Zukäufe ja, aber (noch) keine Konsolidierung: Nach wie vor schießen IoT-Plattformen wie Pilze aus dem Boden. Je nach Definition kann man von einer Handvoll bis zu mehreren hundert Plattformen ausgehen. Angesichts der noch geringen Marktreife ist es dabei aber eher unwahrscheinlich, dass eine IoT-Plattform ausreicht, um allen Anforderungen und Wünschen eines Unternehmens rund um die verschiedenen IoT-Anwendungsfälle gerecht zu werden. Die Marktforscher der CXP-Group empfehlen Unternehmen daher, die Use-Cases zu clustern und mit verschiedenen IoT-Plattformen für jede Gruppe zu starten. Bei fortgeschrittener Marktreife könnten sie dann einen Konsolidierungsprozess starten.
IoT-Plattformen nur schwer vergleichbar
Um Unternehmen bei der Auswahl der für sie geeigneten IoT-Plattform(en) behilflich zu sein, hat die CXP-Tochter im PAC Innovation Radar "IoT Platforms in Europe 2017" 60 Anbieter von IoT-Plattformen untersucht und 30 davon einer tieferen Analyse unterzogen. Am Ende konnten sich sechs davon als Klassenbeste in einem oder mehreren Marktsegmenten platzieren, nämlich Bosch SI, GE Digital, IBM, Microsoft, PTC und SAP.
Aber auch bei den Gewinnern gibt es kleine, aber feine Unterschiede: Wie die CXP Group herausfand, sind hier zum einen eher als Generalisten aufgestellte Playern wie Microsoft und SAP, die sich auf verschiedene Anwendungsfelder konzentrieren. Zum anderen gibt es aber noch eine stärker fokussierte Gruppe von Anbietern, die auf bestimmte Use-Cases spezialisiert sind. Diese Gruppe (allen voran Bosch, PTC und GE) gehe Kooperationen mit anderen Playern ein, um passende Lösungen für ihre Kunden zu bieten, falls die Anwendungsgebiete jenseits ihrer Kernkompetenzen liegen.
- IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player. - Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten. - Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit. - Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert. - Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird. - IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können. - Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann. - Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit. - SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing". - Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren. - PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.
Mit Blick auf die verschiedenen Anwendungsgebiete hat das Analystenhaus die Lösungen in ihrem "PAC Innovation Radar IoT Platforms in Europe 2017" in vier Segmente unterteilt. Neben den etablierten Use Cases rund um Device Management, Rapid Application Deployment und Analytics-Anwendungen wurde dabei auch ein neuer Anwendungsfall mit Bezug auf IoT-Betriebssysteme - Device Development - betrachtet.
Device Management: Kernfunktion statt nettes Extra
Dem Studienautor Arnold Vogt zufolge geht es beim Internet der Dinge um zwei Dinge: die Verwaltung von Anwendungen, die wiederum von den Daten der "Dinge" angetrieben werden, und die Verwaltung der "Dinge" selbst. Nach der Definition von PAC sollte eine Plattform entsprechend beide Bereiche adressieren, um als "IoT-Plattform" bezeichnet zu werden. In der Praxis jedoch, so zumindest Vogts Eindruck, dreht sich der IoT-Markt viel stärker um das IoT-Anwendungsmanagement, einschließlich aller damit verbundenen Funktionen rund um Daten & Analytics, als um das IoT-Device-Management.
Aus Sicht der CXP Group ist Geräteverwaltung aber keineswegs nur ein nettes Extra, sondern stellt vielmehr eine Kernkompetenz einer IoT-Plattform dar. Die unterstützten Funktionen ermöglichen es nämlich, IoT-Devices - individuell sowie in großer Zahl - bereitzustellen und wieder zu entfernen, zu überwachen und zu aktualisieren. Außerdem sind Software- und Firmware-Updates, auf IoT-Geräten, die die Gerätesicherheit, Fehlerbehebung und die Aktivierung neuer Funktionen gewährleisten, für viele verschiedene Branchen unternehmenskritisch.
Dies ist umso wichtiger, da das Analystenhaus auf dem heutigen Markt deutliche Unterschiede in der Tiefe der Fähigkeiten von IoT-Plattformen im Bereich Device Management feststellt. Konkret zählt die CXP Group in diesem Bereich Bosch SI, Microsoft und SAP zu den Marktführern ("Best in class"). Hinter den drei Playern befindet sich aber ein dichtes Verfolgerfeld mit "exzellenten" Plattformen wie AWS, Cumulocity, Eurotech, Telit, Relayr und Axiros ("Excellent") sowie starken Lösungen wie Arrayent, Exosite, Xively, GreenWave Systems und Evrythng.
Neue Anwendungsfälle rund um Embedded Devices und LPWAN
Auch wenn sich, wie Studienautor Arnold Vogt hinweist, die technischen Fähigkeiten für verschiedene Anforderungen an IoT-Plattformen überlappen, geht die CXP Group davon aus, dass mit IoT-Plattformen für Device Development ein neues Marktsegment entsteht. So fokussierten sich diese Lösungen auf die Anforderungen von Herstellern, die IoT-Geräte mit eingebetteter Software entwickeln. Mit ihrer Hilfe sind sie in der Lage, neue eingebettete Software für IoT-Geräte zu erstellen und diese Geräte direkt in eine IoT-Plattform zu integrieren. Anschließend können diese über ihren gesamten Produktlebenszyklus hinweg verwaltet und alle entsprechenden IoT-Daten verarbeitet werden.
"Dieses Marktsegment birgt ein riesiges Potenzial", erklärt Vogt. Die Einführung von LPWAN-Konnektivität (Low Power Wide Area Network) wie zum Beispiel LoRa, Sigfox oder Narrowband-IoT öffne die Türen für eine enorme Anzahl neuer Anwendungsfälle rund um kleine eingebettete Geräte, beispielsweise zu Hause, als Wearables, in Fahrzeugen oder der Infrastruktur.
Als Player, die den Bereich adressieren und ihre IoT-Plattform mit ihren eigenen leichtgewichtigen IoT-Betriebssystemen integrieren wollen, nennt Vogt unter anderem AWS, ARM, Google, Huawei, Microsoft, Samsung, Siemens oder Intel-Tochter Windriver.
Aus Sicht der CXP Group ist es dabei keine Überraschung, dass große, bekannte Anbieter wie beispielsweise Microsoft hier vertreten sind - die Company sehen sie aktuell sogar als Marktführer in diesem Bereich. Überraschender ist für die Analysten die Präsenz von AWS und Siemens. So wurde Siemens erst kürzlich mit der Übernahme von Mentor Graphics und dessen IoT-Betriebssystem "Nucleus RTOS" zu einem relevanten Anbieter. AWS wiederum ist seit kurzem dank der Einführung von "AWS Greengrass" in diesem Marktsegment aktiv. Die CXP Group ist aber davon überzeugt, dass beide Akteure rasch ihre Fähigkeiten rund um die eigenen IoT-Plattformen und IoT-Betriebssysteme weiter ausbauen werden.
IoT-Plattformen: Mittelfristig entscheidet das Ökosystem
Studienautor Vogt weist jedoch darauf hin, dass es sich bei dem Ranking nur um eine Momentaufnahme handelt. Der Markt befinde sich im Fluss, wobei Features und Funktionen nicht als alleiniges Kriterium zu sehen seien. Wichtiger sei vielmehr eine Langzeitbetrachtung, denn vor allem das Ökosystem entscheide, ob ein Player mittelfristig auf dem Markt eine Rolle spielt.