Digital Leader Award 2018

Die Daimler-Strategie für die Mobilität von morgen

17.08.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die eigenen Mitarbeiter zu motivieren, Ideen zu generieren und auch dafür zu kämpfen, diese weiterentwickeln und umsetzen zu können – das ist der Kern von DigitalLife@Daimler. Seit sieben Jahren arbeitet der Autobauer daran, die Instrumente und Formate für seine eigene digitale Transformation immer feiner zu tunen.

Gestartet 2011 aus einer Keimzelle mit drei Mitarbeitern hat das Thema digitale Transformation heute weite Teile der Daimler AG durchdrungen. Unter DigitalLife@Daimler fasst der Konzern sämtliche Aktivitäten rund um die Digitalisierung seines Geschäfts zusammen. Das Ziel: Die digitale Transformation ganzheitlich sowie divisionsübergreifend voranzutreiben – mit dem Menschen im Mittelpunkt. Das Konzept habe von Anfang an vorgesehen, die Mitarbeiter stark einzubinden, heißt es von Seiten des Autobauers.

Autobauer wie Daimler treiben mit Hochdruck Ideen und Visionen für die Mobilität der Zukunft voran. Neben den Fahrzeugen geht es dabei vor allem um neue digitale Services rund um das Fahren.
Autobauer wie Daimler treiben mit Hochdruck Ideen und Visionen für die Mobilität der Zukunft voran. Neben den Fahrzeugen geht es dabei vor allem um neue digitale Services rund um das Fahren.
Foto: Daimler

Das Digitalisierungsvorhaben sei bewusst nicht als klassisches Strategieprojekt inklusive externer Beratung aufgezogen worden. Vielmehr sollte die digitale Transformation über aktives Lernen gestaltet sowie das Know-how der internen Mitarbeiter erweitert und ein Kulturwandel herbeigeführt werden. DigitalLife ruht auf vier Grundpfeilern: Transform: Am Anfang stand die Entwicklung eines strategischen Zielbilds sowie einer Roadmap, um den Konzern als "automotive digital leader" zu positionieren.

Wenn digitalisieren, dann richtig

Die digitale Transformation bedeutet für Daimler eigenen Angaben zufolge eine konsequente Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das betrifft die Methoden, nach denen die Fahrzeuge entwickelt, geplant und gebaut werden, die Art, wie der Konzern mit Kunden und Partnern in Kontakt tritt, und nicht zuletzt die Befähigung der eigenen Mitarbeiter für die digitale Welt.

Zielbild und Roadmap sind allerdings nicht in Stein gemeißelt. Über regelmäßige Diskus- sionen mit dem Vorstand werden klare Ziele definiert und bei Bedarf angepasst. Ideate: Um den Prozess, Ideen und Innovationen zu generieren, in Gang zu bringen, hat Daimler verschiedene Aktivitäten rund um Ideation & Innovation angestoßen. Das zielt inunterschiedliche Richtungen, intern wie extern. Durch Events wie beispielsweise den "DL Day" und Open Spaces sowie eine Crowd-Ideen-Plattform sollen Innovationsgeist und eine hierarchiefreie, agile Ideengenerierung im Konzern gefördert werden.

Zudem gibt es extern ausgerichtete Programme, zum Beispiel die "Startup Autobahn" und "The Bridge", mit deren Hilfe Daimler über den Tellerrand hinausblicken möchte. Im Rahmen von Hackathons kommen außerdem externe Ideengeber mit internen Experten aus den Fachbereichen zusammen und entwickeln erste Prototypen von neuen Produkten. Collaborate: Aufbauend auf einer Online-Community und einem internen Blog, will Daimler die Aktivitätenzur Mitarbeitervernetzung weiterentwickeln.

Aktuell führt der Autobauer aus dem Ländle ein Social Intranet sowie verschiedene Methoden wie Design Thinking und "Working out Loud" ein. Die Ziele: Die interne Zusammenarbeit agiler zu machen, den Wissensaufbau bei den Mitarbeitern zu fördern und eine neue Zusammenarbeitskultur im gesamten Konzern auch über Landesgrenzen hinweg zu schaffen.

Change: Zu guter Letzt geht es Daimler darum, Marketing- und Kommunikationsaktivitäten rund um seinen digitalen Wandel zu etablieren. Mittels Roadshows, Workshops & TechTalks von (externen) Top-Speakern soll der digitale Wandel für die Mitarbeiter sichtbar und erlebbar gemacht werden. Um die interne Fehlerkultur zu stärken, werden Fail‘n‘Learn-Nights veranstaltet.

Daimlers Formate für DigitalLife scheinen sich mittlerweile gut etabliert zu haben. So berichtet der Konzern, über seine DL-Days rund 1000 Mitarbeiter jährlich zu aktivieren. Auf der Crowd-Idee-Plattform gibt es mittlerweile 75.000 registrierte Nutzer. 2017 wurden dort rund 900 Ideen eingereicht. Auch für Startups scheint Daimler als Kumulationspunkt für ihre Ideen an Attraktivität zu gewinnen.

Über 300 Startups bewerben sich jedes Jahr um die Teilnahme an den Programmen Startup Autobahn und The Bridge, 30 von ihnen werden angenommen. Daraus ergeben sich zirka zehn Pilotentwicklungen. Das Ziel, das die Daimler-Verantwortlichen anpeilen, ist, fünf Projekte daraus erfolgreich als eigenes Geschäft im Automotive-Portfolio einzubauen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche DigitalLife-Innovation ist "pacTris".

Die App ist aus einer internen Idee entstanden. Auf dem DL Day 2015 hatte eine Gruppe von Mitarbeitern ihren Plan für pacTris erfolgreich im Rahmen eines Ideation-Wettbewerbs gepitcht. Mit der App sollten Nutzer per Smartphone schon während des Einkaufs ihre Kartons vermessen können, um zu prüfen, ob sie in den Kofferraum passen. Die Idee überzeugte, und als Gewinner bekamen die Mitarbeiter ein Budget, Zugriff auf interne Ressourcen und eine Teilfreistellung.

Mit Smart hatten sie auch schnell einen internen Partner gefunden, der die App als potenzielle Ergänzung seines Serviceportfolios identifizierte und förderte. So konnte die Idee innerhalb von zehn Wochen in eine Demo-App weiterentwickelt werden.

Ein knappes Jahr später auf der IFA 2016 wurde pacTris offiziell gelauncht, ist seitdem im App-Store verfügbar und wird von den Mitarbeitern kontinuierlich weiterentwickelt. So gibt es mittlerweile eine pacTris-PRO-Variante, mit der sich in der Logistik die Beladung von LKWs und Containern effizienter planen lassen soll. Die Daimler-Verantwortlichen haben sich den Prozess von der Idee bis zur Umsetzung genau angesehen und aus Fehlern gelernt. Ursprünglich sollte der gesamte Prozess online abgewickelt werden. Doch dies habe teilweise zum Scheitern der Projekte geführt, räumt der Autobauer ehrlich ein.

Ideen einreichen und kommentieren funktioniere online gut, die konkrete Umsetzung jedoch nicht, so die Erkenntnis. Denn der persönliche Austausch sei auch im digitalen Zeitalter entscheidend für den Erfolg. Daher wurde der Prozess um Offline-Aktivitäten wie Strukturierung, Coaching und persönliche Treffen ergänzt und funktioniert inzwischen sehr gut.