Die IDG-Studie "IT-Freelancer 2021" in Kooperation mit Ferchau, Etengo, Hays, Modis Contracting Solutions und Gulp kam zur rechten Zeit - ein gutes Jahr nach Ausbruch der Pandemie bietet sie Rückblick und Ausblick zugleich. Übertragen auf die Autobahn, stellt sich die Situation für viele IT-Freiberufler und ihre Auftraggeber so dar: erst Vollbremsung, dann Vollgas.
Für Etengo-Vorstand Alexander Raschke fällt die Bilanz der IDG-Studie jedenfalls eindeutig aus: "Die wichtigste Erkenntnis ist der Fakt, dass sich IT-Freiberufler mit ihrem speziellen Fachwissen als tragende Säule der digitalen Revolution empfehlen." Die schnelle Verfügbarkeit und hohe Flexibilität der Experten hätten sich gleichsam zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen für Kunden entwickelt. Mit Folgen: Viele Unternehmen tätigen jetzt Investitionen in IT-Infrastrukturprojekte, um ihren Digitalisierungsgrad innerhalb der Wertschöpfungskette zu erhöhen. "Damit wächst die Bedeutung der externen IT-Fachkräfte weiter."
Ein Graben zwischen Soll und Haben
Dass sich der Markt der IT-Fachkräfte nach Corona noch angespannter als zuvor darstellt, ist kein Geheimnis - aktuelle Umfragen an anderen Stellen bestätigen die wachsende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage. "Die Pandemie mit allen Ihren Auswirkungen hat den Nachholbedarf in der Digitalisierung nochmals eindeutig aufgezeigt, und die Anzahl der Fachkräfte sinkt perspektivisch - kein Wunder, dass es zwangsläufig zu Engpässen kommt", berichtet Marco Thomas, der das Geschäftsfeld Freelance bei Ferchau kommissarisch leitet. Sowohl KMU als auch große Unternehmen hätten trotz des Wirtschaftseinbruchs 2020 keine merkliche Erleichterung bei der Suche und Beschaffung von IT-Fachkräften und IT-Kompetenzen erfahren.
- Marco Thomas, Komm. Leiter Geschäftsfeld Freelance FERCHAU
„Wir erwarten für 2021 sowie in den Folgejahren eine deutliche Auslastungssteigerung im Bereich der Freelancer. Es lässt sich eine Tendenz hin zu größeren und langfristigeren Projekten erkennen, insbesondere bei Großkunden beziehungsweise Institutionen aus dem öffentlichen Sektor. Für viele Freelancer bieten dann Personaldienstleister den notwendigen Rahmen, um an solchen Projekten bei Großkunden teilzunehmen. Die Risikoaffinität der Kunden gegenüber Freiberuflern hemmt oft die direkte Beauftragung des Lieferanten durch den Kunden, zumal aus seiner Sicht Personaldienstleister eine bessere Lieferfähigkeit bieten.“ - Alexander Raschke, Vorstand Etengo
„Vor dem Hintergrund einer immer flexibler werdenden Arbeitswelt ist die Zusammenarbeit mit IT-Freiberuflern für Unternehmen essenziell und erfolgskritisch zugleich. Wer Freiberufler nur dann einsetzt, wenn es keine interne Alternative gibt, hat eine längst überholte Vorstellung davon, wie Projektarbeit heute im Mixed-Teams-Ansatz funktioniert.“ - Kai Becker, Director Public Services Hays
„Soloselbstständige waren während der Corona-Pandemie in aller Munde. Es wirkt fast so, als wäre durch die Krise der Zusammenhang zwischen Mensch und Technik noch deutlicher geworden. Unternehmen setzen klar auf den Einsatz von Freiberuflern – die Digitalisierung und damit die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland ist ohne sie nicht zu stemmen. Ich würde mir wünschen, dass wir als Branche die Sichtbarkeit von Freiberuflern und Ihren wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft weiter hochhalten. Das Momentum dürfen wir nicht verlieren!“ - Marcel Abel, Geschäftsführer modis
