Was Unternehmen berücksichtigen sollten

Die Suche nach dem heiligen IaaS-Gral

17.12.2014
Von 


René Büst ist Research Director in Gartners Managed Business and Technology Services Team mit Hauptfokus auf Infrastructure Services & Digital Operations. Er analysiert Entwicklungen im Bereich Cloud Computing (Anbieter von Managed Cloud-Services und Public Cloud sowie Cloud-Strategien wie IaaS, PaaS und Multicloud), digitale Infrastrukturen und Managed Services sowie den Einfluss der digitalen Transformation auf die IT. Seit Mitte der 90er Jahre konzentriert sich Herr Büst auf den strategischen Einsatz der IT in Unternehmen und setzt sich mit deren Einfluss auf unsere Gesellschaft sowie disruptiven Technologien auseinander.

Mythos Datenschutz und Datensicherheit

Seit Edward Snowden und dem NSA-Skandal haben sich zahlreiche Mythen um die Themen Datenschutz und Datensicherheit gebildet. Anbieter, insbesondere deutsche, werben seitdem mit einer höheren Sicherheit und mehr Schutz vor Spionage und anderen Angriffen, wenn die Daten in einem deutschen Rechenzentrum gespeichert werden. Die Krux: geht es um das Thema Sicherheit, werden leider immer wieder zwei Begriffe vermischt, die grundsätzlich unterschieden werden müssen: Die Datensicherheit und der Datenschutz.

Datensicherheit bedeutet die technischen und organisatorischen Maßnahmen umzusetzen, um Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der IT-Systeme sicherzustellen. Public Cloud-Anbieter bieten weit mehr Sicherheit, als es sich ein deutsches mittelständisches Unternehmen leisten kann. Das hängt damit zusammen, dass Cloud-Anbieter gezielt in den Aufbau und die Wartung ihrer Cloud Infrastrukturen investieren und ebenfalls das dafür notwendige Personal beschäftigen und die entsprechenden organisatorischen Strukturen geschaffen haben. Hierzu werden jährlich Milliarden von US-Dollar in die Hand genommen. Es gibt nur wenige Unternehmen außerhalb der IT-Branche, die in ähnlicher Weise in IT-Sicherheit investieren können und wollen.

Beim Datenschutz geht es um den Schutz der Persönlichkeitsrechte während der Datenverarbeitung und den Schutz der Privatsphäre. Dieses Thema sorgt bei den meisten Unternehmen für die echten Kopfschmerzen. Denn beim Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz macht der Gesetzgeber kurzen Prozess. Es geht zunächst also darum, den Cloud-Anbieter für die Einhaltung der im §9 festgehaltenen Regeln im Bundesdatenschutzgesetz in die Verantwortung zu nehmen und dies selbst auf Basis von §11 zu überprüfen. Für die Erfüllung von §11 empfiehlt es sich auf die Gutachten von Wirtschaftsprüfern zurückzugreifen, da kein Anbieter jeden Kunden einzeln ein Audit durchführen lassen kann. Der Datenschutz ist ein absolut wichtiges Thema, schließlich handelt es sich dabei um sensibles Datenmaterial. Es ist aber in erster Linie ein rechtliches Thema, was durch Maßnahmen der Datensicherheit gewährleistet werden muss.

Dass ein Rechenzentrum in Deutschland vor der Spionage befreundeter Staaten oder Angriffe durch Hacker einen besseren Schutz bietet ist und bleibt ein Märchen. Denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Sprich, wenn ein Angreifer an Daten gelangen möchte, dann ist dies einzig und alleine mit der kriminellen Energie verbunden, die er bereit ist aufzuwenden und die finanziellen Mittel, die ihm dafür zur Verfügung stehen. Sind die technischen Herausforderungen zu hoch, dann bleibt immer noch der Faktor Mensch als Option und der ist bekanntlich käuflich.

Nichtsdestotrotz haben US-amerikanische Cloud-Größen die Bedenken deutscher Unternehmen erkannt und haben angekündigt, ihre Services aus deutschen Rechenzentren anzubieten. Darunter Salesforce (Partnerschaft mit T-Systems) sowie VMware und Oracle. Jüngst hat auch Amazon ein Rechenzentrum in Deutschland eröffnet. Allerdings ist zu beachten, dass ein deutsches Rechenzentrum alleine nichts mit einer höheren Datensicherheit zu tun hat. Es erfüllt lediglich

  • die technischen Herausforderungen der Cloud-Connectivity (geringe Latenz, hoher Durchsatz und Verfügbarkeit) und

  • die rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Datenschutzniveaus.

