CIO-Magazin: Nicht nur die internationale Staaten-Welt, auch jedes einzelne Unternehmen war auf die Covid-19-Pandemie und den daraus resultierenden monatelangen Ausnahmezustand nicht vorbereitet. Welche Strategie empfehlen Sie angesichts dieser Situation den CIOs? Schließlich kostet die Digitalisierung Geld - und viele Unternehmen wissen derzeit nicht, ob sie überhaupt überleben.
Chris Bedi: Es finden sich vereinzelte Gewinner der Krise wie beispielsweise die Video-Konferenz-Plattform Zoom, und es gibt auf der anderen Seite beispielsweise die Luftfahrtindustrie, den Tourismus und die großen Messen, deren Geschäfte nahezu zum Erliegen gekommen sind. Für die meisten anderen Branchen bewegt sich das Ausmaß der Krise irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Entscheidend ist: Covid-19 hat die Transformation der meisten Unternehmen auf dramatische Weise beschleunigt. Wer vorher in Sachen Digitalisierung schon gut aufgestellt war, hatte hier einen immensen Vorteil.
Jetzt, während der Pandemie und auch nach deren Ende bedeutet dies für den CIO: Er muss die richtige Balance finden zwischen notwendigen Sparmaßnahmen und weiterhin erforderlichen Investments in die Digitalisierung. Denn der zukünftige Erfolg liegt noch viel stärker im Wachstum digitaler Services. Viele CIOs, mit denen ich aktuell spreche, bestärken mich in dieser Auffassung. Sie suchen nach wirksamen Lösungen, mit denen sie die Produktivität des Unternehmens sowie ihrer IT erhöhen und dadurch die Betriebskosten reduzieren können. Es geht also um die Vereinfachung und Verschlankung der Prozesse in nahezu allen Unternehmensbereichen. Vereinfacht ausgedrückt ließe sich sagen: Automatisierung spart Geld. Die dadurch frei werdenden Mittel können die CIOs dann zumindest teilweise dazu verwenden, beim Tempo der Digitalisierung nicht nachzulassen.
CIO-Magazin: Die Digitalisierung ist also alternativlos.
Chris Bedi: Die Realität sieht doch so aus: Die Arbeitsweise von Mitarbeitern und damit Unternehmen hat sich fundamental verändert und wir leben längst in der von vielen propagierten Zukunft. Digitalisierung war insofern vor Covid-19 alternativlos und ist es danach auch. Die Pandemie hat die Unternehmen lediglich gezwungen, noch mehr den Fokus darauf zu legen, um gewissermaßen eine Business Continuity zu sichern. Der Weg führt insofern nur über eine weitere Transformation. Es geht dabei in erster Linie um die Geschwindigkeit, Effizienz und Stabilität in den digitalen Prozessen.
CIO-Magazin: Unabhängig von Covid-19: Was sind für Sie die wichtigsten Veränderungen, die die Digitale Transformation bisher gebracht hat?
Chris Bedi: Es geht immer um die Geschwindigkeit, Effizienz und Stabilität in digitalen Prozessen. Vor diesem Hintergrund konnte man in den In den zurückliegenden 18 Monaten vier einschneidende Veränderungen beobachten.
Erstens sind Artificial Intelligence und Machine Learning längst keine Themen mehr, mit denen sich nur die elitäre Wissenschaft beschäftigt. Diese Technologien sind jetzt in den Unternehmen und damit im realen Business angekommen.
Zweitens redet man nicht mehr nur über die Digitalisierung. Alle in die Zukunft denkenden Firmen haben inzwischen eine konkrete Umsetzungs-Roadmap mit ehrgeizigen Zielen und Zeitplänen implementiert.
Drittens: Nahezu jedes Unternehmen hat inzwischen neue digitale Services kreiert - auch traditionelle Anbieter aus der Fertigungs- und Automobilindustrie wie beispielsweise Philips oder Mercedes-Benz, wo nicht mehr alleine das Produkt als Hardware, sondern digitale produktnahe Dienstleistungen in den Fokus gerückt sind.
Und viertens: Wer digitale Services entwickeln will, benötigt die entsprechenden Skills. Das Werben um talentierte Software-Ingenieure hat sich insofern nolens volens zu einer neuen Kernkompetenz der Unternehmen herauskristallisiert.
CIO-Magazin: Was bedeutet dies für die Rolle des CIOs? In vielen Unternehmen hat sich in den letzten Jahren die vermeintlich konkurrierende Position des Chief Digital Officers (CDO) etabliert.