„Freiberufler bieten für Unternehmen einen Mehrwert, indem sie spezielles Know-how mitbringen. Die Möglichkeit, Projekte fremd zu vergeben, unterstützt zudem das notwendige Maß an Flexibilität. Gleichzeitig wird das Risiko des vorschnellen Ressourcenaufbaus innerhalb des aktuell noch volatilen Umfelds vermindert. Somit haben Firmen mit Freelancern ein geeignetes Mittel zur Verfügung, um mit zusätzlichem Wissen eine angestrebte Skalierung vorzubereiten und vorerst möglichst risikoarm zu wachsen. Im Gegenzug ist es für IT-Freelancer empfehlenswert, zukunftsorientiert zu denken und sich möglichst auf die Wachstumsbranchen zu konzentrieren. Wir als Unternehmen wollen gemeinsam mit unseren Kunden und Freelancern als Geschäftspartner maßgeblich die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben.“ - Ertan Demirel, Geschäftsführer GULP
„Die Zeit nach Corona werden einige Unternehmen nutzen, um eine digitale, aber auch kulturelle Bestandsaufnahme zu machen. Nie hat sich mehr gezeigt, wo es in einer Firma Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung gibt als in den vergangenen 18 Monaten. Das wird sich auch in der Nachfrage nach externen Digitalisierungsexperten bemerkbar machen. Gleichzeitig können sich viele Mitarbeiter nicht vorstellen, nach den Monaten im Homeoffice wieder fünf Tage die Woche zurück ins Büro zu kommen. Hybride Arbeitsformen und Desk-Sharing sorgen ebenfalls dafür, dass die IT-Abteilungen deutlich mehr personelle Ressourcen benötigen, beispielsweise bei der Beschaffung und Inbetriebnahme von Hardware oder für den IT-Support der Kollegen im Homeoffice.“
Veränderung der Auslastung
Zwar wirkte sich die Corona-Pandemie erkennbar auf das Projektgeschehen und die Auslastung von Freiberuflern aus, sagt Marcel Abel, Geschäftsführer bei modis, über die IDG-Studie. "Allerdings konnten wir 2020 keinen pauschalen Rückgang der Nachfrage verzeichnen - die Auslastung hat sich vor allem branchenspezifisch verändert." Während der Maschinenbau und das Retail-Segment einen Rückgang erfuhren, habe es eine verstärkte Nachfrage in den Bereichen Logistik und Telekommunikation gegeben. Entsprechend verlagerte sich auch die Auslastung, sodass IT-Experten mit dem gleichen Skillset unterschiedlich nachgefragt werden.
Zur Studie 'IT-Freiberufler 2021' im Aboshop
Immer in Bewegung bleiben
Ähnlich argumentiert auch Alexander Raschke, Vorstand der Etengo AG. "Die laut Studie reduzierte durchschnittliche Freelancer-Auslastung von 190 auf 165 Tage kann man unserer Meinung nach nicht pauschalisieren." Entscheidend für die Einordnung dieser Auslastungsspanne seien der Erfahrungshorizont und vor allem auch die Spezialisierung der Freiberufler. Kunden würden heute verstärkt hochspezialisierte Experten nachfragen, um ihre immer komplexer werdenden Digital- und IT-Projekte zu realisieren. "Daher sollte sich ein Freelancer insbesondere auch in seiner Spezial-Disziplin weiterentwickeln, vor allem wenn er erkennt, welchen Bedarf seine Auftraggeber daraus aktuell ableiten."