Technische Herausforderungen

Bei dem technischen Assessment eines IaaS-Anbieters sollte grundsätzlich auf die folgenden Eigenschaften geachtet werden:

  • Scale-up- oder Scale-out-Infrastruktur

  • Container-Unterstützung für eine bessere Portabilität

  • OpenStack-Kompatibilität für Hybrid- und Multi-Cloud-Szenarien

Skalierbarkeit bedeutet, dass die Leistung eines Systems durch das Hinzufügen weiterer Ressourcen wie ganzer Rechnersysteme oder granularer Einheiten wie CPU und Arbeitsspeicher erhöht wird. Das System kann dann mit zunehmender beanspruchter Leistung linear mitwachsen. So lassen sich plötzliche Lastspitzen abfangen, das System bricht unter ihnen nicht zusammen. Zu unterscheiden sind Scale-up und Scale-out.
Scale-out (horizontale Skalierung) steigert die Leistung eines Systems, indem man weitere vollständige Rechner (virtuelle Systeme) zum Gesamtsystem hinzufügt, so wie ein Cluster skaliert, indem es immer um die benötigte Anzahl an Rechnern erweitert wird.
Scale-up (vertikale Skalierung) hingegen steigert die Leistung des Systems durch das Hinzufügen weiterer granularer Ressourcen zum Rechnersystem. Dabei kann es sich um Speicherplatz, CPUs oder Arbeitsspeicher handeln. Betrachtet man die Top-Cloud-Anwendungen, handelt es sich derzeit überwiegend um Startup-Applikationen, unkritische Workloads oder komplett neue Entwicklungen, die in der Cloud verarbeitet werden. Zu beachten ist, dass es das Scale-out-Prinzip für Unternehmen beliebig kompliziert macht, ihre Anwendungen und Systeme in die Cloud zu migrieren. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass sie von vorne beginnen müssen, da ein nicht verteilt entwickeltes System nicht so funktioniert, wie es auf einer verteilten Scale-out-Infrastruktur laufen sollte.

IT-Entscheider sollten im Hinterkopf behalten, dass sich ihre IT-Architekten in Zukunft von der unterliegenden Infrastruktur vollständig lösen werden, um Applikationen und Workloads bequem über Anbietergrenzen bei Bedarf hinweg zu verschieben. Container-Technologien wie Docker ermöglichen dies. Die Auswahl eines Anbieters, der Docker unterstützt, ist aus dem Blickwinkel eines IT-Entscheiders somit ein strategisches Werkzeug für die Optimierung von modernen Applikations-Deployments. Docker hilft dabei, die Portabilität einer Anwendung sicherzustellen, die Verfügbarkeit zu erhöhen und das Gesamtrisiko zu minimieren.

Hybrid- und Multi-Cloud-Szenarien sind nicht nur ein Trend sondern spiegeln die Realität wider. Anbieter sollten im Sinne ihrer Kunden handeln und anstatt auf proprietäre Technologien auf Open Source-Lösungen oder einen potenziellen künftigen De-Facto-Standard wie OpenStack setzen. Damit ermöglichen sie die Interoperabilität zwischen den Cloud Service Providern und schaffen damit die Voraussetzungen für ein übergreifendes Ökosystem, bei dem die Anwender einerseits eine bessere Vergleichbarkeit sowie andererseits echte Multi-Cloud-Umgebungen realisieren und verwalten können. Denn nur so können Anwender von den Stärken einzelner Provider und den besten Angeboten am Markt profitieren. Offene Ansätze, wie sie OpenStack verfolgt, fördern die zukünftige Handlungsfähigkeit von IT-Einkäufern über Anbieter- und Rechenzentrumsgrenzen hinweg. Das macht OpenStack zu einem wichtigen Einflussfaktor bei der Anbieterauswahl.

Jeder Weg besteht aus einem individuellen Pfad

Der Weg zum heiligen IaaS-Gral kann je nach Anforderung steinig werden. Insbesondere Enterprise-Workloads sind in der Cloud schwieriger zu handhaben als neuartige Web-Applikationen. Unabhängig davon sollte immer in Betracht gezogen werden, dass Anwendungen die auf IaaS betrieben werden, je nach Anbieter-Infrastruktur, auf der grünen Wiese neu entwickelt werden müssen, um die spezifischen Begebenheiten des Anbieters optimal zu nutzen. Um den individuellen Pfad zu meistern helfen die folgenden Betrachtungsweisen:

  • Die eigenen Applikationen und Workloads kennen und verstehen

  • Datenklassifizierung durchführen

  • Datenschutz nicht mit Datensicherheit verwechseln

  • Cloud-Modell evaluieren: Self-Service oder Managed-Service

  • Hybrid- und Multi-Cloud-Szenarien prüfen

  • Lokale und globale Reichweite einschätzen

  • Cloud Connectivity nicht unterschätzen

  • Container-Technologien für die technologische Freiheit der Applikationen evaluieren

  • OpenStack-Kompatibilität berücksichtigen (bw)