Chris Bedi: Ich glaube nicht, dass sich an der Bedeutung des CIOs grundsätzlich etwas ändern wird. Ganz im Gegenteil. Worauf es aber ankommen wird, ist die Fähigkeit, die neuen und die alten Technologiewelten zu vereinen. Also skalierbare IT-Plattformen und Automatisierung auf der einen, Mobility, Agilität sowie Consumerization auf der anderen Seite zu managen. Man fasst dies häufig unter dem neuen Jobtitel Chief Digital Information Officer (CDIO) zusammen.
CIO-Magazin: Sollte die Zuständigkeit hierfür bei einer Person liegen?
Chris Bedi: Das lässt sich nicht pauschal mit ja oder nein beantworten. Das hängt stark von der Größe des Unternehmens, der Branche und dem jeweiligen Geschäftsmodell ab. Und vom Mindset und den Skills der Entscheidungsträger. Sie dürfen in diesem Zusammenhang ja auch nicht die Rolle des immer wichtiger werdenden Chief Data Officers vergessen. Entscheidend für mich ist, dass Unternehmen die Verantwortung für den IT-Betrieb und die Digitalisierung von Geschäftsprozessen bei den richtigen Personen verorten.
CIO-Magazin: Bleiben wir noch kurz beim CIO, der idealerweise die von Ihnen skizzierte alte und neue IT-Welt im Blick hat und verantwortet. Was würden Sie dem modernen CIO ins Stammbuch schreiben?
Chris Bedi: Dass er in seinem Job brilliert und sowohl die tagtäglichen Operations als auch die langfristigen strategischen Aufgaben gut managt.
Ich hatte es vorhin schon angedeutet: Automatisierung ist die Grundvoraussetzung für einen effizienten IT-Betrieb. Tempo und Agilität werden immer mehr zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Wer also seine IT-Services stabil, skalierbar, sicher und zu geringen Kosten bereitstellt, hat seine wichtigsten Hausaufgaben gemacht. Allein in der Automatisierung von Prozessen liegen Einsparpotenziale von mehr als 60 Prozent. Und wir reden natürlich in diesem Zusammenhang auch von einer nachhaltigen Verbesserung der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit durch effiziente Abläufe und einem smarten User Interface.
Aber der CIO sollte gleichzeitig über den Tag hinausdenken und auch in die Rolle des technologischen Vordenkers schlüpfen. In dieser Funktion ist er unter anderem als Chief Sales Officer für die Promotion der Transformation zuständig. Denn er muss seinem Unternehmen die Vision von einem "besseren Morgen" verkaufen können, dass es also mit Hilfe des Einsatzes neuer Technologien noch erfolgreicher wird. Aus der Perspektive eines Chief Human Resources Officer betrachtet, sollte der CIO das ständig lernende Unternehmen vorantreiben. Hier braucht es Technologien wie die Algorithmen des Machine Learning oder zeitgemäße Collaboration-Plattformen, ohne die schnelle und fundierte Entscheidungen nicht möglich sind. Und last, but not least: Als Chief Transformation Officer sollte der CIO all diese Aktivitäten bündeln.
CIO-Magazin: Kommen wir zum Schluss auf die Veränderungen in Ihrem Unternehmen zu sprechen. Klassisches IT-Service-Management (ITSM) war gestern. Heute positioniert sich ServiceNow als Drehscheibe für das komplette Workflow-Management und propagiert sehr stark den Plattform-Gedanken. Was verbirgt sich dahinter?
Chris Bedi: Vom reinen Produkt-Standpunkt aus betrachtet ist dies korrekt. Aber es hat sich, wenn Sie so wollen, nicht unsere Philosophie und unsere Zielsetzung, sondern lediglich der Weg dorthin geändert. Die CIOs wollen und müssen digitalisieren. Und bei diesem Unterfangen sind sie mehr denn je von einem Plattform-Ansatz und weniger von einer produktzentrierten Herangehensweise geleitet. Unsere "Now"-Plattform ermöglicht deshalb sowohl die Integration neuer digitaler Workflows in die jeweilige hybride Cloud-Infrastruktur als auch die Anpassung an individuelle Standardsoftwareprogramme - etwa im HR- oder Finance-Bereich. Es geht also um den Bau neuer Anwendungen zugunsten von mehr Produktivität und besserer Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit.