Blockchain im Finanzsektor
Ursprüngliche Ideen zur Anwendung von Blockchain-Technologien setzten sich insbesondere mit der Möglichkeit auseinander, durch dezentrale Verarbeitung von Transaktionen Intermediäre überflüssig zu machen, wie zum Beispiel traditionelle Banken, Zahlungsverkehrsdienstleister und Börsen. Inzwischen habe aber gerade Anwendungen bei diesen Intermediären die größte Reife entwickelt, mit den Kosten gesenkt werden sollen. So schätzt die Bank Santander das Potenzial für die Kostensenkung im Zahlungsverkehr auf 15 bis 20 Milliarden US-Dollar jährlich.
Mehr als 70 Unternehmen haben sich im Corda-Konsortium zusammengeschlossen, um Transaktionen in der Finanzindustrie abzubilden, um eine private Blockchain für den Einsatz in der Finanzindustrie zu schaffen.
Die beiden größten Kreditkartenunternehmen haben kürzlich über ihre geplanten Blockchain-Aktivitäten informiert. Visa teilte im Oktober 2016 mit, dass gemeinsam mit dem Startup Chain der Einsatz einer Blockchain geplant sei, um den internationalen Zahlungsverkehr zu vereinfachen. Im November 2016 informierte Mastercard über den experimentellen Einsatz von Blockchain-Technologie.
Es wird erwartet, dass im nächsten Jahr amerikanische Finanzunternehmen den Schritt von Proof-of-Concepts zu ersten, eingeschränkten Rollouts von Blockchain-Anwendungen vollziehen werden.
Corda, ein großes Blockchain-Projekt, das von einem Konsortium von mehr als 70 Unternehmen gestartet wurde, um Finanzgeschäfte in einer Blockchain abzubilden, wurde im November letzten Jahres Open Source. Corda wurde an Hyperledger übergeben, einem Projekt der Linux Foundation, das von mehr als 100 Organisationen unterstützt wird, darunter IBM, J. P. Morgan und Airbus. Dessen Ziel ist es, die Blockchain-Technologie voranzubringen und branchenübergreifende, offene Standards zu schaffen, um die Art und Weise zu transformieren, mit der bisher Geschäftstransaktionen global getätigt wurden.
Supply (Block-)Chain
Supply-Chains sind von komplexen, vielfach internationalen Logistik- und Finanztransaktionen geprägt und basieren vielfach auf Papierdokumenten. Das führt zu ineffizienten und intransparenten Prozessen mit Betrugsrisiken. Blockchain-Experten gehen daher davon aus, dass nach den ersten Anwendungen in der Finanzindustrie Anwendungen für Supply Chains folgen werden.
Das weltgrößte Bergbauunternehmen BHP Billington plant den Einsatz der Ethereum-Blockchain zur Verbesserung des Supply-Chain-Prozesse.
Das Unternehmen Project Provenance hat ein System erdacht, das Blockchain-Technologien nutzt, um die Nachvollziehbarkeit von Zertifizierungen von Produkten entlang der Supply-Chain zu gewährleisten.
Das Projekt CargoChain hat den Deloitte-Hackathon gewonnen. Dieses bildet wichtige Dokumente sicher und unveränderbar in einer Blockchain ab, um so die vertraglichen Beziehungen zwischen Handelspartnern in internationalen Supply Chains zu vereinfachen. Vielfach beruhen diese noch auf Papierdokumenten, die versendet werden müssen und durch Fälschung zu Verlusten in Millionenhöhe beitragen.
IBM bietet eine Plattform zum Testen von Protokollierungsprozessen in einer Blockchain für Supply Chains an, um die Verfolgung von wertvollen Gütern durch Supply-Chains verfolgen zu können.
Blockchain im Internet of Things
In den nächsten Jahren wird das Internet von Geräten dominiert, die ohne direktes Eingreifen von Benutzern vielfältigste Services austauschen. In diesem Internet of Things können Geräte auf Basis von Blockchain-Technologien sicher Daten austauschen und für die Nutzung dieser Services bezahlt werden. Blockchains ermöglichen dabei auch die effiziente Bezahlung von kleinsten Beträgen, sogenannte Micropayments.
Ein Konsortium, an dem unter anderem RWE beteiligt ist, plant die Protokollierung von Daten zur Energieerzeugung aus Solarkraftwerken auf der Blockchain.
