Digitalisierung im Land Berlin

"Die Technik ist nicht das Problem"

20.09.2019
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Staatssekretärin mit CIO-Rolle

Auch organisatorisch hat sich in der Hauptstadt einiges verändert. Seit 2016 gibt es mit IKT-Staatssekretärin Sabine Smentek eine CIO-Rolle für das Land. Gemeinsam mit dem ITDZ legt sie die Architektur fest und macht den Landesbehörden zum Teil sehr detaillierte Vorgaben. Hierfür wurde das IKT-Architektur-Board als Entscheidungsgremium eingerichtet, an das sich Behörden wenden können, um ihre IT-Lösungen prüfen zu lassen oder zeitlich befristete Ausnahmegenehmigungen zu beantragen.

Das ITDZ Berlin beschäftigt mehr als 800 Mitarbeiter, bis 2021 sollen es gut 1.200 sein.
Das ITDZ Berlin beschäftigt mehr als 800 Mitarbeiter, bis 2021 sollen es gut 1.200 sein.
Foto: ITDZ Berlin

Dabei gehe es häufig um Standardfragen, erläutert Fiedler, denn längst nicht jede Behörde sei in der Lage, alle Vorgaben rechtzeitig umzusetzen. Standardisierung ist generell das große Thema für die IT-Managerin, und zwar nicht nur auf Landesebene. Das ITDZ Berlin nutzt zum Teil auch IT-Lösungen, die auf Bundesebene entwickelt und getestet wurden.

Knackpunkt Kulturwandel

Beim digitalen Umbau sei "die Technik unterm Strich nicht das Problem", erläutert die Managerin. Der entscheidende Erfolgsfaktor sei der notwendige kulturelle Wandel. Ihr gehe es um mehr Selbstorganisation, Flexibilität und Verantwortungsübernahme. In ihrer Organisation will sie eine "kundenzentrierte Mehrwertorientierung" erreichen, sprich: Nicht die Technik, sondern die Bedürfnisse der Nutzer sollen künftig im Mittelpunkt stehen. Die Gretchenfrage dabei laute: "Wie motiviert man Mitarbeiter in der Verwaltung?"

Um auf diesem Weg voranzukommen, beschäftigt sich Fiedler mit den drei Aspekten Führung, Haltung und Fehlerkultur. In der IT-Organisation etwa sind über viele Jahre streng hierarchische Führungsstrukturen gewachsen. Agile Teams sollen nun dabei helfen, sie aufzubrechen. Aktuell arbeite bereits ein Viertel der IT-Mitarbeiter in solchen Teams, in einigen Jahren will Fiedler einen Anteil von 50 Prozent erreicht haben. "Es geht darum, den Teams mehr Freiheiten und Verantwortung zu geben", gibt sie das Ziel vor.

Wichtig sei dabei die Haltung der Mitarbeiter. Vielen fehle das nötige Selbstbewusstsein für neue Aufgaben, allzu oft würden nur die Probleme gesehen, statt beispielsweise aus eigenem Antrieb ein Projekt anzustoßen. Um gegenzusteuern, greift Fiedler auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen. So führte sie beispielsweise spezielle Armbänder für die Mitarbeiter ein: In fachlichen Diskussionen müssten diese immer dann vom einen auf den anderen Arm gewechselt werden, wenn Kollegen nur kritisieren, statt konstruktive Vorschläge zu machen. Um das Thema Wertschätzung sichtbar zu machen, ließ die IT-Chefin außerdem mehr als 1.000 Motivationskarten mit Aufschriften wie "Jut Jemacht" oder "Alltagsheld/in" drucken. Mitarbeiter können diese ausfüllen und als Dankeschön an Kollegen übergeben oder ins Postfach legen, wenn etwas besonders gut gelaufen ist.

Marathon statt Sprint

Besonders am Herzen liegt Fiedler eine veränderte Fehlerkultur. Gelinge ein Vorhaben nicht auf Anhieb, werde allzu schnell gefragt: "Wer ist daran schuld?" Das Management müsse sich damit auseinandersetzten, wie es eine neue Fehlerkultur vorlebe. Im ITDZ Berlin gibt es dazu zwei neue Meeting-Formate. Eines trägt den Titel: "Stolpern, aufstehen, Ziel erreicht". Mitarbeiter oder ganze Teams werden eingeladen, um offen über Misserfolge und ihre Ursachen zu sprechen. Ein anderes Format steht unter dem Motto: "Stärken stärken". Hier geht es vor allem darum, gelungene Projekte und Erfolgsfaktoren zu präsentieren.

Den kulturellen Wandel sieht Fiedler eher als langfristige Aufgabe, der kaum in zwei bis drei Jahren zu bewältigen sei. Innovationsfähigkeit und Lernbereitschaft seien dafür unabdingbar, aber auch Durchhaltevermögen. "Sprints sind nicht schlecht", sagt sie unter Anspielung auf agile Arbeitsmethoden: "Momentan aber brauchen wir eher Marathonläufer."