Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, Unterbrechungen von Lieferketten, steigende Energiekosten sowie eine beschleunigte Inflation drohen die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft auszubremsen. Fast alle der über 600 vom Digitalverband Bitkom befragten Betriebe erwarten wegen der zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen einen Dämpfer, nachdem die Digitalisierung durch die Corona-Pandemie zuletzt noch einen deutlichen Schub erhalten hatte.
"Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern sich und belasten auch die Unternehmen", konstatiert Bitkom-Präsident Achim Berg. Wollen in diesem Jahr noch gut vier von zehn Unternehmen mehr Geld in ihren digitalen Wandel investieren als im Vorjahr, sinkt diese Quote 2023 auf gerade noch 18 Prozent. Ein Drittel der befragten Betriebe erklärte, deutlich weniger (14 Prozent) oder eher weniger (19 Prozent) für die Digitalisierung ausgeben zu wollen.
Nach wie vor sehen sich zwei Drittel der Unternehmen eher als Nachzügler in Sachen Digitalisierung. Die anderen sehen sich als Vorreiter. Das sind fast exakt die gleichen Zahlen wie im Vorjahr. Immerhin fürchtet keines der befragten Unternehmen, den digitalen Anschluss verpasst zu haben. Insgesamt würden sich die deutschen Manager ein "Befriedigend" als Schulnote für ihre Digitalisierungsanstrengungen geben.
Neun von zehn Unternehmen berichten zudem von unerwarteten Schwierigkeiten, die bei der Digitalisierung aufgetreten seien. Da verwundert es nicht, dass sich die Geschäfte der meisten Betriebe immer noch in der analogen Welt abspielt. Gerade einmal fünf Prozent erklärten, mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen mit digitalen Produkten und Dienstleistungen zu erzielen.
Laut Bitkom fällt es den Unternehmen immer noch schwer, neue digitale Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln (48 Prozent). Nur zwölf Prozent der Unternehmen gaben an, dies falle ihnen sehr leicht (drei Prozent) oder eher leicht (neun Prozent). Ein Drittel der befragten Betriebe entwickelt gar keine neuen digitalen Produkte oder Dienstleistungen.
Das größte Hemmnis bei der Entwicklung digitaler Produkte oder Dienstleistungen ist der Umfrage zufolge die fehlende Zeit, zum Beispiel im Management (61 Prozent). Die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) klagt über fehlende Fachkräfte, 45 Prozent erleben, dass die Anforderungen an den Datenschutz neue digitale Lösungen bremsen oder verhindern. Drei von zehn Betriebe (29 Prozent) verfügen nicht über ausreichende finanzielle Mittel für die Entwicklung digitaler Angebote.
Bitkom-Präsident Berg will das nicht gelten lassen. "Digitalisierung ist die entscheidende Zukunftsfrage für die meisten Unternehmen und für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Niemand sollte heute noch sagen, er habe keine Zeit für Digitalisierung." Wem es an Know-how fehle, solle auf Kooperationen setzen - mit Unternehmen aus der eigenen Branche, mit Digitalunternehmen und insbesondere auch mit innovativen Tech-Startups. "Die Möglichkeiten sind da, sie müssen nur genutzt werden."
Immerhin glaubt nicht nur der Verbandssprecher an die hohe Bedeutung der Digitalisierung. Gut zwei Drittel (69 Prozent) der Befragten gehen davon aus, dass in fünf Jahren digitale Geschäftsmodelle von sehr großer Bedeutung oder sogar entscheidend für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg sein werden. "Digitalisierung ist das beste Mittel für Widerstandsfähigkeit und Resilienz gegenüber Krisen jeder Art. Wir müssen alles daransetzen, dass die in der Pandemie erzielten Fortschritte jetzt nicht verpuffen, sondern nachgehalten und verstärkt werden", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.