Mit der im Mai 2014 unter dem Titel RL 2014/55/EU verabschiedeten Richtlinie machte die EU den Empfang und die Weiterverarbeitung elektronisch eingehender Rechnungen für die öffentliche Hand verpflichtend. Dadurch änderte sich die allgemeine Wahrnehmung zu diesem Thema und die E-Rechnung bekam deutlich Auftrieb.
Es geht nun nicht mehr darum, ob sich eine Umstellung lohnt, sondern wie sich diese in der verbleibenden Zeit umsetzen lässt. Denn laut der Richtlinie müssen alle öffentlichen Auftraggeber bis 2019 in der Lage sein, elektronische Rechnungen im definierten Standard zu empfangen und zu verarbeiten. Die technischen Voraussetzungen für die Rechnungsannahme sollen durch das Europäische Normierungsgremium CEN bis spätestens 27. Mai 2017 definiert werden.
Gesetzesentwurf vom Bundeskabinett verabschiedet
Der am 13. Juli vom Bundeskabinett veröffentlichte Gesetzesentwurf soll die EU-Richtlinie in die nationale Gesetzgebung umsetzen. Für die rechnungsstellenden Unternehmen der Bundesverwaltung erwartet das Bundesministerium des Innern (BMI) dadurch Einsparungen von bis zu 11 Millionen Euro jährlich. Als weitere Vorteile nennt das BMI die Schonung von Ressourcen, die Vermeidung von Medienbrüchen durch die unmittelbare elektronische Übertragung von Rechnungsdaten an die Bundesstellen und die Schaffung durchgängiger konsistenter Prozesse von der Bestellung bis zur Bezahlung.
Der Zeitplan für die Umsetzung ist eng gesteckt:
Die Vorschriften zur elektronischen Rechnungsstellung, die im E-Government-Gesetz des Bundes gelistet sind, treten ab dem 27. November 2018 für Bundesministerien und Verfassungsorgane in Kraft.
Für alle übrigen Behörden gilt die Neuregelung ab dem 27. November 2019.
Öffentliche Auftraggeber sind nun in der Pflicht, sich entsprechend vorzubereiten, damit sie den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen fristgerecht garantieren können.
Auch Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber betroffen
Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie betrifft ausschließlich Stellen des Bundes, inklusive der dem Bund zuzurechnenden Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber. Allerdings müssen die Länder ergänzende Gesetze für die von der Richtlinie betroffenen Landes- und Kommunalstellen erlassen.
Aus Gründen der Sachnähe sind laut Gesetzesentwurf auch die "auf Landes- und Kommunalebene angesiedelten Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber eingeschlossen. Das sind zum Beispiel privatisierte Einrichtungen der Energieversorger, des öffentlichen Personennahverkehrs sowie der sonstigen Daseinsvorsorge. Darunter fallen beispielsweise Unternehmen, die Gas und Wasser, Elektrizität und Wärme bereitstellen oder Verkehrsleistungen erbringen. Diese Definition ist laut Steffen Bernius vom Beratungshaus Bonpago schwierig. "Es ist nicht einfach, herauszufinden, wer pauschal unter diese Definition fällt. Im Einzelfall sollte jedes Unternehmen prüfen, ob eine Zugehörigkeit vorliegt", so der Experte für elektronischen Rechnungsaustausch in der Öffentlichen Verwaltung.
Detailfragen noch ungeklärt
Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzesentwurfs ist die Definition des Begriffs der elektronischen Rechnung. Laut Entwurf sollen lediglich solche Rechnungen erfasst werden, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, um die automatische und elektronische Verarbeitung zu ermöglichen. Die Neuregelung sieht vor, dass die Bundesregierung per Rechtsverordnung weitere Detailanforderungen hinsichtlich der elektronischen Rechnungsstellung, des zu verwendenden Rechnungsdatenmodells sowie zur Verbindlichkeit der elektronischen Form regeln kann.
"Eine solche Verordnung ist bisher noch nicht erlassen worden. Das heißt, nach wie vor sind wichtige Detailfragen ungeklärt", so Bernius. "Beispielsweise ist nicht klar, wie das strukturierte elektronische Format aussehen wird. Handelt es sich um ein reines Datenformat ohne Sichtformat oder eine Kombination aus einem strukturierten Format mit einer Bilddatei, wie es beispielsweise beim ZUGFeRD-Format der Fall ist?"
Ungeklärt ist darüber hinaus, ob es in Deutschland, wie bereits in Österreich, Italien, Dänemark und den Niederlanden praktiziert, eine Verpflichtung der Lieferanten geben wird. "Wird eine uneingeschränkte Verpflichtung über alle föderalen Ebenen und ohne Freigrenzen angenommen, müssten jährlich tausende Lieferanten geschätzt 200 Millionen E-Rechnungen im Jahr an die Verwaltung erzeugen und verschicken. Und die Verwaltungen müssten diese dann auch annehmen und elektronisch weiterverarbeiten", erläutert Bernius. Das Scannen von Rechnungen und das Auslesen von Rechnungen mithilfe von OCR-Lösungen würde dadurch obsolet.
Kommunen sind noch nicht bereit
Viele Kommunen sind noch nicht bereit für die elektronische Rechnung. Das ergaben zwei gemeinsame Forschungsprojekte der Goethe-Universität Frankfurt und Bonpago. "Es ist nicht so, dass die Bereitschaft zur Umstellung fehlt. Eine Beschäftigung mit dem Thema findet schon länger in den entsprechenden Stellen statt. Was fehlt, sind häufig die prozessualen und technischen Voraussetzungen, gerade in den Kommunen", so Bernius.
Die Herausforderung liegt jedoch bei den Investitionskosten. Für die Umsetzung der E-Rechnung braucht es die drei technische Komponenten
elektronischer Rechnungseingang,
digitaler Rechnungsworkflow und
revisionssicheres digitales Archiv.
"Diese drei Komponenten müssen zur Erfüllung der EU-Richtlinie bei den entsprechenden Stellen zu 100 Prozent einsatzbereit sein. Das ist ein straffer Zeitplan", so die Einschätzung von Bernius. Im ersten Schritt empfiehlt er, zunächst ein Lösungsmodell zu entwickeln und anschließend einen geeigneten Lösungsanbieter zu wählen. Idealerweise sollten bei dieser Entscheidungsfindung Einkauf, Rechnungswesen und die IT-Abteilung mit eingebunden werden.
Wege zur E-Rechnung
Ein Patentrezept für die Umstellung auf die E-Rechnung gibt es nicht. Sowohl Im Hinblick auf die notwendigen Prozessveränderungen als auch bei der Auswahl der Lösungsanbieter muss individuell entschieden werden, denn die Wege zur E-Rechnung sind vielfältig. Bei der Entscheidungsfindung gilt es die Organisationsstrukturen, die eingesetzten Systeme und die Anzahl der eingehenden Rechnungen zu berücksichtigen.
Fazit
Die heiße Phase zur Umsetzung des E-Rechnungsgesetzes hat bereits begonnen, das zeigen die steigenden Anfragen bei den spezialisierten Beratungshäusern. Viele Verwaltungen sehen die E-Rechnung eher als Chance, um moderne E-Government-Prozesse einzuführen, denn als lästige Pflicht. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um umzustellen. In ein paar Jahren wird der elektronische Rechnungsaustausch selbstverständlich sein. Auch um Potenziale im Hinblick auf Liquiditätsmanagement und Big Data Analysen zu heben, ist es sinnvoll, Daten elektronisch auszutauschen. Die Umstellung auf das in Zukunft gültige strukturierte elektronische Format kann dann auch nachträglich erfolgen", so Bernius.