternehmen noch weit entfernt von einer ganzheitlichen Anwendung", kommentiert Thorenz. Erheblichen Nachholbedarf gibt es auch bei vielen externen Maßnahmen. Dazu gehören etwa Social-Media-Marketing, Online-Kundenplattformen oder die Digitalisierung von kundenzentrischen Prozessen.
Digitalisierungshürden: keine Zeit, keine Mitarbeiter
Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation sind vielschichtig. Besonders gravierend erscheinen aber zwei Aspekte: Fast 60 Prozent der Befragten nennen Zeitmangel als ein Kernproblem, für mehr als die Hälfte sind fehlende Mitarbeiter ein entscheidendes Hemmnis. Befragte aus der IT nennen diese Punkte besonders häufig. Analystin Thorenz vermutet dahinter die Unfähigkeit vieler IT-Bereiche, sich grundsätzlich neu aufzustellen: "Es stellt sich die Frage, ob die deutschen Unternehmen womöglich ihre Prioritäten falsch setzen und dadurch den Einstieg in eine zentrale, globale Entwicklung verpassen."
Fachabteilung versus IT - ein Dauerbrenner
Eine Erklärung für die Probleme mit der Digitalisierung könnte im nach wie vor schwierigen Verhältnis von IT- und Fachabteilungen liegen. Zwar stellen die Fachbereichsverantwortlichen ihren IT-Kollegen unterm Strich ein gutes Zeugnis für das vergangene Jahr aus. 86 Prozent der Anwender sind mit den Leistungen zufrieden - ein Plus von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Fachbereichsentscheider, die die IT-Leistungen mit "sehr zufrieden" bewerten, ist sogar um 13 Prozentpunkte gestiegen.
Andererseits aber zeigt die wahrgenommene Rolle der IT-Abteilung, dass hier noch viel Luft nach oben besteht. Jeder dritte Manager aus den Fachabteilungen degradiert die IT-Abteilung noch immer zum Betreiber der IT-Infrastruktur und sieht sie damit als reine Kostenstelle. "Doch die Rolle der IT wird sich in den kommenden Jahren wandeln", erwartet IDC-Experte Schulte: "Keeping the lights on wird in den wenigsten Fällen noch das Motto der IT-Abteilung sein. Vielmehr wird sie in jedem vierten Unternehmen zum Business Enabler, sagen Fachbereiche und die IT unisono."
Bei der Frage nach den Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Fach- und IT-Abteilung zeigt sich, wo die Probleme liegen. Die Fachbereiche beklagen vor allem ein mangelndes Verständnis ihrer Anforderungen durch die IT-Kollegen. Zudem bräuchten diese zu lange, um neue Anforderungen zu erfüllen. Die IT-Entscheider geben sich an diesem Punkt durchaus selbstkritisch. "Wenn es aber um die Gründe geht, verstricken sich IT- und Fachbereichsverantwortliche in gegenseitigen Schuldzuweisungen", interpretiert Schulte die Ergebnisse. Einigkeit besteht immerhin darüber, wie sich die Zusammenarbeit verbessern lässt. Die wichtigsten Maßnahmen sind aus Sicht der Befragten ein frühzeitiges Einbeziehen aller Beteiligten, eine offene Kommunikation sowie der Aufbau von fachabteilungsspezifischem Know-how.
Schatten-IT fordert den CIO heraus
Ein anderer wichtiger Aspekt in diesem Kontext sind die wachsenden dezentralen IT-Budgets, die zum Teil ohne Wissen der IT-Organisation entstehen. So berichtet jeder zweite Fachbereichsentscheider von einem eigenen IT-Budgetrahmen, ein Zuwachs von sechs Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. "Diese Entwicklung stellt den CIO vor Herausforderungen", kommentiert Schulte. "Denn wenn die IT den Anforderungen der Fachabteilungen nicht gerecht wird, werden diese selbst aktiv - mitunter ohne Einbindung der IT-Kollegen." Damit sei eine Zunahme der Schatten-IT zu befürchten, was beispielsweise zu Problemen hinsichtlich der IT-Sicherheit und Compliance führen werde.
Wenig überraschend nennen die Befragten als häufigsten Grund für die Schatten-IT, dass die Unternehmens-IT zu langsam und zu unflexibel arbeite. IT-Leistungen hinter dem Rücken der IT-Abteilung zu nutzen, bringe den Fachbereichen aber nur kurzfristig Verbesserungen, warnt Schulte. "Denn um Geschäftsprozesse zu automatisieren und zu optimieren, müssen Datenquellen und IT-Systeme verknüpft werden." Eine derartige Integration berücksichtigten die Fachbereichs-Manager bei der Entscheidung für entsprechende Tools jedoch nur selten. Es sei daher auch im Interesse der Fachabteilungen, eine Silostruktur zu vermeiden. Der Einfluss von Fachabteilungen auf IT-Projekte wird jedenfalls in den kommenden zwölf bis 24 Monaten noch zunehmen, darin sind sich IT- und Fachbereichsverantwortliche einig. Damit dürften auch die dezentralen IT-Budgets weiter zulegen.
Studiensteckbrief IT-Kompass 2016
Für den IT-Kompass 2016 befragten IDC und die Computerwoche im November und Dezember 2015 IT- und Business-Entscheider aus 364 deutschen Unternehmen. Der Anteil der Business-Entscheider lag bei 41 Prozent.
Um zu einem unverzerrten Bild zu kommen, wurde die IT-Branche aus der Auswertung genommen. Ansonsten deckt die Stichprobe im Wesentlichen alle Branchen der deutschen Wirtschaft ab.
Der Bereich Industrie / verarbeitendes Gewerbe ist mit 25 Prozent der befragten Unternehmen am stärksten vertreten. Mit 10 Prozent folgt die die öffentliche Verwaltung inklusive Sozialversicherung und Dienstleistungen für Unternehmen. Die Banken- und Versicherungsbranche ist mit 9 Prozent der drittgrößte Industriezweig. Alle übrigen Branchen bewegen sich zwischen 2 und 7 Prozent. 18 Prozent der befragten Unternehmen haben sich "sonstigen" Branchen zugeordnet.
Den kompletten Berichtsband zur Studie mit allen Daten, Grafiken und Analysen können Sie über den Online-Shop der Computerwoche beziehen. (wh)