Selbst 1998 mit der Übernahme von Windchill zu PTC gekommen, entwickelte Jim Heppelmann PTC von einem CAD- (Computer Aided Design) und PLM-Unternehmen (Product Lifecycle Management) schrittweise zu einem der führenden IIoT-Anbieter (Industrial Internet of Things). Einer der ersten Schritte in dieser Transformation war die Übernahme der IIoT-Plattform ThingWorx im Jahr 2013. Zwei Jahre später erwarb PTC dann vom Chipriesen Qualcomm die Augmented-Reality-Tochter Vuforia und erweiterte damit den IoT-Bereich. Dieser wurde im Anschluss sukzessiv durch organische Entwicklung sowie kleineren Akquisitionen weiter ausgebaut. Ziel war es: Unternehmen mit umfänglichen Lösungen für den kompletten Produktlebenszyklus zu versorgen, angefangen von der technischen Entwicklung, über die Lieferkette und Fertigung, bis hin zu Vertrieb und Services.
Wie Heppelmann im CW-Gespräch bekräftigte, kommt das von PTC vorgezeichnete Konzept inzwischen auch bei den traditionellen PLM- und CAD-Kunden an. Die Entwicklung nehme Fahrt auf und IoT habe bereits das klassische PLM-Geschäft überholt, erklärt er. Konkret liege CAD an erster Stelle, das zweitgrößte Geschäft gemessen an neu verkauften Lizenzen sei aber IoT und an dritter Stelle komme dann PLM, gefolgt von AR (Vuforia). Anders betrachtet habe AR mit 100 Prozent das stärkste Wachstum im vergangenen Jahr verbucht, so der PTC-Chef. IoT hatte 35 Prozent Wachstum, sei aber vom Volumen her größer. "Der Grund dafür ist klar", sagte Heppelmann: "Weil die Kunden es kaufen."
Um weiter zu wachsen, setzt PTC auf zahlreiche Partnerschaften. Dazu gehört etwa die im vergangenen Herbst getroffene Vereinbarung mit Rockwell Automation, ihre jeweiligen Technologien für die Smart Factory aufeinander abzustimmen und zu einer gemeinsamen IIoT-Lösung "FactoryTalk Innovation Suite powered by PTC" zu kombinieren. Das - inzwischen verfügbare - Angebot umfasst FactoryTalk Analytics, die MOM/MES-Plattformen sowie die ThingWorx-Plattform für industrielle Innovation von PTC. Letztere enthält zudem Kepware für industrielle Konnektivität sowie die AR-Lösung Vuforia, um etwa digitale Arbeitsanweisungen mit Angaben zur aktuellen Leistung sowie einer Wartungshistorie abrufen zu können.
Eine andere wichtige Allianz rund um Augmented/Mixed Reality besteht mit Microsoft: Auf der Mobilfunkmesse MWC Ende Februar war Heppelmann mit auf der Bühne, als die Redmonder die zweite Version der Mixed-Reality-Brille Hololens der Öffentlichkeit vorstellten. Der PTC-Chef präsentierte dabei live am Beispiel des Industriekunden Howden, wie Anwender mit der Authoring-Umgebung von Vuforia Studio ohne Programmierkenntnisse und im Handumdrehen auf Basis vorhandener CAD-Daten-AR/MR-Serviceanleitungen für die Hololens 2 und andere Devices erstellen können.
"AR ist der ideale Weg, um Servicemitarbeitern bei ihren Aufgaben digitale Informationen zu übermitteln", erklärt Heppelmann. "Es bringt große Produktivitätssteigerungen und hilft dabei, die Fehlerquote zu reduzieren." PTC fokussiert sich bei Augmented Reality auf das, was PTC als "die niedrig hängenden Früchte von AR" bezeichnet, nämlich auf die Fertigung von Produkten und damit verbundenen Services. Die Demokratisierung der Technik ist dem PTC-Chef dabei ein wichtiges Anliegen. So biete etwa Vuforia Studio eine Drag-and-Drop-Authoring-Umgebung, die eher einem Tool zur Erstellung von Webseiten ähnele. Hierfür könnten bereits vorhandene CAD-Daten - ganz gleich aus welchem CAD-System - genutzt werden.
Noch einfacher sei die Nutzung von AR mit dem PTC-Tool Vuforia Chalk, erklärt Heppelmann. Dabei handle es sich um eine Video-App, mit der Servicemitarbeiter im Außendienst einen Experten remote zuschalten können. Dieser sei anschließend in der Lage, Objekte im Sichtfeld zu markieren und Anweisungen zur Reparatur geben. "Das ist ein sehr starkes Konzept", schloss er.
Insgesamt hält der PTC-Chef die Menge der Geschäfts- und Anwendungsfälle von AR für grenzenlos: Jedes Werkzeug und jede Maschine, die ein Außendienstmitarbeiter berührt, sollte nicht nur einfach zu überwachen und zu warten sein, sondern sich auch entsprechend programmieren und bedienen lassen. AR sollte in Räumen wie Fabriken oder Krankenhauslabors zum Einsatz kommen, ebenso wie an beweglichen Objekten. Er könne sich sogar für die nicht allzu ferne Zukunft vorstellen, dass AR Teil des täglichen Lebens ist und mit der physischen Welt um sie herum verschmilzt, erklärt er. Sogar Ampeln und Stoppschilder könnten mit AR virtualisiert werden.
Heppelmann rechnet damit, dass solch datenintensive AR-Anwendungen mit der Einführung und Verbreitung von 5G einen weiteren Antrieb erfahren werden. "AR ist immer mobil und bringt immer viele Daten mit sich, manchmal sogar solche, die man nicht sieht. Insofern profitiert AR sicherlich von einer höheren Datenkapazität und einer niedrigeren Latenz", erklärt der PTC-Chef, "und manchmal sogar von der Möglichkeit, in Bereiche vorzudringen, wo normale Mobilfunksignale nicht hinkommen." Der aktuelle Fokus seines Unternehmens liege darauf, Kunden über die Fähigkeiten dieser neuen immersiven Technologien aufzuklären und ihnen dabei zu helfen, AR-Lösungen optimal auf ihre geschäftlichen Herausforderungen und Möglichkeiten abzustimmen.