IBM bietet eine Plattform für IoT und Blockchain an und hat im Oktober Investitionen in Höhe von 200 Millionen US-Dollar in die weitere Entwicklung von Watson IoT und Blockchain am Standort München verkündet.
Healthcare-Blockchain
Experten gehen davon aus, dass in den USA mangelnde Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen zur Verwaltung von Gesundheitsdaten jährlich 190.000 Tote und Kosten in Höhe von 18,6 Milliarden US-Dollar verursacht. Einen wichtigen Beitrag dazu kann die Nutzung von Blockchain-Technologien zur Verwaltung von Gesundheitsdaten leisten.
Im Oktober 2015 wurde bekannt gegeben, dass Philips mit dem Blockchain-Unternehmen Tierion zusammenarbeitet, um Patientendaten in einer Blockchain zu speichern. Dazu hat Philips Anfang 2016 eigens das Philips Blockchain Lab in Amsterdam gegründet.
Im Oktober 2016 gab Hyperledger die Gründung der Hyperledger Healthcare Working Group (HLHC Working Group) bekannt. Damit soll es Patienten einfacher gemacht werden, ihre Patientendaten Dritten zugänglich zu machen.
Wo steht Blockchain?
Zunächst ist festzuhalten, dass das Thema Blockchain in den Medien und auch bei den Investoren das Thema Kryptowährungen überholt hat. Allein in der Finanzindustrie werden 2016 über eine Milliarde US-Dollar in Blockchain investiert. Regierungen und Großunternehmen sind weniger an Blockchain interessiert, weil sie digitale Währungen nutzen wollen, sondern weil sie mit anderen Daten arbeiten wollen. Blockchain zählt laut Crisp Research im Jahr 2017 - und darüber hinaus - zu den zehn strategischen IT- und Technologietrends, mit denen sich CIOs, CTOs und Digitalisierungsentscheider beschäftigen sollten. Auch wenn das Thema von einem großen medialen Hype begleitet wird und sich die Technologien und Services noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, bietet Blockchain eben jenes "Disruptionspotenzial", um Geschäftsmodelle, Prozesse und Transaktionen nachhaltig zu verändern und zu erneuern.
Blockchain-Technologie einsetzen?
Blockchain ist nicht als Webtechnologie, sondern als eine neue Evolutionsstufe des Internets zu betrachten. Ähnlich wie das World Wide Web - das einen allgemeinen Zugang zu Internet und E-Commerce ermöglichte - stellt die Blockchain-Technologie eine neue Schicht des Internets, den Trust-Layer, dar. Dies ermöglicht Akteuren, die sich nicht kennen und vertrauen müssen, ohne Intermediäre im Internet sicher und effizient geschäftliche Transaktionen durchzuführen.
Aber auch ohne diese hochgestellte Zielsetzung bietet die Blockchain große Potenziale für die dezentrale und kosteneffiziente Abwicklungen für Transaktionen in verschiedenen Industrien oder auch im öffentlichen Sektor. Blockchains entstehen in vielfältigen Varianten: öffentliche und private Blockchains, proprietäre und Open-Source-Blockchains mit unterschiedlichsten Eigenschaften. Zudem entwickelt sich die Technologie rasant weiter. Was ist bei der Auswahl der geeigneten Blockchain für die eigenen Use Cases zu beachten?
Gemeinsamer Kern aller Blockchains ist die dezentrale Speicherung nicht veränderbarer Daten. Unterschiede ergeben sich zum Beispiel beim Benutzerkreis, der Validierung, dem verwendeten Konsensmechanismus und der Transaktionsgeschwindigkeit. Zunächst sollten sich potenzielle Anwender der Blockchain-Technologie vor dem Hintergrund ihrer Use Cases einen Überblick über die verschiedenen Blockchains und Anbieter verschaffen und die Vor- und Nachteile im Hinblick auf die geplante Anwendung abwägen. Dabei sollten alle Beteiligten ein klares und gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was sie unter dem Begriff Blockchain verstehen.
Zu beachten ist dabei, dass sich aktuell eine Vielzahl von Blockchain-Ansätzen etabliert und noch ungewiss ist, welche dieser Ansätze sich durchsetzen werden. Daher sollten Unternehmen sehr genau auf die Details achten, wenn sie sich mit Blockchains auseinandersetzen und die weitere Entwicklung beobachten. (fm)