Businesstrip trifft KI

Dienstreise mit Künstlicher Intelligenz

17.07.2017
Von  und
James A. Martin ist Autor des Blogs "Living the Tech Life" unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Von Chatbots bis hin zum Roboter-Hotelpagen: Künstliche Intelligenz und Machine Learning revolutionieren die Art und Weise, wie Sie reisen - beruflich wie privat.

Am 9. April 2017 wurde ein zahlender Passagier gewaltsam aus einer Maschine von United Airlines entfernt, nachdem er sich geweigert hatte, das Flugzeug freiwillig zu verlassen. Der Hintergrund: Der Flug war überbucht, vier Plätze mussten für die Unterbringung der Crew geräumt werden. Im Nachgang wurden über soziale Netzwerke weitere, ähnlich gelagerte Fälle bekannt.

Diese Geschehnisse führten in der Öffentlichkeit zu Diskussionen über blinden Gehorsam, die Rechte von Flugpassagieren - und nicht zuletzt auch über die Führungsetage der US-Airline. Darüber hinaus sollte man sich aber auch die Frage stellen, ob der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die peinlich-schädliche Ereigniskette hätte verhindern können.

Machine Learning (ML) und KI beeinflussen viele Geschäftsfelder und Branchen bereits ganz erheblich. Und auch die Reiseindustrie ist reif für KI-Interventionen, wie Param Singh, Professor für Business Technologies an der Tepper School of Business, weiß. Wir sagen Ihnen, inwiefern Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in der Zukunft Ihre Privat- und Geschäftsreisen beeinflussen werden.

Schluss mit Überbuchungs-Dramen

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hätte dabei helfen können, das United-Airlines-Drama zu verhindern. Davon ist zumindest Henry H. Harteveldt, President der Atmosphere Research Group, überzeugt: "Zumindest in der Theorie hätte die KI eine frühzeitige Warnung ausgegeben, dass ein Überbuchungsproblem besteht. So hätte die Airline mehr Zeit gehabt, um eine Lösung zu finden".

Am Tag des Fluges hätte die artifizielle Intelligenz außerdem auf Grundlage von Profildaten analysieren können, welche Passagiere am ehesten bereit sind, ihren Reiseplan kurzfristig zu ändern. Ein jüngerer Passagier wäre zum Beispiel unter Umständen empfänglicher für einen Reisegutschein gewesen und hätte eventuell weniger Probleme damit gehabt, seine Pläne kurzfristig zu ändern, als der letztendlich aus dem Flugzeug beförderte David Dao. Der 69-jährige Arzt wollte aufgrund eines Termins schnellstmöglich in seine Praxis zurückkehren.

Personalisierte Services

In manchen Fällen kommt Künstliche Intelligenz in der Reiseindustrie bereits zur Anwendung. Zum Beispiel wenn es um Chatbots für die Reisebuchung oder persönliche Reiseassistenten geht. Oder auch KI-basierte Apps, die bei der Reiseplanung unterstützen.

"Die in diesem Bereich im Einsatz befindlichen KI-Lösungen fußen im Wesentlichen auf der Machine-Learning-Technologie", erklärt Singh. "Durch große Mengen von persönlichen Daten können ausgeklügelte Algorithmen Ihre Bedürfnisse vorhersagen und entsprechende Lösungen anbieten. Hier werden also in einem ersten Schritt Funktionen automatisiert, die normalerweise von Menschen übernommen werden."

Mit der nächsten Welle von Applikationen seien maßgebliche Verbesserungen für die Reise- beziehungsweise Kundenerfahrung zu erwarten, so Singh: "Diese Systeme werden die Fähigkeit besitzen, enorme Datenmengen zu analysieren und auszuwerten. Auf dieser Grundlage werden sie Lösungsvorschläge unterbreiten können, die ein durchschnittlicher, menschlicher Mitarbeiter in der Reiseindustrie - rein kognitiv - gar nicht zur Verfügung stellen kann."

Auch Sumit Gupta, KI-Experte bei IBM, sieht für die Künstliche Intelligenz auf Dienst- und Geschäftsreisen eine rosige Zukunft. Seiner Meinung nach wird die Branche Machine Learning und KI zunehmend dazu nutzen, um mehr über die Gewohnheiten und Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfahren. Das Ziel sei es, bessere, Personalisierte Services anbieten zu können. "Freuen Sie sich auf den Tag, an dem Sie im Flugzeug Platz nehmen und die Stewardess bereits weiß, welches Mischverhältnis Ihr Gin-Tonic aufzuweisen hat. Wenig später werden Sie an der Hotelrezeption namentlich begrüßt - Gesichtserkennungs-Software sei Dank. Und beim Betreten Ihres Zimmers läuft auch schon das Fussball-Highlight unter Beteiligung Ihrer Lieblingsmannschaft."

Auch Wayne Thompson, Chief Data Scientist beim Softwareanbieter SAS, hat bereits ganz konkrete Vorstellungen davon, wie die KI-gestützte Dienstreise der Zukunft aussehen könnte: "Sagen wir, Sie haben ein wichtiges Kundengespräch in Los Angeles und haben bereits die Nachricht erhalten, dass Ihr Flug planmäßig starten wird. Es ist ein Montagmorgen - also herrscht Rushhour am Flughafen und Sie sind naturgemäß viel zu spät dran.

Deswegen machen Sie sich auch langsam Sorgen darüber, ob Sie in der überfüllten Parkgarage rechtzeitig einen Platz finden. Gut, dass Ihr Navigationssystem einschreitet und Sie zum nächstgelegenen freien Parkplatz lotst. Das erledigt der Rechner im Fahrzeug mit Hilfe von Bilderkennungssoftware und ‚Convolutional Neural Networks‘, die eine Echtzeit-Analyse der Bilder ermöglichen. Die Fehlerrate liegt dabei bei etwa sechs Prozent - und weist damit einen geringeren Wert auf, als es das menschliche Auge tut."

Die Dienstreise wird smarter: Ein Service-Roboter im Einsatz am San Jose International Airport.
Die Dienstreise wird smarter: Ein Service-Roboter im Einsatz am San Jose International Airport.
Foto: Martyn Williams

Nach dem Security-Check folgt die nächste Episode in Thompsons KI-getriebener Geschäftsreisen-Vision: "Sie haben Zeit gut gemacht und entschließen sich dazu, noch einen Kaffee zu trinken und etwas zum Lesen zu besorgen. Während Sie sich dem Buchladen nähern, werden Sie digital über besondere Vergünstigungen informiert - natürlich basierend auf Ihrem bisherigen Leseverhalten. An der Kasse erhalten Sie schließlich noch Gutscheine für Garten- und Oldtimer-Magazine. Das zugrundeliegende KI-System kennt nämlich auch Ihre Hobbies."

Weitere Einsatzmöglichkeiten wären etwa eine schnelle, digitale Hilfeleistung für Passagiere, die sich verlaufen haben oder auch die automatische Analyse von Kundenfeedback in sozialen Netzwerken über Sentiment-Analysen.