Die Ära der großen Software-Monolithen ist vorbei. Unter diesem Motto stand die erstmals virtuell abgehaltene Kundenkonferenz "Knowledge 2020" von ServiceNow. Bill McDermott, seit Anfang des Jahres CEO von ServiceNow – und zuvor bis zum Herbst vergangenen Jahres als SAP-Chef noch selbst ein Vertreter der klassischen Anwendungswelt mit umfänglichen ERP- und CRM-Suiten –, will die digitale Transformation bei seinen Kunden vorantreiben. Dabei setzt der Manager auf einen neuen Systemansatz. "Der Trend geht weg von einer Systems-of-Record- hin zu einer Systems-of-Action-Mentalität", postulierte McDermott. In den Anwenderunternehmen gehe es nun in erster Linie um mehr Tempo, Produktivität und Innovation.
Dafür will ServiceNow seine Cloud-Plattform ins Spiel bringen. McDermott bezeichnet diese als "Plattform der Plattformen". Anwender sollen mit Hilfe der ServiceNow-Lösung ihre Workflows effizienter orchestrieren und betreiben können. Die Idee dahinter: Eine bessere Erfahrung – neudeutsch Experience – für die Nutzer, seien es die eigenen Mitarbeiter oder die Kunden. "Hinter jeder guten Erfahrung steckt ein guter Workflow", zieht McDermott Bilanz.
Druck zur digitalen Transformation wächst
Dabei geht es ServiceNow nicht darum, alte Softwareanwendungen zu ersetzen. Vielmehr will der Cloud-Spezialist mit seiner Plattform einen übergeordneten Layer einrichten und über bestehende Systeme spannen, mit dessen Hilfe sich übergreifend Prozesse implementieren lassen sollen. Die Notwendigkeit dazu hat sich aus Sicht von McDermott drastisch erhöht. Gerade vor dem Hintergrund der Coronakrise wachse der Druck zur digitalen Transformation in den Unternehmen weltweit deutlich. Rund 90 Prozent der CEOs aus den Reihen der Fortune-500-Konzerne hätten eine Digital-first-Strategie, berichtet der ServiceNow-Chef. Doch nur vier von zehn seien in der Lage, auf eine digitale Herausforderung eines Konkurrenten adäquat zu antworten.
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Die Herausforderung im Zuge des digitalen Wandels sieht McDermott darin, dass sich Wertschöpfungsketten aufsplitten und neu zusammensetzen. Außerdem müssten nach wie vor existierende Silogrenzen in den Organisationen abgerissen und überwunden werden. McDermott spricht daher von einer regelrechten "Workflow-Revolution". Diese habe gerade erst begonnen, und ServiceNow werde der Katalysator sein, mit dessen Hilfe sich Unternehmen neu definieren könnten. "Das wird mit den alten, antiquierten Softwaresystemen nicht funktionieren", ist sich der Manager sicher.
Bessere Experience mit KI
Vor diesem Hintergrund baut ServiceNow sein Portfolio weiter aus. Der 2004 gestartete Cloud-Spezialist, der mit Lösungen für das IT Service Management (ITSM) groß geworden ist, will sich weiter als Anbieter für Enterprise Service Management (ESM) positionieren. Anwender sollen Prozesse aus verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Personalverwaltung, Marketing oder dem Finanzbereich über ServiceNow abbilden und betreiben können.
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Ein zentraler Fokus in den Entwicklungsanstrengungen liegt darauf, die User Experience zu verbessern, berichtete Chief Product Officer CJ Desai. Dazu integriert der Anbieter verstärkt Techniken und Funktionen für künstliche Intelligenz, Machine Learning und Natural Language Understanding in seine Plattform. Desai beschreibt ein Beispiel: Gerade jetzt, wenn viele Anwender im Home Office mit neuen Tools arbeiteten, könne der Helpdesk mit Hilfe von Algorithmen feststellen, mit welchen Problemen Nutzer am häufigsten konfrontiert würden. Anstatt Anfragen einzeln abzuarbeiten, ließe sich ein Virtual Agent einrichten, der allen Usern mit dem gleichen Problem automatisiert eine passende Lösung anbietet. McDermott zufolge lassen sich auf diese Weise viele Prozesse deutlich effizienter abwickeln. Beispielsweise könnten die meisten Kundenanfragen ohne Eingreifen eines menschlichen Mitarbeiters aus dem Kundendienst via Selfservice gelöst werden.
Der ServiceNow-CEO hat ehrgeizige Pläne. "Wir wollen das maßgebende Software-Unternehmen des 21. Jahrhunderts werden", verkündete er anlässlich der Knowledge 2020. Seiner Einschätzung nach werden die Unternehmen weltweit in den kommenden vier Jahren über sieben Billionen Dollar in ihre digitale Transformation investieren. Von diesem Kuchen will sich ServiceNow ein großes Stück sichern. Bis dato scheint die Rechnung aufzugehen. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres steigerte ServiceNow seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 33 Prozent auf gut eine Milliarde Dollar. Auch die Aktie hat seit dem Amtsantritt McDermotts um rund ein Drittel zugelegt – trotz aller zwischenzeitlichen Turbulenzen durch die Corona-Pandemie.
Für die Zukunft sieht der ServiceNow-Chef den Cloud-Anbieter in einer komfortablen Wettbewerbssituation. In Anspielung auf ein Zitat des legendären Konzertveranstalters Bill Graham über die US-Kultband Grateful Dead sagte McDermott Mitte Mai auf einer Investorenkonferenz: "Wir sind die einzigen, die tun, was wir tun, auf die Art und Weise, wie wir es tun".
Zurück ins Office mit der "Safe-Workplace"-Suite
Anlässlich der Kundenkonferenz Knowledge 2020 hat ServiceNow den "Safe Workplace" vorgestellt. Die Suite besteht aus vier Apps und einem Management Dashboard. Sie soll Unternehmen dabei unterstützen, die Rückkehr ihrer Mitarbeiter ins Büro sicher zu organisieren. Mit Hilfe der App "Employee Readiness Surveys" können die Verantwortlichen anhand eines Fragekatalogs die Rückkehrbereitschaft ihrer Beschäftigten ermitteln. Die App "Employee Health Screening" dient dazu, den Gesundheitszustand von Mitarbeitern zu prüfen. Dazu zählen beispielsweise Kontrollen der Körpertemperatur und die Einhaltung von Eintrittsbestimmungen.
"Workplace Safety Management" soll dabei helfen, saubere und hygienisch sichere Arbeitsräume einzurichten, in denen Distanzregeln eingehalten werden. Dazu zählen Funktionen, um Schichtbetrieb und Reinigungsintervalle zu organisieren. Das "Workplace Personal Protective Equipment Inventory Management" soll Unternehmen helfen, den Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung zu verwalten und zu überwachen, um die physische Sicherheit der Mitarbeiter gewährleisten zu können. Alle Daten aus diesen Apps fließen in einem "Safe Workplace Dashboard" zusammen. Dort erhalten die Verantwortlichen mit Hilfe von Visualisierungen einen Überblick über den Gesundheitsstatus ihrer Organisation.