"Die Mischung macht's"
Dass der Bedarf konkret ist, hat auch die IDG-Studie nachgewiesen: Demnach kommen externe IT-Experten in 78 Prozent der befragten Unternehmen zum Einsatz. "Ohne Externe geht es nicht, sie sind ein wichtiger Bestandteil in den IT-Teams der Unternehmen", bestätigt Ertan Demirel, Geschäftsführer von Gulp. Besonders interessant findet er die Zusammensetzung der IT-Abteilungen, die inzwischen im Schnitt fifty-fifty aus internen und externen Kollegen bestehen. Dass sich der Anteil der Externen gleichmäßig aus Freelancern, Zeitarbeitskräften und Experten aus System- und Beratungshäusern zusammensetzt, zeige laut Demirel: Die Mischung macht's. "Als Personaldienstleister müssen wir in der Lage sein, unsere Kunden umfassend zu beraten, um ihnen genau den richtigen Experten in der passenden Vertragsform zu vermitteln."
Mehr Nachfrage, mehr Auslastung
Für die kommenden Quartale geht die positive Entwicklung der Auslastung weiter, erwartet Ferchau-Manager Thomas: "Erkennbar ist eine Tendenz hin zu umfangreichen und langfristigeren Projekten, insbesondere bei Großkunden beziehungsweise Institutionen aus dem öffentlichen Sektor." Hier würden Personaldienstleister den notwendigen Rahmen bilden und Lieferfähigkeit gewährleisten, damit Freelancer an derartigen Projekten teilnehmen können. Von einem stark anziehenden Markt "mindestens auf Vor-Corona-Niveau" berichtet Kai Becker, Director Public Services bei Hays. Besonders gefragt seien Berater, die sowohl die Fach- als auch die IT-Seite verstehen - also die methodischen Experten als Übersetzer zwischen Technik und Fachlichkeit mit strategischem Überblick und koordinativen Talenten. Daneben stechen technische Skills hervor wie Big Data/Analytics/Data Science, die obligatorische Cloud, DevOps, Industrie 4.0 oder die Beratung bei der S/4HANA-Transformation, so Becker. "Viele IT-Freiberufler können es sich leisten, in ihren Projekten wählerisch zu sein."
Weiterbindung und Flexibilität
"Eine hohe Nachfrage und eine starke Ausgangsposition für Freelancer erfordern jedoch auch Umsicht", so der Hays-Manager. Viel wichtiger als die rein fachliche Expertise sei die Bereitschaft, sich ständig in Technologien einzuarbeiten und methodisch in unterschiedlichen Arbeitsformen fit zu sein. "Jeder IT-Freiberufler muss die individuelle Zukunftsfähigkeit und damit auch den eigenen Marktwert im Fokus haben und diesen bei jeder Entscheidung für oder gegen ein Projekt in den Mittelpunkt stellen." Lebenslanges Lernen gelte umgekehrt aber auch für Organisationen - Modis-Manager Abel, der Nachfragespitzen auch weiterhin bei den drei Fachrichtungen IT-Security, Cloud und Digitalisierung erwartet, empfiehlt Unternehmen neben externen Experten spezialisierte Ausbildungswege, Schulungsmöglichkeiten und interne Akademien, um den Bedarf zu decken.
Freeshore, Nearshore und Offshore
Neue Arbeitsformen, neue Beschaffungskanäle, andere Produktionsketten: Die Not, entsprechende Veränderungen schnell umzusetzen und die Digitalisierung voranzutreiben, hat den Bedarf an IT-Fachkräften rasant gesteigert. Um die neu geschaffenen Strukturen auch konsequent aufrecht erhalten zu können und konkurrenzfähig zu bleiben, wird der Bedarf an entsprechenden Spezialisten in der Tendenz noch weiter steigen, prognostiziert Modis-Geschäftsführer Abel. Mit weiteren Folgen: "Besonders durch den hohen Anteil an Remote Work und den nicht verfügbaren Ressourcen vor Ort haben sich die Tore für Nearshore- und auch Offshore-Lösungen geöffnet." Gab es noch vor einiger Zeit die klare Tendenz zur Bevorzugung von Kandidaten mit räumlicher Nähe, ist Abel zufolge nun eine größere Akzeptanz für die länderübergreifende Zusammenarbeit vorhanden. "Corona hat der digitalen Transformation einen deutlichen Schub verliehen und aus der Notwendigkeit heraus haben sich neue Formen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben."
Mehr Recht als Sicherheit
Trotz aller Euphorie hat die IT-Freelancer-Studie auch den hohen Stellenwert der Rechtssicherheit bei der Beauftragung selbstständiger Dienst- und Werkleistungen für alle Marktbeteiligten unterstrichen. "Dass die Bestätigung so deutlich ausfiel, ist ein klares Zeichen dafür, dass Deutschland Rechtssicherheit für den Einsatz von freiberuflichen Experten braucht", bilanziert Hays-Manager Becker. Die größte Herausforderung liege darin, Rechtssicherheit auch bei zunehmender Agilität in den Projekten herzustellen. Keine Frage: Die genaue Beurteilung, ob IT-Experten selbstständig sind oder Arbeitnehmer, ist nach wie vor komplex. "Die relevanten Rechtsgrundlagen sind über 100 Jahre alt und hatten Themen wie Digitalisierung und moderne, agile Arbeitsmethoden nicht im Blick", ergänzt Etengo-Vorstand Alexander Raschke. Dies erschwere transparente, vorhersehbare und zeitgemäße Beurteilungen des Status "selbstständig".
Meta-Thema Scheinselbstständigkeit
Auch Gulp-Manager Demirel sieht das größte Problem weiterhin in Diskussionen rund um das Thema Scheinselbstständigkeit. So sei das aktuelle Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund weiterhin nicht rechtssicher, was natürlich für Verunsicherung auf Auftragnehmer- und Auftraggeberseite sorge. "Zwar hat der Bundestag im Mai eine Überarbeitung des Verfahrens beschlossen, doch das größte Manko - fehlende trennscharfe inhaltliche Kriterien, um zwischen abhängig Beschäftigten und Selbstständigen zu unterscheiden - bleibt weiterhin bestehen." Ein weiterer Diskussionspunkt sei auch das Thema "Rentenversicherungspflicht für Selbstständige", die in dieser Legislaturperiode trotz Ankündigung nicht mehr umgesetzt werde, so Demirel: "Die meisten soloselbstständigen IT-Experten stehen dieser Pflicht äußerst kritisch gegenüber, denn für sie gibt es deutlich attraktivere Altersvorsorgemethoden als eine staatliche Rentenversicherung - es bleibt also spannend."
Unterstützung in Compliance-Fragen
So setzen sich Unternehmen der Branche seit Jahren etwa im Bundesverband für Selbständige Wissensarbeit e.V. dafür ein, Klarheit zu schaffen und die Selbstständigkeit zu fördern, um den Auftraggebern das benötigte Expertenwissen der Freelancer flexibel zugänglich zu machen. Da sich auf der anderen Seite viele Firmen mit dem Compliance-Prozess schwertäten, weil sie kaum eigene Expertise im Haus haben, sehen sie die Zusammenarbeit mit Freelancern durchaus als Risiko an. Eine Steilvorlage für die Branche, findet Ferchau-Manager Thomas: "Personaldienstleister können einen signifikanten Mehrwert für Unternehmen und Freelancer bieten, da sie die Steuerung des Projekts sowie die Sicherstellung der Compliance maßgeblich unterstützen."
Zur Studie 'IT-Freiberufler 2021' im Aboshop
Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Gold-Partner: Ferchau GmbH
Silber-Partner: Etengo AG; Hays AG; Modis Contracting Solutions GmbH
Bronze-Partner: GULP Information Services GmbH
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage
Gesamtstichprobe: 437 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Stichprobe 1: Einsatzunternehmen: 316 qualifizierte Interviews
Stichprobe 2: Externe IT-Fachkräfte: 121 qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 8. März bis 22. April 2021
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services